Gedanken zur Gründung christlicher Parteien, anlässlich der Europawahl 2014.

Der weltweite Trend, christliche Parteien zu gründen, ist auch verursacht, durch einen Niedergang des demokratischen Bewusstseins, seit Ende des zweiten Weltkrieges. Einige Jahrzehnte lang war es so, dass man damit rechnen konnte, dass die etablierten Parteien doch noch irgendwie ein christlich geprägtes Wertebewusstsein haben, selbst dann, wenn diese Parteien von deistisch- oder gar atheistisch denkenden Leuten geführt worden sind. Denn am Anfang war es so, dass ein Politiker, wenn er gewählt wurde und ein Regierungsamt bekleidete, sich von dem Tag seiner Vereidigung an der gesamten Gesellschaft gegenüber verpflichtet fühlte, und nicht mehr der Interessensgruppe oder der Klientel, die ihn gewählt hatte. »Ich bin meine Wählern verantwortlich« ist ein geflügeltes Wort geworden, während man früher sagte, »Ich möchte ein Bundeskanzler (Minister etc.) für alle Österreicher (Deutsche ...) werden«, weil man mehr daran dachte, das man in einem ständigen Interessensausgleich den Anforderungen einer multiplen Gesellschaft gerecht zu werden hat.

Das populistische Ansprechen einer bestimmten Zielgruppe war früher nur auf die Phase eines Wahlkampfes beschränkt, während er jetzt meist auch ein Regierungskonzept darstellt und in Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben wird. Wenn ein Christ früher seine Berufung darin sah, in die Politik zu gehen, dann war das für ihn zwar nicht leicht, aber doch möglich, er konnte sich in einer etablierten Partei engagieren und wenn er kein allzu enges Gewissen hatte, konnte er gute Arbeit leisten und etwas bewegen. Die Gründung einer christlichen Partei war nicht nötig, die Illusion einer Gesellschaftstransformation die dem Christentum wieder eine maßgebliche Machtpostion einbringen sollte, war noch nicht geboren und wäre auch von den Freikirchen allgemein als unbiblisch angesehen worden, die ja einst gerade darunter litten, dass ein etabliertes Machtchristentum gnadenlos jeden Andersgläubigen verfolgte.

Inzwischen hat in den letzten Jahrzehnten aber ein mehrfache Wertewandel stattgefunden, der so genannt wird, aber in unseren Augen eigentlich ein Werteverfall ist. Denn das was aufgegeben wird, wird nicht durch etwas ersetzt, in dem wir Bibelgläubigen Christen irgendeinen moralischen Wert erkennen könnten. Aber nennen wir es halt so, wie es in der Welt üblich ist: dieser Wertewandel hat natürlich in erster Linie die Parteien betroffen. Denn ausgegangen ist er von Kräften, die bewusst antichristlich und teilweise sogar anarchistisch motiviert sind. In vielfachen Lobbyisteninitiativen haben verschiedenste Gruppen die Änderung der Parteienprogramme durchgesetzt um eben die herkömmlichen Werte des christlich geprägten Abendlandes zu verändern. Das machte es für einen Christen zunehmend schwierig bis unmöglich sich in den etablierten Parteien zu engagieren.

Das war die eine Seite des Wertewandels in der christlichen Gesellschaft, der es uns heute kaum mehr möglich macht, eine etablierte Partei zu wählen, oder gar in dieser mitzuarbeiten, zumal wie gesagt das demokratische Bewusstsein in der Politik ebenfalls diesem Wandel unterworfen war und die Politik zunehmend populistisch wurde. Dies begünstigt natürlich den von verschiedensten Interessensgruppen vorangetriebenen Wertewandel wiederum enorm, da kaum ein Politiker mehr bereit war, sich für eine noch moralisch empfindende Minderheit einzusetzen.

Zugleich hat aber, ausgehend von den USA, ein weiterer Wertewandel stattgefunden und zwar in den Kreisen des Bibelchistentums selber. Auch dort stellte man diesen vorerst nur in der säkularen Gesellschaft stattgefundenen Wertewandel fest. Hier gab es aber ein engagiertes evangelikale Christentum, zu dem man die bibeltreuen Christen mitzählt, das doch ein zahlenmäßig bedeutsames Wählerpotential darstellte. Dieses wollte sich nicht einfach mit dieser Entwicklung abfinden, und begann Strategien zu entwickeln, dem entgegen zu wirken. Obwohl man in der Gründungsphase der Vereinigten Staaten von Amerika bewusst auf jegliches Machtchristentum verzichtete, weil man, wie schon erwähnt, die negativen Auswirkungen eines solchen in Europa zur Genüge kennengelernt hatte und nicht selten gerade das ein Auswanderungsgrund war, begann man nun doch nach Möglichkeiten zu suchen, diesen unerwarteten negativen Trend des Wertewandels auf demokratischen Weg zu unterbinden. Dazu begannen die evangelikalen Christen ihrerseits mit politischer Lobbyarbeit. Im einzelnen darauf einzugehem wäre die Sache einer weitgehenden Studie, aber tatsächlich ist es so, dass heute kaum mehr ein amerikanischer Präsident gewählt werden würde, der nicht behauptet ein wiedergeborener Christ zu sein. Dies wird nun von den meisten Christen dort akzeptiert und als gut empfunden, obwohl man bei den meisten Präsidenten den Eindruck hat, dass die gar nicht wissen was Wiedergeburt ist. Ihre Spindoktoren haben es ihnen empfohlen sich einfach dieses Attribut anzueignen, es brächte bei den Evangelikalen viele Wählerstimmen.

Dieser scheinbare Erfolg förderte die Illusion, man könne doch auf demokratischen Weg etwas ausrichten in der Gesellschaft und den Wertewandel stoppen. Doch das war ein Irrtum. Denn dieser Wertewandel schritt ungeachtet des evangelikalen Engagement auch in den USA weiter fort. Im Gegensatz zu Europa etwas langsamer, aber mit einer Wechselwirkung auf den Glauben der Evangelikalen. Denn ihrerseits begannen Evangelikale Christen mit der Relativierung bestimmter Werte, da sie ja als politisch engagierte Demokraten (wörtlich gemeint, nicht parteipolitisch), die sie mit Überzeugung waren, auch Kompromisse eingehen mussten. Nun waren da also christliche Politiker in den USA, die über Jahre hinweg eine Vorbildfunktion ausübten und den übrigen Glaubensgeschwistern zeigten, wie man scheinbar auch mit Kompromissen ganz gut leben kann. Der Wertewandel fand in einer gemäßigten Form auch in den Gemeinden statt. Reine biblische Lehre wurde mehr und mehr durch pragmatische Konzepte der psychologischen und pädagogischen Lebensführung ersetzt, die sehr subtil von reinen biblisch-christlichen Wertvorstellungen abweichen.  Auf diesen Zug sprangen dann gerne auch die etablierten Kirchen auf, war doch damit die theologische Distanz bereits verkleinert worden. Diese etablierten Kirchen hatten schon in Europa den biblisch geforderten Machtverzicht nicht so konkret gesehen wie die Freikirchen. Das brachte schließlich eine breite Akzeptanz der von Grund auf politisch agierenden Ökumene mit sich, denn in der Politik gilt natürlich immer das Prinzip: Gemeinsam sind wir stark. Eine besondere Rolle spielt in dieser machtpolitischen Zusammenführung der Christen die charismatische Bewegung, die in ihren Anfängen sowohl im Protestantismus als auch im Katholizismus ihre Wurzeln hat.

Natürlich ist auch in den USA jedem bewusst, dass das Ergebnis bisher unbefriedigend ist. Doch arbeitet man fleißig an Konzepten, wie man den Machtgewinn verstärken kann. Evangelikale sind eifrig dabei, eine Gesellschaftstransformation vorzubereiten, die ihnen und dem Gesamtchristentum einen weiteren Machtgewinn bescheren sollen. An der Umsetzung dieser Konzepte wird fleißig gearbeitet und in vielen Gemeinden kann man einen Wertewandel erkennen der nicht mehr die Absonderung von der Welt und die konsequente und kompromisslose Verkündigung des Kreuzes Christi im Blick hat, sondern ein Suchen nach gesellschaftlicher Akzeptanz und Einfluss, den man mit Hilfe der Diakonie, die doch eigentlich selbstloses Liebeswerk sein sollte, zu erreichen gedenkt. Diese Konzepte sind auch reichlich nach Europa vorgedrungen, nur dass wir hier einen schwereren Stand haben, diese durchzusetzen. Denn die etablierten politischen Parteien sind nicht so weit von evangelikalen Christen durchsetzt, dass man sich hier irgendwas erwarten könnte. In der Abschaffung dieses Mangels aber liegt das Motiv für die Gründung rein christlicher Parteien, die es ja bis dahin nicht gab.

Die Frage die sich stellt ist nun, ob die Entwicklung sowohl in den USA als auch in Europa, sowie auch in vielen anderen Ländern der Welt, in denen es ähnliche Wünsche gibt, dem Christentum wieder eine breitere politische Akzeptanz zu verschaffen und den Wertewandel zu stoppen, tatsächlich positiv zu bewerten ist. Kann es sein, dass Gott will, dass wir unsere Kraft dafür einsetzen, auf solchen Wegen eine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen? Sollen wir nicht vielmehr uns dem bewussten Machtverzicht hingeben, wie Jesus es getan hat, obwohl er auch anders hätte handeln können? Dürfen wir wirklich erwarten, mit den Mitteln von Diakonie und Evanelisation eine Gesellschaftstransformation zu erreichen, die zu einer Etablierung rein christlicher Parteien und Institutionen führt und so erneut ein Machtchristentum entstehen lässt? Oder sollten wir nicht vielmehr alles darauf setzen, dass unser Herr wiederkommt und diese Phase des Abfalles beendet in einer Weise, wie wir das nicht können?

Wenn er kommt wird er mit dem Schwert seines Mundes für Gerechtigkeit und Frieden sorgen. Wenn wir das selbst in die Hand nehmen, welches Ergebnis wäre zu erwarten? Müssten wir nicht wieder eine Menge fauler Kompromisse eingehen und verlören wir nicht wieder unsere Geisteskraft, wie schon einige male in der Geschichte? Ich fürchte so wird es wieder werden. Mit der Politik und ihren Machtmitteln können wir nie und nimmer dem Herrn dienen, wir werden immer dem Zeitgeist unterliegen, dem sein Unwesen zu treiben ihm von Gott noch zugestanden wird, bis unser Herr wiederkommt. Also plädiere ich für ein Christentum der Demut und des Machtverzichtes. In diesem Sinne kann ich die Gründung von rein christlichen Parteien nicht gut heißen. Ich weiß, wir werden angehalten, als Staatsbürger unsere demokratische Pflicht zu tun und zumindest wählen zu gehen. Ich wusste in meinem Land die letzten male aber nicht mehr, wenn ich wählen soll. Selbst die Wahl des geringeren Übels ist nicht mehr möglich, den sie ist bereits eine Wahl zwischen Pest und Colera. Aber es ist immer noch besser ungültig zu wählen, das ist auch ein demokratisches Signal, die Politikern auch zu denken gibt, als sich zu beteiligen an einem grundsätzlich antichristlichen System, das nicht nur die biblischen Ideale verleugnet, sondern auch die eigenen nach belieben abschafft um sie durch andere zu ersetzen, die dem allgemeinen Trend hin zum Populismus dienen.

Mag sein, dass derartige Verweigerung uns immer mehr in eine Position bringt, in der wir auch wieder mit Verfolgung rechnen müssen. Aber ist das nicht eher unser normales von der Schrift vorhergesagtes Schicksal? Ich habe bewusst darauf verzichtet hier Bibelstellen anzuführen, die in diese Richtung deuten, denn sie sind uns ja allzu bekannt. Es ginge nur darum, sie wieder neu ernst zu nehmen und die Gemeinden nicht weiter mit unbiblischen fruchtlosen Konzepten zu beschweren.

Als reines Bibelchristentum, das von der Autorität und Zuverlässigkeit der gesamten Heiligen Schrift überzeugt ist, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir die kleine Herde bleiben, der Jesus zugerufen hat: fürchtet Euch nicht! Eine Allianz mit dem Weltchristentum aber, der Ökumene, die als politische Institution gegründet worden ist, um Rom wieder zur einstigen Geltung zu verhelfen, würde uns selbst einen Verlust vieler biblischer Werte einbringen, die wir festzuhalten in der Bibel ermahnt werden. Man würde uns einen Bund anbieten, der vielleicht verlockend ist, aber der uns letztendlich unserer Perlen beraubt und sie in den Dreck tritt. Da ist es besser, wieder zu den Verachteten zu zählen, denn ER war zu seiner Zeit der Allerverachtetste. Aber weil er in allem treu war, deshalb wird er am Ende der Sieger sein und wir mit ihm, wenn wir ebenso die Treue zu seinem Wort bewahrt haben.

Darum sollten wir Abstand nehmen von einer christlichen Parteigründung und Führung, denn wir könnten einer derartigen verderblichen und unheiligen Allianz nicht entkommen.

Joscho