5. Das Ziel der Geisteswirkungen (1. Kor. 12:1-27)

Gnadengaben sind also Geisteswirkungen, die sich seit Pfingsten durch den Dienst der Gläubigen ereignen und zwar auf unterschiedlichste Weise. Das haben wir bisher gelernt. Die Frage ist nun, wozu das Ganze? Das ist eine sehr wichtige Frage, mit der wir uns heute beschäftigen wollen, mit dem Ziel der Geisteswirkungen. Was ist es, was der Geist Gottes beabsichtigt? Viele Wirkungen sind oft nur dann als Geisteswirkungen zu identifizieren, wenn wir in der Lage sind zu erkennen, was der Geist will. Johannes sagte in seinem 1. Brief Kap. 4:1: Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt.

 

Wie können wir denn nun erkennen, ob in einer spektakulären Wirkung, die anscheinend von einem Geist verursacht wurde, wirklich der Geist Gottes am Werk war? Wir können es oft nur dann, wenn wir wissen, was das Ziel des Geistes mit seinen Wirkungen ist, die er im und durch die Gläubigen hervorruft. Johannes hat die Antwort auf Christus bezogen und gesagt, dass der Geist auf Christus deutet und ihn verherrlicht. Paulus im 1. Korintherbrief Kap. 12, das wir heute weiterlesen wollen, stößt in das gleiche Horn, aber er gibt uns viel konkretere Hinweise, nämlich darauf, wie der Geist Christus verherrlicht:

(11) Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist, der jedem persönlich zuteilt, wie er will. (12) Denn gleichwie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des einen Leibes aber, obwohl es viele sind, als Leib eins sind, so auch der Christus. (13) Denn wir sind ja alle durch einen Geist in einen Leib hinein getauft worden, ob wir Juden sind oder Griechen, Knechte oder Freie, und wir sind alle getränkt worden zu einem Geist. (14) Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele. (15) Wenn der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum gehöre ich nicht zum Leib! –gehört er deswegen etwa nicht zum Leib? (16) Und wenn das Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum gehöre ich nicht zum Leib! –gehört es deswegen etwa nicht zum Leib? (17) Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Ohr wäre, wo bliebe der Geruchssinn? (18) Nun aber hat Gott die Glieder, jedes einzelne von ihnen, so im Leib eingefügt, wie er gewollt hat. (19) Wenn aber alles ein Glied wäre, wo bliebe der Leib? (20) Nun aber gibt es zwar viele Glieder, doch nur einen Leib. (21) Und das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht! oder das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht! (22) Vielmehr sind gerade die scheinbar schwächeren Glieder des Leibes notwendig, (23) und die Glieder am Leib, die wir für weniger ehrbar halten, umgeben wir mit desto größerer Ehre, und unsere weniger anständigen erhalten um so größere Anständigkeit; (24) denn unsere anständigen brauchen es nicht. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem geringeren Glied um so größere Ehre gab, (25) damit es keinen Zwiespalt im Leib gebe, sondern die Glieder gleichermaßen füreinander sorgen. (26) Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit. (27) Ihr aber seid der Leib des Christus, und jeder ist ein Glied daran nach seinem Teil.

Der erste Vers, den wir heute gelesen haben, war auch in der vorigen Predigt der letzte. Ich habe ihn noch einmal hinzugenommen, weil er ein wichtiges Bindeglied ist zwischen den beiden Textabschnitten: (11) Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist, der jedem persönlich zuteilt, wie er will. Bisher ging es nämlich nur um die Gaben. Wenn ihr euch erinnern könnt, es war von den einzelnen Wirkungen die Rede, Weisheit, Erkenntnis, Glaube und so weiter. Der Besitz einer Gnadengaben mag dazu verführen, sich selbst wichtiger zu nehmen, als man ist. Es ist ja auch etwas ganz Persönliches, wenn man feststellt, dass man Gaben hat, dass einem Gott etwas gelingen lässt und man freut sich mit Recht darüber. Aber wir übersehen leicht, dass es der Geist ist, der es uns zugeteilt hat und zwar wie er gewollt hat. Wir haben es uns nicht angeeignet, durch keinen Verdienst unsererseits. Wir sind nicht in einen Selbstbedienungsladen gegangen und haben uns etwas gekauft was uns gefällt, sondern es wurde uns etwas geschenkt. Gott aber, der das Gnadengeschenk gibt, teilt zu wie er will.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Und nun kommen wir vom Einzelnen zum Ganzen. Paulus lenkt unsere Blicke weg von den einzelnen Gaben, hin auf das Ganze System, das durch das Verteilen der Gaben entstehen soll. Nirgends wird es deutlicher, dass das Ganze mehr ist, als die Summe seiner Teile, als an einem lebendigen Organismus. Der Leib ist mehr als eine Ansammlung von Gliedern, er ist das eigentlich Lebendige. Die Glieder wären alle für sich alleine tot und hätten gar keinen Sinn.

Das Ziel des Geistes ist es also, in allen Geisteswirkungen, den lebendigen Organismus des Leibes Christi zu bilden. Diesem Ziel ist die Verteilung der Gaben unter den Gläubigen untergeordnet. Da das nicht unser Ziel ist, sondern das Ziel des Heiligen Geistes, haben wir in dieser Sache auch gar nichts mit zu bestimmen. Es ist vielleicht so wie mit unseren Kindern. Natürlich wünschen sich unsere Kinder Geschenke. Meistens auch solche, die wir ihnen gerne zugestehen und auch selber aussuchen. Manchmal überraschen wir sie aber auch und sie bekommen etwas, womit sie nicht gerechnet haben. Aber was ist das Ziel? Beschenken wir unsere Kinder nur einfach deshalb, damit sie wieder eine Zeit lang beschäftigt sind und Ruhe geben? Ich denke so sollte es nicht sein, auch wenn es leider manchmal so ist. Wenn wir verantwortungsvolle Eltern sind, dann beschenken wir unsere Kinder bewusst nach einem erzieherischen Ziel. Wir wollen, dass unsere Kinder lernen und schenken ihnen das was ihnen förderlich ist. Das heißt vielleicht aber auch, dass sie mal etwas nicht bekommen, was sie sich gewünscht hätten, oder es zu einem späteren Zeitpunkt bekommen, an dem sie zu diesem Geschenk reif sind. Das Ziel ist das Ausschlaggebende, das wir bei unserer Erziehung verfolgen. Der Wunsch der Kinder ist nicht unwichtig, aber auch nicht entscheidend. Gegebenenfalls manipulieren wir die Kinder und versuchen sie davon zu überzeugen, was für sie das Beste ist. Ich weiß, dass das gegen alle modernen Erziehungsmethoden steht, aber glaubt mir, ihr manipuliert Eure Kinder und das ist auch gut für sie.

Das Reich Gottes mitten unter uns

So hat auch der Geist Gottes ein Ziel mit der Gemeinde und das lautet, dass sie der Leib Christi sein soll. Bedenken wir was das bedeutet: Christus, der in den Himmel aufgefahren ist, soll in seiner Gemeinde dennoch weiter auf dieser Erde präsent sein! Das ist ein großes Thema der Heiligen Schrift. Christus ist nicht weit weg in einem unerreichbaren Himmel, sondern mitten unter uns in dieser Welt (Mt 18:20 Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen). Natürlich ist er auch im Himmel, aber da er dort und hier ist, können wir ja genauso gut sagen, das Reich Gottes ist mitten unter uns, dadurch dass der Geist Gottes in uns allen den Leib Christi ausbildet. So hat das Jesus formuliert, als die Frage nach dem Reich Gottes aufgetaucht war (Luk 17:20-21): »Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Man wird nicht sagen: Siehe hier! oder: Siehe dort! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.«

Freilich ist es nicht zu lokalisieren. Es gibt kein Land oder Volk, welches das Reich Gottes repräsentieren kann – das war etwas für die Juden damals sehr schwer verdauliches und mit ihrer nationalen Hoffnung nicht vereinbar. Aber Jesus sagte es so, dass das Reich Gottes mitten unter den Menschen sein wird, und so ist es auch seit 2000 Jahren. Der Leib Christi ist also die Gemeinschaft der Gläubigen, die mit ihren Gnadengaben zusammengenommen das Reich Gottes hier auf Erden bildet. Das schließt nicht aus, dass die allgemeine Sichtbarwerdung des Reiches Gottes, nach der wir uns sehnen, in der Zukunft noch auf eine andere Weise stattfindet, wenn nämlich Christus für alle sichtbar wiederkommen wird. Aber dennoch ist das Reich Gottes keine ausschließliche Sache der Zukunft mehr, denn es wird jetzt, in diesem Zeitalter gebildet durch jeden einzelnen Menschen, der seiner Gemeinde hinzugfügt wird. Wir können das heute gar nicht zu Ende denken, denn da säßen wir viele Stunden zusammen. Heute geht es nur um diesen Teilaspekt, dass dieser Leib Christi aus vielen Gliedern zusammengesetzt ist, von denen jedes seine eigene Aufgabe hat.

12 Denn gleichwie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des einen Leibes aber, obwohl es viele sind, als Leib eins sind, so auch der Christus. Diese Vielfalt der Aufgaben der einzelnen Glieder macht aus einem Leib kein chaotisches System, sondern einen, zwar komplexen, aber einheitlichen Organismus. Gerade in der Vielfalt seiner Glieder liegt die hohe Funktionsfähigkeit des Leibes. Oder anders ausgedrückt, je vielfältiger die Glieder sind, desto höher entwickelt ist das Lebewesen. Ist euch schon einmal aufgefallen, dass das, was Lebewesen können oder nicht können, sehr wesentlich von der Entwicklung ihrer Glieder abhängt? Wie hoch entwickelt Arme, Beine, Augen und Ohren sind, bestimmt, wozu diese Wesen fähig sind. An der Spitze dieser Schöpfung steht der Mensch, mit, im Vergleich zu den Tieren, geradezu unglaublichen Fähigkeiten. Seine Feingliedrigkeit macht ihn zu dem Wesen, das sich am Besten den verschiedenen Naturbedingungen anpassen kann. Menschen leben in der Wüste und im Eismeer ebenso wie auf dem Wasser oder am Land. Sie steigen auf die höchsten Berge und fahren mit Unterseeboten in die tiefsten Tiefen. Sogar in das All können sie gelangen und sich dort eine Zeitlang aufhalten, auch wenn die Entwicklung bis dahin viele tausend Jahre gedauert hat. Es ist einerseits die Intelligenz des Menschen, die ihn soweit gebracht hat, aber was hätte ihm diese geholfen, wenn er dazu nicht den richtigen Leib gehabt hätte? Sage wir mal die Augen der Menschen: wären sie nur soweit ausgebildet wie die der Bienen, dass sie Licht und Schatten erkennen könnten und nicht mehr – der Mensch wäre wohl längst ausgestorben. Oder was, wenn wir anstelle unserer Finger nur Klauen hätten? Wozu wären wir dann fähig, zu vielem wohl nicht mehr. So sehen wir schon, dass die Bildung des Leibes von großer Bedeutung ist und wenn es um den Leib Christi geht, so ist niemand anderer als der Heilige Geist in der Lage zu bestimmen, wie dieser aussehen soll. Der menschliche Körper ist ja nur eine Metapher für etwas weitaus größeres, das gedacht werden muss, wenn wir vom Leib Christi sprechen.

Geistestaufe

13 Denn wir sind ja alle durch einen Geist in einen Leib hinein getauft worden, ob wir Juden sind oder Griechen, Knechte oder Freie, und wir sind alle getränkt worden zu einem Geist. Hier ist also der Geist Gottes am Werk und macht etwas aus der Summe aller Gläubigen aller Zeiten und an allen Orten, was den Christus darstellt und verherrlicht. Die Frage danach, wer dazu gehört und ab wann jemand dazu gehört, ist dabei aus V. 13 sehr leicht zu beantworten. Hier ist von der Geistestaufe die Rede. Wir wissen ja von der Wassertaufe und dass sie dazu dient, um das, was Christus für uns am Kreuz getan hat und die Auswirkung auf unser Leben, zu symbolisieren. Derjenige der sich taufen lässt, bezeugt dadurch, mit Christus gestorben und auferstanden zu sein, um mit ihm in einem neuen Leben zu wandeln. Das ist der Kern des Evangeliums. Die Macht der Sünde und des Todes ist durch den Gekreuzigten gebrochen. Das neue Leben in Christus aber ist ein Leben des Sieges. Was aber tut der Heilige Geist? Er fügt nun auf dieser Erde alle jene zusammen, die das tatsächlich glauben und ihr Leben nach Christus ausrichten wollen. Dieses Zusammenfügen zu einer Einheit des Leibes ist nun die Geistestaufe. Sie ist eigentlich das Ereignis in der unsichtbaren Welt, das die Wassertaufe symbolisch sichtbar machen will.

An und für sich ist also die Geistestaufe nichts Sichtbares. So wie sich die Entstehung des Leibes Christi als ein Geheimnis darstellt, das ohnehin nur von den Gläubigen begreifbar ist, so ist auch die Geistestaufe selbst ein Geheimnis, von dem wir nicht viel mitbekommen. Nirgends in der Bibel wird uns eine Geistestaufe als Ereignis berichtet oder beschrieben. Das Auftreten von Geisteswirkungen ist sehr unterschiedlich und meistens unspektakulär, daher können sie nicht als sichtbares Zeichen für eine Geistestaufe gelten, auch wenn das Pfingstereignis diesen Eindruck erweckt. Pfingsten stellt in erster Linie die Erfüllung einer alttestamentlichen Weissagung dar, nach der der Geist sein Werk begonnen hat (Joel 3:1-5).

Es gibt auch keine anderen Bedingungen für die Geistestaufe als für Bekehrung und Wiedergeburt. Deshalb entbehrt eine Unterscheidung von Gläubigen nach solchen die vom Geist getauft sind und solchen die »nur gläubig« sind, jeder biblischen Grundlage. Paulus betont hier gerade das Gegenteil, nämlich dass alle Gläubigen, unabhängig von Ihrer Herkunft und ihrem Stand, durch die Geistestaufe Glieder an dem einen Leib Christi geworden sind. Dies geschieht auch am Anfang des Glaubensleben, denn wenn das nicht so wäre, hätte Paulus sagen müssen, dass er an dieser Stelle nur einen begrenzten Teil von besonders reifen Christen in der Gemeinde zu Korinth meint. Das hat er aber nicht getan und es würde auch seine ganze bisherige Argumentation in Frage stellen, wenn er es getan hätte. Er hat diesen Brief an wirklich ALLE Gläubigen in Korinth geschrieben, um ihnen zu versichern, dass sie ALLE Glieder am Leib Christi sind, durch die Geistestaufe. Der Geist wurde auch niemanden nur in eingeschränktem Maße gegeben. Wenn der Geist eine Person ist, wäre das von daher schon unlogisch, denn eine Person ist nicht nach einem Maß zuteilbar. Mit einer Person haben wir entweder ganz oder gar nicht Gemeinschaft. Und auch das Bild der Taufe, nämlich das Untertauchen, zeigt uns, dass es darum geht, dass wir vom Anfang an ganz im Heiligen Geist getränkt sind, wie er noch einmal betont. Also mehr geht gar nicht. Auch wenn also nicht alle Gläubigen die gleichen spektakulären Geisteswirkungen an sich feststellen, so ist das absolut kein Grund, daran zu zweifeln, den Heiligen Geist im vollen Umfang bei der Bekehrung erhalten zu haben, wie alle anderen Glieder am Leib Christi auch. Die einzige Voraussetzung ist Buße (Apg. 2:38).

Die Funktionen des Leibes

(14) Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele. (15) Wenn der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum gehöre ich nicht zum Leib! –gehört er deswegen etwa nicht zum Leib? (16) Und wenn das Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum gehöre ich nicht zum Leib! –gehört es deswegen etwa nicht zum Leib? (17) Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Ohr wäre, wo bliebe der Geruchssinn? (18) Nun aber hat Gott die Glieder, jedes einzelne von ihnen, so im Leib eingefügt, wie er gewollt hat. (19) Wenn aber alles ein Glied wäre, wo bliebe der Leib? (20) Nun aber gibt es zwar viele Glieder, doch nur einen Leib.
Gläubig zu sein und an der Teilhaftigkeit am Leibe Christi zu zweifeln, weil man über bestimmte Fähigkeiten nicht verfügt, ist so unsinnig als würde unser Fuß sagen (wenn er über das Eigenleben verfügen würde, um das sagen zu können): ich bin keine Hand, also gehöre ich da nicht dazu. Wir verfügen über ein Eigenleben. Es ist uns ja durch die Wiedergeburt nicht genommen worden und wir verhalten uns manchesmal exakt so unsinnig. Wir stellen unsere Stellung am Leib Christi in Frage, nur weil sie anders ist als die Anderer. Das ist ein großer Unfug in der Gemeinde, damals wie heute. Wir haben gesagt, dass die Komplexität des Leibes sich nach dem Lebewesen richtet. Ein Mensch ist komplexer als jedes Tier, oder gar eine Pflanze, die ja auch ein Organismus ist. Wir dürfen das ruhig steigern, indem wir sagen, die Komplexität des Leibes Christi ist wahrscheinlich von uns in diesem Zeitalter gar nicht erfassbar. Dennoch entwickeln wir Vorstellungen, wie ein Christ sein sollte, was er machen darf oder muss und wie er sein soll. Wir stellen Gabenkataloge auf und entwickeln Heiligungskriterien, die uns suggerieren, dass ein Christ ihnen entsprechen muss. In Wirklichkeit aber finden wir von all dem gar nichts in der Heiligen Schrift. Was wir dagegen finden ist eine ungeheure Fülle von verschiedensten Glaubensdarstellungen von Menschen, die so leben wollten, wie sie dachten dass es Gott gefällt. Alles was ihnen gemeinsam war, ist nicht das Streben nach bestimmten Frömmigkeitsformen, sondern der Wille, die Sünde zu vermeiden. Rechtfertigung war für die Gläubigen im Alten und im Neuen Testament nämlich kein Alibi für erneutes sündigen. Die Sehnsucht nach der Verwirklichung der Gerechtigkeit war größer als der Wunsch nach spektakulärer Selbstdarstellung. Deshalb nahmen sie die Vergebung und Barmherzigkeit Gottes dankbar an, stellten aber dann Ihr Leben in seinen Dienst und ließen sich vom Geist leiten. Sie waren nicht gefangen in toten Werken, sondern lebendig im Glauben.

Ein Glied ist also nicht deshalb kein Glied, weil es anders ist als die Anderen. Nein, gerade im Gegenteil, was ein Glied am Leibe Christi auszeichnet, ist dass es anders ist und seine Andersartigkeit in den Dienst der Gemeinschaft stellt. Anstatt zu klagen über das was du nicht hast, versuche einmal ganz schlicht mit dem zu dienen, was du hast und vielleicht gibt Dir Gott dann ja eines Tages mehr, entsprechend dem Grundsatz, dass wer im Kleinen treu ist, dem wird auch Größeres anvertraut.

Zwischen Minderwertigkeitskomplex und Selbstüberschätzung

Paulus entwirft hier eigentlich zwei Szenarien, die zu Problemen führen. Das eine ist der Minderwertigkeitskomplex und das andere die Selbstüberschätzung. Den Minderwertigkeitskomplex haben wir in V. 15, wenn der Fuß sagt, er gehört eigentlich nicht dazu: »Er krebst immer da unten im Dreck herum, während die Hand die interessantesten Arbeiten verrichten darf!« Das wurmt den Fuß und er fühlt sich minderwertig, er übersieht dabei ganz, das er es ist, der die Hand erst dahin bringt, an den Ort, wo sie tätig werden kann. Kennen wir dieses Gefühl auch bei uns? Schielen wir nicht auch immer nach den anderen Dingen, die nicht für uns bestimmt sind?

(21) Und das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht! oder das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht! Das andere ist die Selbstüberschätzung in V21. Interessant, dass der Minderwertigkeitskomplex immer unten zu finden ist, bei den Füßen und die Selbstüberschätzung nun oben, bei den Augen und dem Haupt. Das Auge sagt zur Hand: »ich brauche Dich nicht!«, oder der Kopf zu den Füßen. »Ich schwebe da oben in den höheren Regionen und habe den Überblick, wozu brauche ich Dich?«

Ja, es ist Realität, es gibt ein Unten und ein Oben. Es gibt Füße und Köpfe. Doch muss es deshalb auch immer diesen leidigen Streit geben wegen Selbstüberschätzung und Minderwertigkeitsgefühle? In Wirklichkeit ist doch alles ein Leib und der kann nur effektiv handeln, wenn alle Glieder zusammenspielen. Warum dringt das nur so langsam in unser Bewusstsein?

Also ignorieren wir doch einfach unser Stellung, ob wir oben oder unten sind und geben wir uns ganz dem Bewusstsein hin, dem Ganzen zu dienen und das Ganze ist der Leib Christi. Dazu braucht es von allen Demut, von den Köpfen und von den Füßen, denn das Einzelne ist in Wirklichkeit nichts wert, wenn es nicht für das Ganze da ist. Was ist unser Leben wert ohne Christus? Was soll unser Christ-Sein ohne Gemeinde? es ist vergeblich! Bedenken wir dabei auch, dass Paulus hier nicht von der weltweiten unsichtbaren Gemeinde spricht, sondern von einer örtlichen Formation in der alten griechischen Kulturstadt Korinth. Er kannte dort zumindest die Ältesten und Diakone mit Namen und wahrscheinlich noch ein ganze Reihe anderer Glaubensgeschwister.

Die Schwachheit ist das Maß

Es ist durchaus auch das Ziel des Geistes, in den örtlichen Gemeindeversammlungen den Leib Christi darzustellen. Da wo es wirklich am Schwierigsten ist. Denn dass es der Leib Christi ist, hat nichts mit Perfektion zu tun, wie uns die Verse 22 bis 26 zeigen. (22) Vielmehr sind gerade die scheinbar schwächeren Glieder des Leibes notwendig, (23) und die Glieder am Leib, die wir für weniger ehrbar halten, umgeben wir mit desto größerer Ehre, und unsere weniger anständigen erhalten um so größere Anständigkeit; (24) denn unsere anständigen brauchen es nicht. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem geringeren Glied um so größere Ehre gab, (25) damit es keinen Zwiespalt im Leib gebe, sondern die Glieder gleichermaßen füreinander sorgen. (26) Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.

Da ist nicht nur Freude und Sonnenschein, sondern auch Schwachheit. Da sind Dinge, die sich nicht herrlich darstellen, sondern beschämend. Aber gerade deshalb will der Geist, dass alle Glieder für den Leib da sind und nicht für sich selbst. Denn das Schwache muss gestärkt werden, das Beschämende überwunden und bekleidet werden, wie wir das ja auch an unserem eigenen Leib erleben. Hier herrscht eine allgemeine Verpflichtung der Glieder, füreinander zu sorgen und einander zu dienen, damit der Leib eben aus seiner Position der Schwachheit als Ganzes zur Stärke und Herrlichkeit gelangt. Dass das keine einfache Sache ist, weiß jeder sehr schnell, der sich einmal ein paar Jahre lange in einer Gemeinde aufgehalten hat. Ich sage bewusst nicht in unserer Gemeinde, sondern so ist es in allen Gemeinde, auch wenn manche Gemeinden vielleicht gerade eine bessere Zeit erleben als andere, aber im Prinzip ist es doch überall gleich und davonlaufen ist Flucht aus der Verantwortung.

Ich möchte gerne lernen, was das heißt, was in V. 24 steht: »… Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem geringeren Glied um so größere Ehre gab.« Ich muss gestehen, dass ich an diesem Vers noch zu kauen habe. Hat jemand eine Idee, wie das zu verstehen ist? Heißt das nicht, dass sich in der Gemeinde nicht alles um die Starken drehen darf, sondern um die Schwachen? Ihnen muss unsere Fürsorge gelten, Sie müssen bedacht werden. Da ist dann noch die Frage, wer ist schwach und wer ist stark? Paulus sagte einmal: »wenn ich schwach bin, bin ich stark.« Ihr seht schon, ich hab auch nicht auf alles eine Antwort.

Wie auch immer wir diesen Satz verstehen, es ist klar, dass Christus nicht zu den Starken, Reichen, Gebildeten und Mächtigen gekommen ist, sondern zu den einfachen und machtlosen Menschen, zu den Kranken, Schwachen und Hilfsbedürftigen. Auch seine Apostel hat er vorzugsweise aus diesen Reihen rekrutiert. Wenn aber wir der Leib Christi sind, wie sollten wir uns da anders orientieren? Geht es darum, Geltung und Einfluss zu gewinnen? Nein, es geht immer und immer wieder darum, zu dienen, zu helfen, zu gewinnen und mit den Leidenden zu leiden. Erst wenn wir geholfen haben, kommt die Freude im Himmel und auf Erden über die Menschen, die an Geist Seele und Leib geheilt worden sind.

»27 Ihr aber seid der Leib des Christus, und jeder ist ein Glied daran nach seinem Teil.« Als Glieder am Leibe Christi haben wir die Aufgabe zu funktionieren. Das tun wir nicht immer. Meine Frau hat gerade einen Gips an der rechten Hand. Das ist ärgerlich und hinderlich. Andere Glieder müssen einen Ausgleich schaffen für den Ausfall, manchesmal sind auch meine Hände dazu nötig. Wenn der Gips wieder unten ist und alles wieder funktioniert, dann wird Freude sein. Das ist das Bild um das es hier geht. Es geht um nichts mehr und um nichts weniger, als dass wir funktionieren als Glieder am Leib Christi. Jeder von uns ist ein Glied und wir werden wissen was unsere Aufgabe ist. Für gewöhnlich wissen gesunde Glieder das.

Wenn wir Babys sind, wissen wir unsere Glieder noch nicht recht zu gebrauchen, denn es braucht eine Zeitlang, bis sich das Gehirn die Funktionen einprägt und sie anwenden kann. Der Leib Christi ist nicht der Leib eines Babys. Christus, den wir vielleicht als das Gehirn betrachten könnten, weiß uns sehr wohl zu gebrauchen. Aber im Unterschied zu unseren Gliedern – hier hinkt das Gleichnis – sind wir selbständig und können uns gegen unsere Stellung wehren. Wir können unzufrieden sein und einen anderen Platz begehren, der uns nicht zusteht. Wenn wir das tun, dann behindern wir das Werk Gottes, dessen sollten wir uns bewusst sein.

Umgekehrt aber, wenn wir uns von ihm gebrauchen lassen, in der Weise, wie er uns gebrauchen will, dann haben wir Anteil am ganzen Werk des Leibes. Es ist dann nicht wesentlich, was oder wieviel durch uns geschieht, wir sind sowieso integriert in das ganze Werk des Heiligen Geistes und alles ist auch unser Werk. Wir sind eine Teil dieser Einheit des Leibes, mit dem alles geschieht, was Gott in dieser Zeit auf Erden tut. Ist das nicht eine wunderbare Perspektive? Fordert Gott irgendetwas von einem von uns, was wir zu leisten nicht imstande sind? Nein! Wir können uns dessen sicher sein, dass er uns weder unterfordert, noch überfordert. Wenn wir unser Leben so aus seiner Hand annehmen, wie er es uns gegeben hat, mit seinen Stärken, mit denen wir anderen dienen können und unseren Schwächen, in denen wir uns von anderen dienen lassen müssen, dann sollte unserem Glück eigentlich nichts mehr im Wege stehen.

Amen!