1. Der vernünftige Gottesdienst

Nachdem wir in meinen letzten Predigten über Römer 5-8 gesehen haben (siehe Predigtserie »Christus unser Charisma«), was die Grundlage unseres Glaubens ist, so wie der Apostel Paulus dies dargelegt hat, kommen wir nun zum praktischen Teil des Römerbriefes und ich möchte gleichzeitig eine neue Serie beginnen, zu dem Thema Charisma, oder wie es übersetzt heißt Gnadengaben. Denn die Praxis des Glaubens ist zweifellos, dass wir die Gaben, die uns Gott gegeben hat, ausleben. »Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes« (1. Petr. 4:10) Die neue Serie wird sich in den ersten zwei Predigten mit Römer 12:1-8 befassen und sich danach mit anderen einschlägigen Bibeltexten zum Thema Gnadengaben und Geisteswirkungen.

Römer 12:1-8

(1) Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. (2) Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnte, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. (3) Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat. (4) Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, (5) so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied, (6) und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Ist jemand prophetische Rede gegeben, so übe er sie dem Glauben gemäß. (7) Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er, Ist jemand Lehre gegeben, so lehre er. (8) Ist jemand Ermahnung gegeben, so ermahne er. Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er’s gerne.

Es gibt Gemeinden, in denen ist von den Gnadengaben, oder Geistesgaben – wie sie auch oft genannt werden, weil sie vom Heiligen Geist kommen – viel die Rede. Andere wiederum sprechen wenig davon. Nun, ich möchte hier gleich zugeben, dass ich meine, dieses Thema wird heute eher überbewertet, genauso, wie es wahrscheinlich lange Zeit in der Gemeinde vernachlässigt worden ist. Es ist ja immer so, dass wenn etwas in Vergessenheit gerät und man es dann neu entdeckt, es plötzlich die andere Gefahr gibt, nämlich es gleicht auch zur Hauptsache zu machen. Das wollen wir nicht, und meine Predigtserie wird das nicht unterstützen.

Dennoch müssen wir darüber reden und da es mein Bemühen ist, den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen, so muss ich mich auch diesem Thema stellen und tue das auch gerne. Noch einmal sei aber darauf hingewiesen, dass ich in der Serie über Römer 5-8 die Voraussetzung dafür geschaffen habe. Denn die Gefahr, einen falschen Schwerpunkt zu legen, ist einfach groß. Sollten diese zentralen Kapitel nicht so geläufig sein, bitte ich, zuerst in diese Serie zu lesen, ansonsten reicht eine kurze Wiederholung, die ich an den Beginn dieser Predigt stelle.

Die theologische Ladung des Schiffes Gemeinde muss an Bord richtig verteilt und verankert werden, denn wenn sie bei stürmischer See zu rutschen beginnt, dann bekommt das Schiff Schlagseite und kann kentern. Also sehen wir zuerst, wo dieses Thema eigentlich hingehört, woran es festgemacht werden muss, damit es sich nicht verselbständigt.

Wir sind den beiden Begriffen charis und Chasima schon in Römer Kap. 5:15-21 begegnet. Übersetzt wird charis mit Gnade und charisma mit Gabe. Der Heilige Geist aber kam in diesem Zusammenhang überhaupt nicht vor, sondern das Wort wurde dort einzig und alleine auf Christus bezogen. Die Bedeutung dort war eindeutig, es wird nur ausgesagt, dass Christus das Gnadengeschenk Gottes ist. Das war auch der Grund, warum ich gleich die ganze Serie »Christus unser Charisma« genannt habe. In Römer 6 ging es dann um die Überwindung der Sünde durch das Charisma, nämlich durch das Geschenk Gottes das Christus für uns darstellt. Das ist es was Gabe bedeutet, nämlich Geschenk aus einer Gunst heraus, nicht aus einem rechtmäßigem Anspruch, darum sprechen wir auch von Gnadengabe. Gnade ist die Einstellung, aus der heraus dieses Geschenk erfolgt. Gabe aber ist dann die tatsächliche Spende, die wir in Empfang nehmen dürfen und das ist in den zentralen Kapiteln 5-8 Christus. Gegenüber der Sünde, die wir in Adam als unseren natürlichen Vater geerbt haben, erben wir in Christus das ewige Leben und das ist unser Charisma.

Es ist sehr wichtig, dass wir das immer im Hinterkopf behalten. Wenn wir Christus haben, haben wir das ganze Charisma. »In ihm ist alles was ich brauch«, singen wir in einem Lied ganz richtig. Alles was ich nun darüber sagen werde, über einzelne Ausprägungen der Charisma in unserem Leben, ist diesem untergeordnet. Selbst wenn sich jemand von überhaupt keiner der erwähnten Einzelgaben angesprochen fühlt, die im Laufe dieser Predigtserie vorkommen wird, so hat er dennoch keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Gott ihn durch seinen Heiligen Geist gebrauchen wird. Denn die Geistesgaben, die in der Bibel erwähnt sind, ergeben keine vollständige Liste. Sie sind verteilt auf mehrere Bibeltexte an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Zielsetzungen in der Aussage. Eine vollständige Abhandlung dieses Themas finden wir nicht. Wir können daher mit Sicherheit davon ausgehen, dass es damals wie heute noch eine Menge Gaben des Geistes gibt, die nicht erwähnt worden sind. Dass es so ist, mag ein einfaches Beispiel deutlich machen. Nirgendwo im Neuen Testament werden wir in der Bibel die Gabe finden, Musik zu machen. Dennoch wissen wir, dass es Gottes Wille ist, Musik zu machen und Lieder zu singen und wir sind auch überzeugt, dass dies im Heiligen Geist geschehen muss und sich nicht nur im Rahmen eines natürlichen Talentes abspielen darf. So ist es auch mit der Kinderarbeit. Es wäre traurig, wenn wir annehmen müssten, dass diejenigen, die sich mit ganzer Hingabe um unsere Kinder bemühen, dies nicht unter dem Charisma, unter der Gnade Gottes, tun. Es ließen sich viele weitere Beispiele anführen.

Weil das nun so ist, wäre es auch nicht statthaft, einzelne Gaben aus dem Text, in dem sie erwähnt sind zu isolieren und sie nicht in diesem besonderen Zusammenhang zu betrachten und unter der besonderen Situation, in der sich die Gemeinde damals befand. Nur durch die Einbettung dieser Gaben in den Gesamtzusammenhang, können wir verhindern, dass diese sich irgendwie verselbständigen und eine dominante Stellung in der Gemeinde einnehmen, ganz gleich, um welche Gabe es sich dabei handelt.

Der vernünftige Gottesdienst

Dies war nun die Einleitung zu meiner Serie, nun aber möchte ich Euch in den Text (Rö. 12:1-8) hineinführen, damit wir sehen, wie Paulus hier seine Gedanken entwickelt. Schauen wir uns zunächst einmal an, wo unsere beiden Hauptbegriffe vorkommen. Hier sehen wir dass dies erst im zweiten Teil des Textes ist. Wir werden also von Paulus zu diesem Thema hingeführt und vorbereitet und wollen das auch geschehen lassen. Wir betrachten deshalb zuerst einmal die ersten Verse, wo Paulus von einem vernünftigen Gottesdienst spricht. Das ist das eigentliche Hauptthema des ganzen Textes. Die Anwendung der Gaben sind ja nur ein Teil dieses Gottesdienstes und es gibt eine wichtige, unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass es überhaupt gelingen kann, Gott zu dienen. Davon handeln die ersten beiden Verse: (1) Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. (2) Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnte, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Die spannende Frage ist nämlich die grundsätzliche: wie dienen wir Gott überhaupt in dieser Welt? Dienen wir ihm nur geistlich, mit geistlichen Gaben, oder ist in unserem Dienst auch unser Leib einbezogen und unsere ganze irdische Existenz? Diese Frage war vom Anfang an umstritten. Nicht unter den Aposteln, aber schon unter den ersten Menschen, die durch sie gläubig geworden waren. Innerhalb der ersten Jahrzehnte nämlich bildete sich schon die Irrlehre der Gnosis, die genau an diesem Punkt ansetzte, zu behaupten, dass jeder Gottesdienst ja nur geistlich wäre. Die Seele und der Geist ist für Gott, aber der Leib ist für die Sünde. Aus dem Bekenntnis: »wir sind ja nur arme Sünder« wurde die Rechtfertigung: »wir können ja gar nicht anders als sündigen, denn unser Leib ist des Todes«. Daraus ergibt sich sofort auch ein falsches Verständnis der Gnade, nämlich indem diese weitgehend auf die Sündenvergebung und nicht auch auf die Sündenüberwindung bezogen wird. Wir haben aber gesehen, wie Paulus in den Kapiteln 5-9 die Betonung auf die Überwindung der Sünde legt, indem er aufzeichnet, wie wir durch ein geistliches Leben zur Freiheit der Kinder Gottes gelangen können und nicht mehr Sklaven der Sünde sein müssen.

Daher kommt Paulus jetzt auch gleich mit der ersten Forderung, die den Leib und damit den ganzen Menschen meint. Denn sündigen tun wir zweifellos mit dem Leib. Also muss auch die Heiligung am Leib geschehen, indem wir diesen mit allen seinen Gliedern Gott zum Dienst stellen. Lebendig, heilig und Gott wohlgefällig, sei unser ganzes Leben. Dies ist der vernünftige Gottesdienst!

Wie aber komme ich nun ganz praktisch zu diesem Gottesdienst? Paulus hat hier eine sehr pragmatische Sicht, die schon fast ungeistlich anmutet. Er behauptet nämlich, dass wir durch die Vernunft zu der Einsicht gelangen, was Gottes Wille ist. Wir könnten meinen, er müsse doch sagen, dass der Geist Gottes über uns kommen wird und uns ein neues Herz geben wird und wir dann sowieso nicht mehr anders können, als in einem sündlosen Dasein, nur mehr Gott zu dienen. Irgendwann einmal, streift uns DIE Erkenntnis und dann, ab diesem Zeitpunkt fällt uns nichts mehr schwer. Aber nein, das sagt Paulus nicht. Statt dessen fordert er uns auf, nachzudenken und dann die einzelnen Dinge, die wir mit unseres Leibes Glieder falsch gemacht haben, künftig richtig zu machen.

Die Gnostiker hingegen warteten auf ein Lichterlebnis, das sie in dieser Weise verändern sollte. Wenn es nicht in diesem Leben kam, dann in einem späteren. Erkenntnis war keine Sache von »was mache ich falsch und was mache ich richtig«, sondern Erkenntnis war etwas mystisches und weitestgehend von einer Begegnung mit himmlischen Lichtgestalten abhängig, ähnlich wie das heute manche Esoteriker sehen. Auch im weiteren Verlauf des Christentums haben viele versucht, sich der Wahrheit auf eine mystische Weise zu nähern. Aber Paulus ist, trotz seiner gewaltigen Erscheinung des Herrn, die er in Antiochien gehabt hat, nie ein Mystiker geworden. Er war ein Pragmatiker und wusste, dass er sich täglich dafür entscheiden musste, den Weg Gottes zu gehen, oder den eigenen. Im Prinzip ist aber auch eine übertriebene Erwartung einer zweiten Erfahrung, zusätzlich zur Bekehrung, immer in Gefahr, in einen Mystizismus auszuarten, ganz gleich wie das dann genannt wird, Geistestaufe oder Erfüllung mit dem Heiligen Geist. Diese beiden biblischen Begriffe dürfen nicht in diesem Sinne interpretiert werden. Es wird keine unwiderstehliche Macht über uns kommen und uns zu Gottes programmierten Robotern machen, die nur mehr das tun können, was Gott will. Das braucht Gott nicht, dazu hat er die Engel im Himmel. Wir sind hingegen aufgefordert, an uns zu arbeiten und unseren Verstand zu gebrauchen. Verstand ist mehr als Erkenntnis. Der Verstand verarbeitet Erkenntnis und liefert uns für den Alltag konkrete Entscheidungsgrundlagen. Die Entscheidung für das Gute, nennen wir dann Vernunft. Und mit Hilfe dieser Vernunft soll sich unser Leib in dieser materiellen Welt in die uns Gott gestellt hat, in Szene setzen. Unvernunft wäre hingegen der Nichtgebrauch unseres Verstandes, was meist zu keinen guten Entscheidungen führt.

Der Leib ist daher, ob wir wollen oder nicht, der Schlüssel auch für unser geistliche Leben. Denn wo wir auch hingehen, wir gehen mit den Füßen unseres Leibes. Was wir auch tun, wir tun es mit den Händen unseres Leibes, was wir auch sehen, wir sehen es mit den Augen in unserem Kopf und die Bilder und die Töne der irdischen Welt prägen unsere Innenwelt und nicht umgekehrt.


Das mangelnde Gottesbewusstsein des natürlichen MenschenIch möchte an dieser Stelle auch noch einmal auf meine Grafik zurückkommen, die ich in Römer 8 zur Verdeutlichung des Leben im Geistes aufgezeichnet habe. Paulus begann ja damit, dass er aufzeigte, wie wir durch die Erbsünde von Natur aus geistlich tot sind. Das starke Weltbewusstsein ist es, das auch unser Selbstbewusstsein formt, durch die fünf irdischen Sinne die wir haben: sehen, hören, riechen, tasten und schmecken. Das Leben des natürlichen Menschen ist ein durch und durch sinnliches Leben. Ein sechster Sinn, von dem oft gesprochen wird, gibt es in Wirklichkeit nicht. Er ist vielleicht die Sehnsucht danach, doch mehr zu sein als nur Fleisch, aber das war es dann auch. Wir haben keinen Zugang zu einer anderen geistlichen Welt, unser Gottesbewusstsein beschränkt sich auf ein gewisses moralisches Empfinden, das wir Gewissen nennen, das aber zu schwach ist, um unser Leben aus der Sinnlosigkeit einer rein irdischen Existenz zu leiten. Vielleicht könnten wir das Gewissen als sechsten Sinn bezeichnen, wenn es denn richtig funktionieren würde, aber es hat sich als zu schwach erwiesen, um uns zu retten.





Der wiedergeborene geistliche Mensch lässt sich von Gottes Geist leitenDann haben wir aber gesehen, wie sich durch Christus alles veränderte. Der Heilige Geist, der in unsere Herzen kam, als wir uns Christus zuwendeten, erweckte unseren Geist zu neuem Leben und unsere Seele kann sich Gott in einer Weise zuwenden, wie das zuvor nicht möglich war. Es entsteht ein Gottesbewusstsein, das nun unsere Seele mitprägt oder eigentlich ein Teil unserer Seele werden will. Und nun, da Paulus in Römer Kap. 8 das alles so schön dargelegt hat, kommt er hier in Kap 12 auf die praktische Auswirkung zu sprechen. (Dazwischen liegen zwei Kapitel, in denen Paulus Stellung bezieht zum Schicksal seines eigenen Volkes, der Juden, darauf bin ich nicht eingegangen, denn das ist ein eigenes Thema) Die praktischen Auswirkungen aber unseres neuen geistlichen Lebens sind – siehe da – nicht rein geistlicher Natur, sondern irdischer. Unser Leib ist es, mit dem wir immer noch in einer irdisch physikalischen Welt leben und uns behaupten müssen – ehedem als natürliche Menschen, nun als geistliche Christen.

Wie aber sollen wir das schaffen, wenn wir nicht umdenken lernen? Stück um Stück und Schritt für Schritt, erarbeiten wir uns den Willen Gottes und lassen uns von ihm leiten. Wir prüfen, was richtig ist und tun es dann – gehen, handeln, sprechen in dieser Welt nach Gottes Sinn. Was aber passiert, wenn wir das tun?

Es passiert genau das, was Christus von seinen Jüngern gesagt hat: dann sind wir »das Licht der Welt, das Salz der Erde, die Stadt auf dem Berge.« Wenn wir das nicht sein sollen, welchen Sinn macht es dann noch, dass wir überhaupt noch in dieser Welt sind? Liegt die Erfüllung unseres Lebens denn weiterhin in den irdischen Vergnügungen, wie Essen, Trinken, Sexualität und irgendwelchen Abenteuern? Ganz sicher nicht. Nicht einmal Familie wäre ein ausreichender Grund für ein weiteres Dasein auf dieser Welt. Denn was reproduzieren wir als Familie für Nachkommen? Kinder, die so verloren sind, wie wir es waren, wenn sie sich nicht auch zu Gott bekehren. Was für einen Grund gäbe es dann aber noch, dass Gott uns auf dieser Erde belässt, als den einen, dass wir sein Licht in dieses Welt sein sollen? Eben damit sich auch unsere Kinder zu Gott wenden können.

Wir tun das nicht um unseretwillen, sondern damit auch noch andere Menschen Christus erkennen und geistlich erweckt werden, denn das alleine ist der Menschen Rettung. Wie auch wir nur durch die Gemeinde Christus erkannten, so sollen nun auch andere ihn durch uns erkennen. Die Gemeinde Christi zu bilden, am Beginn des 21. Jahrhunderts, das ist unser Auftrag. Das ist unser einziger Daseinszweck sonst könnte Gott uns schon von dieser Erde holen und in das neue Jerusalem führen, wo wir Freuden in einer ganz andern Dimension erleben werden, die mit denen hier auf Erden nicht zu vergleichen sind.

Über diese Darstellung des Lichtes der Welt, ist nun in den nächsten Kapiteln im Einzelnen ganz praktisch die Rede, Paulus reduziert das im zweiten Vers noch auf die Formel: »das Gute, das Wohlgefällige und das Vollkommene«. Zu erkennen, was das ist, liegt uns viel näher, als wir oft meinen und wir könnten viele Stunden damit verbringen, uns dies Gegenseitig zu sagen, aber es kommt darauf an, es zu praktizieren. Wirklich, sichtbar und angreifbar, eben physisch.

Dazu gehört auch die Ausübung der Gaben, die Gott gegeben hat. Doch bevor Paulus das erklärt, will er noch eine wichtige Sache geklärt haben. Der Gottesdienst ist nämlich nicht eine Sache vieler Individualisten, sondern er ist Sache der Gemeinde, also einer Gemeinschaft mit–ein–ander verbundener Gemeindeglieder.
(4) Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, (5) so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied,

Auch hier gilt also, dass wir nicht in selbstgefälliger Abgeschiedenheit eine mystische Existenz fernab, allein für Gott führen. Nein, unser Leib, so wie er viele Glieder hat, die mit dem Willen Gottes in Übereinstimmung gebracht werden müssen, ist selbst auch ein Glied an einem anderen, viel größeren Leib, dessen Einheit nicht in Frage gestellt werden darf, wenn es gelingen soll. Es ist der Leib Christi, den Paulus hier meint. Wenn aber jeder Einzelne von uns ein Glied an diesem Leib Christi ist, dann hat auch jeder eine ganz bestimmte Funktion. Das Wesen von Gliedern ist es, eine bestimmte Funktion auszuüben und nicht den ganzen Leib zu repräsentieren. Das ist eine ganz wichtige Feststellung, die wir da machen. Niemand von uns repräsentiert den Leib, sondern höchstens einen Teil davon. Ich will hier nicht weiter darauf eingehen, weil wir im Korintherbrief noch einmal ausführlich darauf zu sprechen kommen. Aber eines müssen wir hier noch sagen, was einen Vers vorher steht: nämlich dass wir es nicht in der Hand haben, welches Glied wir am Leibe Christi darstellen oder welches nicht.
(3) Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.

Viel hängt davon ab, dass jeder erkennt, wo seine Stelle am Leib Christi ist und dass er dort funktioniert. Dies ist eine der wichtigsten Aufgaben die wir haben, festzustellen wo unser Platz ist im Reich Gottes und dort treu zu sein. Das Problem ist dabei immer die Selbsteinschätzung. Paulus spricht davon, dass man von sich mehr halten kann, als gebührlich ist. Was das heißt, brauch ich sicher keinem zu erklären. Wir kennen das Problem alle und haben immer mehr damit zu kämpfen, je mehr in der Welt propagiert wird, dass alles nur darauf ankommt, wie man sich selbst verwirklicht. Auch hier ist ein Umdenken dringend erforderlich, wenn wir zu Christus gekommen sind. Es geht nämlich überhaupt nicht um Selbstverwirklichung. Wenn die Eingliederung in seinen Leib möglich sein soll, dann muss sich ein Gotteskind ganz von dem Gedanken verabschieden, wie es sich gerne in der Gemeinde dargestellt wissen möchte.

Es ist keine Frage, dass es Dienste in der Gemeinde gibt, die stehen mehr im Mittelpunkt und sind angesehener als andere. Aber es kommt nicht darauf an, wo oder wie wir uns gerne sehen würden, oder möchten, dass wir gesehen werden, sondern darauf, wo Gott uns haben will. In der Zeit des Apostel Paulus waren die standesmäßigen Unterschiede mit ziemlicher Sicherheit viel krasser als heute. Das was damals unserem modernen, künstlich entfachten Selbstdarstellungstrieb entsprochen hat, war wahrscheinlich das Standesdenken der damaligen Zeit. Ansonsten waren die Menschen eher einfacher glücklich zu machen, niemand brauchte den ganzen psychologischen Kram, von dem heute die Rede ist. Doch wenn jemand gewohnt war, dass er von seiner gesellschaftlichen Stellung her etwas galt, dann hatte er in der Gemeinde umzudenken, denn hier hatte er nicht automatisch die gleiche Geltung.

Wir haben ein einfaches Beispiel in der Apostelgeschichte (8:9-23). Als Petrus und Johannes in Samarien ankommen um dort die erste Gemeinde zu bilden, da kommt ein Mann zu ihnen mit Namen Simon. Der war, bevor er gläubig wurde, Zauberer. Wie es heißt, hatte er mit seinen Künsten die Menschen in seinen Bann gezogen. Er war durch Philippus gläubig geworden und ich denke wir dürfen davon ausgehen, dass er damit aufgehört hatte Zauberei zu betreiben, wie immer seine Kunststücke auch ausgesehen haben mögen – es wird uns davon nichts berichtet. Nun waren aber die Apostel gekommen und Simon sah, wie sich durch die Handauflegung der Apostel bei den Menschen der Heilige Geist einstellte, was sich damals durch die Gabe der Zungenrede äußerte, ähnlich wie zu Pfingsten in Jerusalem, denn es war das erste mal, dass es außerhalb Judäa zu einer Gemeindegründung gekommen war. Es ist sehr leicht nachvollziehbar, wie Simon empfunden haben mag. War er es nicht jahrelang gewöhnt, im Mittelpunkt zu stehen und von den Leuten bewundert zu werden. Nun waren es die Apostel die diese Stellung hatten und die, obwohl sie es sicher nicht darauf angelegt hatten, die Leute in ihren Bann zu ziehen, die ganze Aufmerksamkeit des Volkes gewonnen hatten. So kam er auf die Idee, dass diese »christliche Variante der Zauberei«, wie er es vielleicht einschätzte, eine feine Sache wäre, wieder zu seiner früheren Stellung zu gelangen. Er bot den Aposteln Geld dafür an, dass sie ihm diese Fähigkeit vermitteln sollten. Petrus aber reagierte sehr hart darauf und droht ihm sogar die Verdammung an, wenn er nicht Buße tut.

Es kommt eben nicht darauf an, dass wir die Stellung in der Gemeinde haben, die wir selber meinen haben zu sollen. Wenn wir das anstreben, begeben wir uns auf einen gefährlichen Pfad, ganz gleich, welche Gabe wir tatsächlich haben. Letztendlich sind es nicht wir, die entscheiden was wir tun sollen, sondern es ist der Leib selbst. Nicht die Glieder dirigieren den Leib, sondern der Leib die Glieder. So geht die Entscheidung vom Kopf aus und das Haupt der Gemeinde ist Christus. Aber es muss auch die allgemeine Erkenntnis der Gemeinde selbst sein, ob jemand eine Gabe hat und wie er sie einsetzen soll, denn die Glieder arbeiten ja einander zu. Diese koordinierte Übereinstimmung der Glieder macht erst den Erfolg des Leibes aus. Jeder der schon mal einen Spastiker gesehn hat, bei dem dieses Verhältnis gestört ist, weiß was ich meine. Wenn die Glieder Eigeninitiative entwickeln, wird es schwierig. Freilich sieht es auch bei einem gesunden Menschen oft so aus, als agierten die Glieder selbständig, weil sich ihre Fertigkeiten so weit entwickelt haben, dass vieles in unbewusster Routine geschieht. Aber wir wissen, dass dennoch jede einzelne Muskelanspannung vom Gehirn aus gesteuert wird.

Jemand der nach einer bestimmten Gabe oder nach einem Amt giert, muss notwendigerweise Unruhe in der Gemeinde verursachen. Die Findung der Glieder und der Gaben, sollte eigentlich eine Sache sein, die keine große Probleme verursacht. Eigentlich muss der Hand nicht mitgeteilt werden, dass sie eine Hand ist und das Auge braucht keinerlei Einschulung dafür, wie es sich anstellen muss, damit es sieht. Vielleicht müssen die Füße gehen lernen, aber das ist maximal einer Frage der frühesten Kindheit, dann läuft das automatisch. Also gehen wir davon aus, dass das mit den Gaben keine so große Sache ist, wie es vielleicht scheint.

Und dennoch gehört es dazu, dass wir über die Funktion des Leibes und seiner Glieder bescheid wissen. Wir werden ja auch sehen, dass es durchaus nicht funktionierende Glieder gibt, Krankheiten, die geheilt werden müssen. Aber davon wollen wir das nächste mal mehr erfahren, wenn wir uns die Verse 5-8 dieses Kapitels ansehen.

Amen!