(2:20) Aber ich habe ein weniges gegen dich, dass du es zulässt, dass die Frau Isebel, die sich eine Prophetin nennt, meine Knechte lehrt und verführt, Unzucht zu treiben und Götzenopfer zu essen

Dies ist ein schwieriger Vers, denn er nimmt einerseits die Gemeinde in die Pflicht, indem er sagt »ich habe ein weniges gegen dich, dass du zulässt...«, er spricht also durchaus hier die Gesamtverantwortung der Gemeinde an.

Niemand denke, Gemeinde sei ein Ort, in dem jeder tun und lassen könne was er wolle. Gemeindemitgliedschaft ist Verpflichtung gegen die Gemeinschaft und konkret die Gemeinschaft am Ort, deren Strukturen durch das Neue Testament geregelt sind. Über die Grenzen einer Ortsgemeinde hinaus mögen Apostel, Evangelisten und Propheten wirksam sein, aber in der Ortsgemeinde selbst sind Älteste die Verantwortlichen und Hirten, und es liegt bei ihnen, wie sie eine Sache beurteilen. Unterstützt werden sie von den Diakonen und insgesamt sollte Wachsamkeit vorherrschen, welchen Einflüssen man sich öffnet. Die Epheser waren gerade in diesen Dingen vorbildhaft.

Andererseits aber ist der Missstand, dass die Thyatirer hier weniger wachsam sind und eine falsche Prophetin gewähren lassen Jesus geradezu »ein weniges« und es hat für die Gesamtgemeinde ebenfalls weniger Konsequenzen als das Fallen aus der ersten Liebe für die Epheser hat.

Trotzdem ist eine falsche Prophetin keine Kleinigkeit in dem Sinne, dass man es vernachlässigen könnte. Denn Verführung zur Unzucht und zum Götzenopfer, also die Aufweichung der Moral und des ethischen Verhaltenskodex der Gemeinde (siehe Bergpredigt), wäre verhängnisvoll. Isebel ist ja das bei weitem negativste Frauenbild das wir in der Bibel finden. Sie beherrschte ihren Mann den König Ahab von Israel, und damit das Nordreich. Um ihre Macht zu festigen hatte sie den Baalskult ihrer sidonischen Heimat in Samaria etabliert, nicht zuletzt um die Israeliten davon abzuhalten, sich dem Tempel in Jerusalem zuzuwenden. Die Baalspriester waren fest in ihrer Hand und die Propheten Jahwes waren ihre Erzfeinde. Also der Vergleich zeigt uns, hier ist nichts was man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Warum aber nichts gegen sie unternommen wurde und man sie gewähren ließ, mögen die nächsten Verse zeigen.

Im Alten Testament unterlagen die Propheten der Prophetenstrenge, die vom mosaischen Gesetz gefordert wurde. Ein Prophet dessen Vorhersagen nicht eintrafen, also von der Entwicklung widerlegt wurden, oder der das Volk zur Sünde verführten, musste gesteinigt werden, selbst dann, wenn seine Vorhersagen eintrafen und mit Zeichen und Wunder begleitet wären. Sicher ist das kein neutestamentlicher Weg mehr, jemanden zu steinigen, nicht im Zeitalter der Gnade. Dennoch dürfen wir das Alte Testament nicht so weit außer Acht lassen, als ginge uns das gar nichts mehr an. Jesus selber stellt den Bezug her und verlangt die Zurückdrängung des Einflusses falscher Propheten mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Das sollte wohl bedacht und konsequent gehandhabt werden.