Liebe für Dummies (Jesus über den barmherzigen Samariter)

Manche werden sich gefragt haben, wie ich zu diesem Titel komme. Wer sich für Computerprogramme interessiert, wird es bereits wissen, den anderen sei es kurz erklärt: ein Verlag hat eine Serie von Lehrbüchern herausgegeben, mit dem Namen ... für Dummies. Also z. Bsp.: Internet für Dummies, oder eines, das ich mir auch gekauft habe: Datenbanken für Dummies. Diese Bücher waren sehr erfolgreich, da sie dem Kunden signalisierten, dass er keinerlei Vorwissen braucht, um ein Programm mit Hilfe dieses Buches zu erlernen. Die Schwellenangst vieler Leute, sich mit Computer überhaupt zu beschäftigen, wurde so psychologisch abgebaut.
AUDIO verfügbar

Sicherlich ist die Welt der Personalcomputer, des Internets und der Datenverarbeitung sehr komplex, und wenn man nicht schon früh die Entwicklungen mitverfolgt und sich auf dem Laufenden gehalten hat, dann ist es schon verständlich, dass jemand Angst hat davor, dieses Thema anzugehen. Wo soll man anfangen, wie einsteigen? Da sind solche Bücher allemal hilfreicher, als der Austausch mit einem Profi, der einen gleich mit Fachbegriffen überhäuft die man alle nicht versteht. Es braucht allerdings auch ein gewisses Maß an Demut, sich einzugestehen, dass man in diesem Bereich eben ein Dummie ist, und praktisch bei 0 anzufangen hat. Nur wenn man diese Demut besitzt, wird man auch den Einstieg schaffen und vielleicht sogar mal ein richtiger Profi werden.

Was hat das nun mit Liebe zu tun? Wenn wir das Thema Liebe betrachten und all das, was über Liebe geschrieben, gesagt, gesungen, gefilmt und gezeichnet wird, dann merkt man bald, dass dieses Thema mindestens ebenso komplex und geheimnisvoll ist, wie die Welt der Bits und Bytes der Computer. Und wenn man sich so mit Menschen darüber unterhält, dann hat man ebenso den Eindruck, dass die meisten wohl nicht wirklich Profis sind auf diesem Gebiet und einen nur mit Scheinwissen beeindrucken wollen.

Als ich mit 16 Jahren eine Lehrstelle in einem handwerklichem Beruf antrat, da hat mein Vater mir einen Rat gegeben. Er sagte: mach was man Dir sagt und stelle viele Fragen. Weil, wenn Du nicht groß aufschneidest und Dich ein wenig dumm stellst, dann werden Dir die Meister und Gesellen gute Lehrer werden und dir alles beibringen was Du wissen musst. Wenn Du aber den Gescheiten spielst, dann werden sie dich dumm sterben lassen. Das war ein guter Rat! Es ist tatsächlich gut – will man etwas wissen – sich zuerst einmal ganz dumm zu stellen. Nur so findet man willige Lehrer und kann viel erfahren.

Dumm gefragt:

Wenn wir also jetzt einmal ganz dumm fragen: was ist denn eigentlich Liebe? Fragen wir zunächst irgendwelche Leute, einfach Menschen auf der Straße oder in unserem Bekanntenkreis; dann werden wir jede Menge Antworten bekommen. Jeder weiß was zu dem Thema und es gibt eine Unmenge von Sprüchen, meist irgendwie scherzhaft, aber irgendwie doch ernst gemeint.


Der plausibelste Spruch scheint noch der zu sein:
»Liebe ist: miteinander alt werden zu wollen.«
Schön, das wollen wir alle. Auch wenn die hohe Scheidungsrate daran zweifeln lässt, dass das so leicht gelingen könnte, so ist es doch das was jeder will, wenn er den Bund der Ehe eingeht. Es wird nicht viele geben, die sich verheiraten, in dem Bewußtsein, sich eh in ein paar Jahren wieder scheiden zu lassen. Nein, das stellen wir uns unter Liebe nicht vor. Das Ideal der Liebe ist immer noch, miteinander alt werden zu wollen. Doch wenn es dann nicht klappt, war es dann keine Liebe, sondern nur eine Täuschung? So kann uns dieser Spruch also nicht wirklich befriedigen. Wenn alle das gleiche wollen, aber nur ein Teil es erreicht, dann muss noch mehr dahinter stecken. Dann kann dieser fromme Wunsch, miteinander alt werden zu wollen, doch höchstens nur ein Teilaspekt der Liebe sein.

Aber immerhin ist diese Aussage noch eine der klügeren. Es gibt eine ganze Reihe anderer »Liebe ist – Sprüche«, die wesentlich dümmer erscheinen, wenn man nur ein wenig über sie nachdenkt. Ich habe einmal im Internet nachgeschaut, was für Sprüche es noch so gibt und drei der meiner Meinung nach dümmsten Sprüche herausgesucht, die ich gefunden habe:

Die dümmsten Sprüche über Liebe

»Liebe ist: Sie die neuen Tapeten aussuchen zu lassen.«
Ganz abgesehen davon, dass in solchen Fragen sowieso meistens die Frauen den Ton angeben, möchte ich mir lieber nicht vorstellen, was passiert, wenn sie nach Hause kommt und sagt:
„Schatz, sieh mal diese wunderschönen Blümchentapeten die ich für Dein Büro ausgesucht habe!“ Wenn eine Frau ihren Mann liebt, dann wird sie doch wohl eher mit ihm zusammen Tapeten kaufen gehen, damit sie sich schließlich beide wohl fühlen in ihrer gemeinsamen Wohnung.

Ein anderer Spruch: »Liebe ist: wenn Ihm nichts wichtiger ist, als ein Kuss zwischendurch.«
Man stelle sich vor: Montag morgen, Er sagt zu Ihr: Liebling, ich gehe heute nicht zur Arbeit, zu Hause kann ich dich besser zwischendurch küssen und das ist mir das Wichtigste. Das kann ja wohl auch nicht wirklich funktionieren. So sehr ein Kuss das Leben versüßt, gibt es doch noch wichtigeres im Leben.

Oder: »Liebe ist: Ihr morgens zu sagen, wie blendend sie aussieht.«
Ein Paar in den 40ern, der Wecker schrillt, beide erheben sich schlaftrunken aus dem Bett und er sagt zu ihr: »Na du siehst ja heute wieder blendend aus.« Da kann man nur hoffen, dass ihm dies ohne sarkastischen Unterton gelingt, was vielen Menschen um diese Uhrzeit nicht immer leicht fällt.

Es ist schon eigenartig, dass das Thema Liebe – durch die Zeiten der Menschheitsgeschichte immer ein Dauerbrenner – so sehr im Mittelpunkt des Interesses steht, und man dennoch so wenig Gescheites zu diesem Thema zu hören bekommt. Ich glaube wir brauchen wirklich ein Buch. Ein Buch für Dummies. Eines, das uns in das ABC der Liebe einweiht. Oder einen Lehrer, einen echten Profi, der in Sachen Liebe mit allen Wassern gewaschen ist.

Freut euch – es gibt beides! Einen Lehrer und ein Buch dazu. Ihr wisst natürlich was ich meine: der Lehrer ist Jesus und das Buch ist die Bibel, das Buch der Bücher! Sie gibt uns freilich nicht nur zum Thema Liebe Auskunft, aber auch dazu und zwar nicht zu knapp. Aus der Fülle der Texte, die uns dieses Thema nahebringen, habe ich einen herausgesucht, der uns das Thema von einer besonders fundamentalen Seite erläutert. Wirklich für Dummies, sozusagen das ABC der Liebe.

Ich möchte noch bemerken, dass es in meiner Predigt heute nicht um erotische Zweierbeziehungen geht. Nicht, weil die Bibel nichts dazu zu sagen hätte. Auch darüber finden wir einiges. Wen das interessiert: ich habe über das Hohelied der Liebe von Salomon ein Buch geschrieben, das ihr am Büchertisch kaufen könnt (Bestellung unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! / Es ist allerdings eher für fortgeschrittene Bibelleser gedacht, als für Anfänger). Erotik ist nur ein Teilaspekt der Liebe, um den geht es heute überhaupt nicht, denn die Geschichte die wir hier beleuchten ist das bekannte Gleichnis vom barmherzigen Samariter und in dem geht es auch um Liebe, aber um Nächstenliebe, und nicht um eine Zweierbeziehung.

Wir wollen jetzt den Text einmal lesen: Lukas 10. 25-37 (letzte Seite)
25 Und siehe, ein Gesetzesgelehrter trat auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu erben? 26 Und er sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Wie liest du? 27 Er aber antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst!« 28 Er sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tue dies, so wirst du leben! 29 Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?

30 Da erwiderte Jesus und sprach: Es ging ein Mensch von Jerusalem nach Jericho hinab und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und liefen davon und ließen ihn halbtot liegen, so wie er war. 31 Es traf sich aber, daß ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er auf der anderen Seite vorüber. 32 Ebenso kam auch ein Levit, der in der Gegend war, sah ihn und ging auf der anderen Seite vorüber. 33 Ein Samariter aber kam auf seiner Reise in seine Nähe, und als er ihn sah, hatte er Erbarmen; 34 und er ging zu ihm hin, verband ihm die Wunden und goß Öl und Wein darauf, hob ihn auf sein eigenes Tier, führte ihn in eine Herberge und pflegte ihn.
35 Und am anderen Tag, als er fortzog, gab er dem Wirt zwei Denare und sprach zu ihm: Verpflege ihn! Und was du mehr aufwendest, will ich dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.

36 Welcher von diesen Dreien ist deiner Meinung nach nun der Nächste dessen gewesen, der unter die Räuber gefallen ist? 37 Er sprach: Der, welcher die Barmherzigkeit an ihm geübt hat! Da sprach Jesus zu ihm: So geh du hin und handle ebenso!

Die Wichtigste Frage:

Wir haben uns am Beginn mit der Frage beschäftigt: Was ist Liebe? Nun sehen wir aber, dass ein Schriftgelehrter, oder Gesetzeslehrer, zu Jesus kam und ihm eine ganz andere Frage stellte, nämlich die nach dem ewigen Leben. Die Juden glaubten ja schon vor den Christen, dass es ein Weiterleben nach dem Tod gibt und dass die Qualität dieses ewigen Lebens ganz wesentlich davon abhängt, wie unser Leben hier, auf dieser Erde verlaufen ist. So war die Frage nach dem Wesen der Liebe eigentlich nicht die wichtigste Frage für diesen Mann, wichtig war es, zu wissen was man getan haben muss, um diese höchste Qualität des Lebens, den Aufenthalt in der Gegenwart Gottes, im Himmel zu erreichen und nicht in der Hölle zu landen.

Der Schriftgelehrte hatte diese Frage nicht deshalb gestellt, weil er nicht Bescheid wusste, sondern weil er Jesus auf die Probe stellen wollte. Er war Jesus nicht wohlgesonnen und hoffte auf einen Versprecher Jesu, oder dass dieser irgendetwas falsches sagen würde, was er und seine Genossen dann gegen ihn verwenden könnten. Das geschah nicht das erste mal und es war für Jesus ein leicht durchschaubares Spiel. Er antwortete, wie das oft der Fall war, mit einer Gegenfrage: Was sagt dir die Schrift dazu? Und der Gesetzeslehrer, der eben kein Dummie war, antwortet sehr korrekt. »Du sollst den Herrn deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Verstand und deinen Nächsten wie dich selbst.«

Die Antwort

Die Antwort ist bemerkenswert, weil sie eigentlich so in einem Zug nicht im Gesetzestext steht. Der erste Teil von der Liebe zu Gott, steht in 5. Mose 6, der zweite Teil, der von der Nächstenliebe, aber in 3. Mose 19.18. Aber die Kombination dieser beiden Aussagen ist die exakte Zusammenfassung alles dessen, was das Gesetz aussagt. Das hat auch Jesus schon an anderer Stelle gesagt und es scheint irgendwie zum theologischen Allgemeinwissen der damaligen Zeit gehört zu haben. Also nicht die 10 Gebote waren das Wesentliche, wie wir denken würden. Diese sind ja nur ein kleiner Ausschnitt aus einer ganzen Fülle von Vorschriften und Geboten, die alle in den fünf Büchern Moses zu finden sind. Wenngleich die 10 Gebote auch ein sehr wichtiger Teil sind, weil sie allgemeingültige moralische Normen auflisten, so vermögen sie doch nicht wirklich zu erklären, worauf es ankommt. Und auf was kommt es an?
ES KOMMT AUF DIE LIEBE AN! Du sollst lieben: Gott und den Nächsten! Also ist diese wichtigste Frage des Lebens, nämlich der was nach dem Tod kommt, direkt verknüpft mit der Frage der Liebe. Ja die Tatsache, ob und in welcher Weise wir geliebt haben, ist unmittelbar bedeutend dafür, ob es für uns einen Himmel gibt oder nicht. Die Liebe ist der Himmel auf Erden, hat man auch schon gesagt. Sie ist viel mehr, sie ist der Himmel schlechthin, auch in der Ewigkeit.

Doch wir wissen nun immer noch nicht, was Liebe ist. Wir wissen aus dem was der Schriftgelehrte gesagt hat und was Jesus bestätigte, nur, auf wen sich diese Liebe beziehen soll. Liebe hat ja immer etwas mit Beziehungen zu tun, und so ist es auch immer die Frage, worauf oder auf wen sich die Liebe bezieht.

Liebe zu Gott

Zuerst einmal soll sie sich auf Gott beziehen. Und zwar in einem nicht geringen Maße. Es geht hier nicht um ein wenig Liebe, sondern um Liebe im höchsten Maße, die Gott von uns Menschen fordert: von ganzem Herzen, mit meinem ganzen Leben, mit aller Kraft und voller Hingabe. Das ist die Forderung und wir müssen eigentlich dabei zutiefst erschrecken, denn wer kann dem gerecht werden? Der Herr Jesus sagte doch zu dem Schriftgelehrte: tu das, so wirst du leben! Geht das überhaupt so einfach? Nun die Schriftgelehrten damals dachten eher, dass das keine Probleme bereiten sollte. Denn für sie bedeutete Gott zu lieben, das zu tun, was Gott in dem Gesetz verlangte, das sie durch Moses empfangen hatten. Mit ein bisschen Mühe, so waren sie überzeugt, waren diese religiösen Vorschriften einzuhalten. So waren sie auch hauptsächlich damit beschäftigt, exakt zu interpretieren, wie das in der Praxis auszusehen hat und peinlichst genau darauf zu achten, dass jeder sich daran hielt. So sahen sie in diesem ersten Teil der Forderung kein Problem. Ob es wirklich Liebe zu Gott war, was sie da taten, wollen wir erst mal dahingestellt sein lassen, zumindest waren sie davon überzeugt, dass sie dies aus Liebe zu Gott taten.

Liebe zum Nächsten

Dennoch war das Gewissen der Schriftgelehrten damals nicht so rein, wie sie es sich gerne gewünscht hätten. Denn es war kein Geheimnis, dass sie mit dem zweiten Teil der Forderung – den Nächsten zu lieben wie sich selbst – mehr Probleme hatten, als mit dem ersten Teil. Was den alltäglichen Umgang mit den Menschen betrifft, hatten sie nicht den besten Ruf. Sie galten als arrogant und kaltherzig und es war offensichtlich, das sie hier echte Defizite hatten. Es ist ja nicht so leicht, Menschen gegenüber Liebe zu heucheln, wenn man sie nicht wirklich hat. Irgendeinem Gott nach bestimmten Gesetzlichkeiten zu dienen, scheint nicht so extrem schwer zu sein. Es braucht zwar ein wenig Mühe und Selbstdisziplin, aber man bekommt das schon hin, zumindest wenn man der Typ dafür ist, man kann sich in einen religiösen Lebensstil einüben. Doch die Forderungen der Menschen um einen herum, ihre Ansprüche und Bedürfnisse ernst zu nehmen, das ist eine ganz andere Sache. Wie einer schon einmal gesagt hat: Mit Gott habe ich keine Probleme, nur sein Bodenpersonal nervt mich gewaltig. Ja, die Nerven – sie offenbaren es und zeigen sehr bald, ob man wirklich Liebe hat, oder nicht.

Eine neue Frage: Wer ist denn mein Nächster?

So ist nun die Liebe zu Gott in unserer Geschichte kein Thema mehr. Aber die Liebe zum Nächsten schon. Der Schriftgelehrte wollte sich rechtfertigen, heißt es im Text. Warum eigentlich? Hat Jesus ihm zu tief in die Augen geschaut, als er zu ihm sagte: »tue das…«, sodass er sich ertappt fühlte? Jedenfalls rechtfertigte er sich ohne von Jesus verbal angeklagt worden zu sein und das ist ein Zeichen, dass sein Gewissen angeschlagen hat. Er rechtfertigt sich also mit der Frage: »Wer ist denn mein Nächster?«

Diese Frage war ja in gewisser Hinsicht berechtigt. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die Juden damals beileibe nicht jeden Menschen als Nächsten betrachteten. In modernen Übersetzungen wird manches mal statt Nächster „Mitmensch“ verwendet. Das halte ich für falsch, weil dies verschleiert, dass dieser Begriff eine inhaltliche Wandlung erfahren hat. Bei Nächster wird das noch deutlich, wenn wir uns den eigentlichen Wortsinn ins Bewusstsein rufen. Der Nächste ist der uns Nahestehende. So sahen dies auch die Juden. Wir meinen heute mit Nächster Jeden. Doch ursprünglich war nicht jeder damit gemeint. Erst die christliche Tradition hat diesen Begriff anders tradiert, nicht zuletzt gerade wegen des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter.

Stellen wir nun also fest, dass der Schriftgelehrte allen Grund hatte diese Frage zu stellen. Denn, der Nächste war in seinen Augen nur einer der ihm Nahe stand. Bei solcher Unterscheidung aber erhebt sich tatsächlich die Frage: wo ziehen wir denn da die Grenze? Ist der vom Glauben abgefallene Volksgenosse auch noch mein Nächster? Von den Samaritern ganz zu schweige, die waren ja ein Mischvolk. Zur Zeit der Assyrischen Vertreibung, waren einige Israeliten im Lande geblieben und hatten sich mit zugewanderten Heiden vermischt. Das war den Juden ein Gräuel. Nie und nimmer hätten sie dieses Gesindel als Nächste angesehen. Die Pharisäer hatten vielleicht sogar schon Probleme, die liberalen Sadduzäer, die von der anderen Denomination, als Nächste zu akzeptieren. Aber wir wissen nicht, ob der Schriftgelehrte ein Pharisäer oder ein Sadduzäer war. Jedenfalls war das nun wirklich eine schwierige Frage für ihn: Wer ist mein Nächster? Und weil sie eigentlich nicht zu lösen war, darum konnte sich der Schriftgelehrte auch so schön in seiner Lieblosigkeit hinter ihr verstecken. Ätsch! Diese Frage in ihrer scheinbaren Unlösbarkeit diente ihm einfach als Rechtfertigung.

Die Antwort Jesu

Doch da hatte er Jesus unterschätzt. Denn wieder erwarten weiß Jesus eine Antwort auf diese Frage und die liegt in dem Gleichnis des barmherzigen Samariters. Es ist ja sehr bekannt dieses Gleichnis. So bekannt, dass man es eigentlich nicht zu erzählen braucht. Aber leider führte dies auch dazu, das es darüber eine sehr falsche Meinung gibt. Nämlich die, vom grundsätzlich bösen jüdischen Kleriker und dem grundsätzlich edlen Samaritern. Ein solches Pauschalurteil lässt aber der Text gar nicht zu, wenn er im Zusammenhang betrachtet wird. Ein Kapitel vorher wird nämlich erwähnt, wie Jesus mit seinen Jüngern durch samaritanisches Land zieht, und die Samariter ihm die Herberge verweigern, weil sie ihn als einen Juden identifiziert hatten. Das war damals keine Kleinigkeit, denn die Gesetze der Gastfreundschaft waren streng und jemanden Nachts alleine im Freien zu lassen, in einem fremden Land, war beinahe ebenso verwerflich wie das liegen lassen eines Verwundeten am Straßenrand.

So ist es nun wichtig, zu sehen, dass es sich um einen barmherzigen Samariter handelte, der wohl auch eher die Ausnahme als die Regel war. Denn dieses Gleichnis sagt gar nichts über die Qualität der Gesinnung von irgendwelchen Volksgruppen aus, sondern es geht um etwas ganz anderes. Vergessen wir also mal wer die Beteiligten waren und konzentrieren wir uns darauf, was da eigentlich geschehen war. Was ist das wesentliche Element dieser Geschichte? Ein Mensch fällt unter die Räuber und wird schwer verwundet. Die wahrscheinlichste Ursache unterwegs verletzt zu werden, war damals, unter die Räuber zu fallen. Heute ist es viel wahrscheinlicher einen Unfall zu haben, als unter Räuber zu fallen. Wie auch immer, wesentlich ist, dass da einer liegt, hilflos hingestreckt und ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage sich selbst zu helfen. Ja es muss befürchtet werden, dass er die Nacht nicht mehr überleben werde, wenn ihm nicht geholfen würde.

Dann gehen an diesem Verunglückten Menschen vorüber. Die ersten zwei gehen vorbei und kümmern sich nicht um ihn. Nicht dass sie ihn nicht gesehen hätten. Es steht ja da: als sie ihn sahen, gingen sie an der entgegengesetzten Seite vorüber. Sie wechselten also die Straßenseite, machten einen Bogen um ihn herum und vermieden es genauer hinzusehen. Sie wollten eher wegsehen als hinsehen. Der dritte aber tat nicht so. Er hielt Kurs auf den Verwundeten zu und sah ihn da liegen, halbtot in seinem Blut. Und da heißt es: er wurde innerlich bewegt! Luther übersetzte da: es jammerte ihn. Das heißt, dass er Mitleid hatte mit diesem Mann und aus dieser tiefen Herzensbewegung heraus, beschloss er ihm zu helfen.

Die anderen beiden wussten sicher auch um die Möglichkeit, herzu zu treten und angesichts des Elendes nicht anders zu könne, als Barmherzigkeit zu üben. Dieser Gefahr wollten sie sich gar nicht erst aussetzen, deshalb gingen sie ja auf die entgegengesetzte Seite und sahen weg. Dadurch aber verstießen sie gegen das Gebot der Nächstenliebe, das war klar, darüber gab es überhaupt keine Diskussion. Wegsehen ist mitschuldig werden! Was bei dem Priester und dem Leviten passierte war, dass sie schuldig wurden durch ihr Verhalten, sich nur um ihre religiösen Belange zu kümmern, aber nicht um ihre Mitmenschen um sie herum. Sicher halfen sie, wenn sich jemand in ihrer Nähe, den sie zweifelsfrei als Nächster anerkannten, in Not befand. Aber die meiste Zeit schauten sie weg: stur nach oben, gen Himmel, um sich nur ja nicht zu viel mit den Nöten dieser Welt auseinandersetzen zu müssen. 

Jesus hat einmal zu den Jüngern gesagt: »Wenn ihr nur denen gutes tut, die Euch gutes tun, was tut ihr da besonderes, tun das nicht auch die Sünder und Heiden?« Ja, es stimmt: Gutes tun ist nichts besonderes, jedermann tut es an denen, von denen er erwarten kann, dass sie sich in irgend einer Weise revanchieren. Mit Nächstenliebe hat das nichts zu tun. Der barmherzige Samariter aber zeigt es uns, was Nächstenliebe ist. Er sah hin, ließ sich von der Not des danieder Liegenden erfassen und half ihm, ohne auch nur den geringsten Nutzen davon zu haben. Er hatte nicht einmal die Ehre, denn wenn seine eigenen Landsleute erfahren würden, dass er einem Juden geholfen hat, dann würden ihn die meisten für verrückt erklären. Doch das zählte nicht; er war von Mitleid erfüllt worden und musste seinem Herzen folgen, das ihn dazu trieb die Hilfe nicht nur auf das Notwendigste zu beschränken, sondern sie nachhaltig zu betreiben, bis zur völligen Wiederherstellung des Verwundeten. Nicht nur, dass er Erste Hilfe leistete, indem er Öl und Wein in die Wunden goss und diese verband, er übernahm auch den Verwundetentransport auf seinem eigenen Tier wie Vincent van Gogh das in seinem Bild darstellte, vielleicht musste er selbst dann sogar zu Fuß gehen. Und schließlich bezahlte er noch die Pflege in einer geeigneten Herberge, denn Krankenhäuser gab es ja damals noch nicht.

Liebe ist...

Was ist also Liebe? Wie beantworten wir diese Frage mit dem Gleichnis des barmherzigen Samariters? Liebe ist: sich von der Not des Anderen bewegen zu lassen und zwar nicht nur emotional, sondern bis zur letzten Konsequenz des notwendigen Handelns. Und der Schriftgelehrte wussten es, dass es so war. Er hatte keine Ausflüchte mehr. Wer der andere ist, spielt überhaupt keine Rolle. Barmherzigkeit zu üben, das war eine Verpflichtung gegenüber Jedermann, das war auch dem Theologen klar, der Jesus gegenüber stand. Und er wusste wahrscheinlich auch, dass er sich dem schon oft entzogen hatte, wie der Priester und der Levit, entzogen durch einfaches Wegschauen; auf die andere Seite gehen; sich lieber mit Gott zu beschäftigen, als mit Menschen. Doch in Wirklichkeit gehört das untrennbar zusammen, die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten. Wie sehr das zusammengehört, wurde später deutlich, als Jesus sich am Ende seiner Wirksamkeit ans Kreuz nageln ließ, starb und durch seine Auferstehung bewies, dass er der von Gott gesandte Erlöser war. Was hat das mit dem barmherzigen Samariter zu tun?

Der barmherzige Gott

Nun, wir wissen, dass der Mensch von Gott getrennt ist. Darüber braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Es ist offensichtlich. Gott ist nicht präsent und die Menschheit liegt danieder, wie der unter die Räuber gefallene Wanderer. Wir möchten auch am liebsten weg schauen und uns in eine heile Welt flüchten. Doch es ist offensichtlich dass die Not auf der Welt zum Himmel schreit und wir werden auch täglich durch die Medien daran erinnert, wenn wir nicht wieder weg schalten zu irgend einem Programm, das uns wieder eine fiktive Scheinwelt bietet. Es ist leicht zu sehen und es ist leicht weg zuschauen. Wenn wir aber sehen, dann erkennen wir: die Geschichte der Menschen ist doch eine lange Abfolge von Blut- und Mordgeschichten, angefangen bei Kain und Abel, bis zum globalen Terrorismus der Postmoderne und es ist kein Ende der Tragödie abzusehen. In dieser Geschichte sind wir Opfer und Täter zugleich. Menschen lieben Menschen nicht. Sie verachten sie und ehe sie ihnen helfen, wünschen sie ihnen lieber den Tod, wenn dies ihren eigenen Interessen dient. Die Unfähigkeit zu lieben, ist aber das Argument für die Notwendigkeit einer Erlösung für den Menschen schlechthin.

Und sage nicht, ich bin da eine Ausnahme, weil ich bin ja religiös, ich tue recht und scheue niemanden. Ich glaube an Gott und liebe ihn. Gerade die religiösen Führer des Volkes Israels waren besonders hartherzig. Sie wandten sich ab, wenn sie in die Nähe der Not kamen. Es ist so leicht sich abzuwenden. Selbst von der Not seiner eigene Volksgenossen, Freunde und Familienmitglieder. Es ist so leicht unbarmherzig zu sein. Nicht nur dem Fremden gegenüber, oder dem Sandler auf der Straße. Unbarmherzig trennen sich jährlich fast 50 % von ihrer Familie und lassen oft ihren Ehepartner und die Kinder hartherzig in Stich. Unbarmherzig tobt oft der Kampf am Arbeitsplatz, wer da Schwäche zeigt, hat schon verloren. Selbst wenn wir keine Ahnung hätten, von den Hungernden in Afrika usw. Es gibt auch in unserer unmittelbaren Umgebung genügend Gelegenheit weg zu schauen, die Schotten dicht zu machen und sich nicht bewegen zu lassen von der Not des anderen.

Es sollte eigentlich klar sein, dass es in dem Gleichnis nicht um Hilfestellung für Verbrechensopfer geht. Es geht um einen Menschen in Not, ob diese Not selbstverschuldet ist, oder nicht. Ob sie physischer oder psychischer Art ist, das ist alles nebensächlich. Ja eigentlich auch, ob er Dir Nahe steht oder nicht. Man kann mit seiner eigenen Frau und den Kindern unbarmherzig sein. Aber niemand sollte behaupten zu lieben, der keines Mitgefühls fähig ist, der sich von der Not eines anderen Menschen nicht bewegen lässt. Barmherziges Mitfühlen ist das ABC der Liebe. Das ist es was das Gleichnis sagt.

Während aber wir weggesehen haben, hat Gott hingesehen und seinen Sohn Jesus Christus gesandt. Er sah die Not der Menschen auf Erden. Er hätte sich auch abwenden und diese Menschheit ihrem Schicksal überlassen können, wer hätte ihn dafür zur Rechenschaft ziehen können? Doch er tat es nicht. Es jammerte ihn, er hatte Mitleid und so kam Jesus um das Opfer zu bringen, durch das wir heil werden können. Heil zu einem neuen Leben in reiner wahrer Liebe, nach der wir uns doch alle so sehr sehnen.

Warum wird so viel von Liebe in der Welt gesprochen, und ist so wenig sichtbar davon? Die Antwort ist einfach. Weil wir in Sachen Liebe von Natur aus Dummies sind. Wir verstehen nichts davon. Wenn wir an Liebe denken, dann denken wir doch eigentlich immer nur an uns selbst, oder? Es ist doch auffällig, dass es dabei immer nur höchstens um eine Zweierbeziehung geht. Selbst Kinder sind dabei nicht mehr maßgebend. Viele Paare wollen gar keine Kinder mehr, oder höchstens eines, denn die könnten ja das gemeinsame Glück stören. Was für eine Dummheit. Wenn wir Menschen nicht so angelegt wären, dass wir uns einsam fühlten, wenn wir alleine sind, dann würde wir das Glück noch nicht einmal mehr in einer Zweierbeziehung suchen, sondern nur mehr bei uns selbst, in der Eigenliebe. Liebe ist... das meint doch meistens nur: was soll der andere tun, damit ich mich von ihm geliebt fühle, damit ich glücklich werde.

Aber Liebe ist etwas ganz anderes. Etwas was wir von Natur aus nicht haben, aber sehr wohl lernen können. Wichtig ist nur, den richtigen Lehrer zu haben und das richtige Lehrbuch. Und in Wirklichkeit gibt es nur einen der kompetent ist, uns ein Leben der Liebe zu lehren. Dieser eine ist Jesus. Auf ihn alleine gilt es zu schauen. Er ist unser Vorbild und derjenige, der uns von unserer Selbstsucht befreien kann. Du sehnst Dich nach Liebe? Klar doch, jeder tut das. Frage: wo holst Du Dir Deine Ratschläge in Sachen Liebe? Sind es die Freunde mit ihren Sprüchen? Sind es irgendwelche Zeitschriften oder Fernsehsendungen, Talk- oder Reality Shows, oder Liedertexte, die Deine Meinung über Liebe prägen? Lass Dir gesagt sein, wenn es so ist, dann wirst Du scheitern. Es gibt nur ein Lehrbuch, das kompetent ist, das ist die Bibel.

Darum möchte ich Dich heute auffordern eine ganz einfache Entscheidung in Deinem Herzen zu treffen, die mit einem einfachen Gebet verbunden ist. Wenn Du das tust und Dich dann konsequent auch mit Jesus und seinem Wort beschäftigst, dann hast Du alle Chancen, in Sachen Liebe nicht ein Dummie zu bleiben, sondern ein Profi zu werden. Wenn Du das willst, dann mache dies Gebet zu Deinem Gebet: »Vater im Himmel, ich habe heute erkannt, dass ich ein großes Defizit in meinem Herzen habe. Ich bekenne, dass ich Deinen Anforderungen nicht gerecht geworden bin, dass ich bei Liebe immer nur an mich gedacht haben, als an meinen Nächsten. Darum bitte ich Dich Herr Jesus, sei Du ab heute mein Lehrer und Meister. Weihe mich ein in die Geheimnisse Deiner Liebe und mache aus mir einen Menschen, der andere in selbstloser Weise lieben kann. Ich vertraue Dir und Deinem Wort.«
Amen!


Wenn Du dieses Gebet in Deinem Herzen gesprochen hast, dann möchte ich Dich ermutigen, dies jemanden aus der Gemeinde mitzuteilen und ein Gespräch darüber zu führen wie sich Dein zukünftiges Leben gestalten könnte.
Denn wenn man von Herzen glaubt wird man gerecht, heißt es, und wenn man mit dem Munde bekennt gerettet.

Du kannst auch gerne auf mich zukommen, oder einen andern von uns, den Du besser kennst. Ich wünsche jedem, der heute hier in diesem Gottesdienst war, ein Leben in Liebe. Denn Liebe ist wirklich das einzige was zählt. Sie ist das, was nicht nur uns selbst glücklich macht, sondern auch unsere Welt verändern kann.

Amen!