11. Ein Gott der Ordnung (1.Kor. 14:21-33)

Wir haben das letzte mal von der Gabe des Zungeredens gesprochen und erkannt, dass es sich dabei um eine Gabe handelt, bei der der Empfänger in einer Sprache reden kann, die er nicht gelernt hat. Wir haben auch gesehen, dass dabei der Sprecher nicht immer wusste, wovon er sprach. Dazu bedurfte es einer weiteren Gabe, nämlich der, die Sprachengabe auszulegen, oder zu übersetzen. Diese Gabe war für die Gemeinschaft der Gläubigen, für die Versammlungen, nur dann nützlich, wenn tatsächlich das was gesprochen wurde auch übersetzt wurde, damit man verstehen konnte, was gesagt wird.

 

Daher verlangt Paulus auch, dass dies geschieht und ermahnt diejenigen, die in Zungen sprechen können, zu beten, dass sie auch die Gabe der Auslegung erhalten, damit sie die Offenbarung die über ihre Lippen kommt auch der Gemeinde zugänglich machen können. Denn der Inhalt der Zungenrede ist wie bei der Weissagung oder dem prophetischen Reden auch, das Wort Gottes, das der Mensch verstehen soll, damit er es befolgen kann. Nun haben wir aber noch einen Aspekt dieser Gabe zu besprechen, ohne den wir gar nicht verstehen könnten, worum es bei dem allen überhaupt geht. Denn warum ist es denn so, dass Gott zu Menschen in fremden Sprachen spricht? Wieso gibt es denn das, genügte nicht die Gabe der Weissagung, wenn es doch auf das Gleiche hinausläuft? Dieser Frage wollen wir jetzt nachgehen und lesen dazu weiter, was Paulus in 1. Kor. 14:21-26 schreibt.

Das Ziel allen geistgewirkten Redens

(21) Im Gesetz steht geschrieben: „Ich will mit fremden Sprachen und mit fremden Lippen zu diesem Volk reden, aber auch so werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr“. (22) Darum dienen die Sprachen als ein Zeichen, und zwar nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen; die Weissagung aber ist nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen. (23) Wenn nun die ganze Gemeinde am selben Ort zusammen käme, und alle würden in Sprachen reden, und es kämen Unkundige oder Ungläubige herein, würden sie nicht sagen, daß ihr von Sinnen seid? (24) Wenn aber alle weissagten, und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger herein, so würde er von allen überführt, von allen erforscht; (25) und so würde das Verborgene seines Herzens offenbar, und so würde er auf sein Angesicht fallen und Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig in euch ist.

Warum also spricht Gott mit fremden Sprachen und fremden Lippen zu diesem Volk, wie wir hier lesen? Und welches Volk meint er denn damit? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns ansehen, wo im Gesetz denn dieses Wort geschrieben steht, denn Paulus spricht ja hier deutlich davon ein Zitat des Alten Testamentes zu gebrauchen, das in der Alltagssprache auch oft nur das Gesetz genannt wurde. Es gibt da nur eine einzige Stelle, die in Frage kommt, die Paulus gemeint haben muss, und das ist Jesaja 28:11-12: »Jawohl, Gott wird einmal mit unverständlicher Sprache und mit einer fremden Zunge reden zu diesem Volk, er der ihnen gesagt hat: „Das ist die Ruhe, schaffet Ruhe den Müden, und das ist die Erquickung!“ Aber sie wollten nicht hören.

Was lässt sich dazu sagen? Offenbar war es eine von Gott Jahrhundertelang beschlossene Sache, eines Tages mit dem Volk Gottes in fremden Sprachen zu sprechen und ihnen damit zu zeigen, dass er sich von Ihnen abgewendet hat. Wenn wir jetzt den ganzen Text in Jesaja 28 lesen würden, was wir aus Zeitgründen nicht tun können, würden wir feststellen, dass dieser Text eine Auseinandersetzung des Propheten Jesaja mit den Priestern und Propheten seiner Zeit in der Stadt Jerusalem war. Ihnen wird schwerer Alkoholmissbrauch vorgeworfen und die Reaktion ist, dass sie Jesaja verachten und ihm die Qualifikation des Propheten absprechen »Wem will denn dieser Erkenntnis lehre? Wem will er Offebarung geben? Er soll das den Kleinkindern erzählen, nicht ihnen, die doch eh schon alles wissen.« So antworteten sie ihm frei formuliert nach Jes. 28:9. In der Folge erhält der Prophet aber diese harte Gerichtsbotschaft, vom Wort Gottes, das an sie gerichtet ist, das sie aber nicht verstehen werden, weil es mit fremden Lippen und mit fremder Sprache gesprochen ist. Es wird ihnen wie das Gestammel von Betrunkenen vorkommen, sagt Jesaja und genau so war es auch zu Pfingsten, wie wir das letzte mal schon festgestellt haben. Sie haben die Jünger Jesu, auf die der Geist Gottes gefallen war, worauf sie in Jerusalem zu allem Volk in seiner Muttersprache sprachen, für betrunken gehalten. Damit war aber eine alte Prophezeihung in Erfüllung gegangen, im Zusammenhang mit einem Gericht Gottes über das alte Volk Juda. Gott hatte es beiseite gestellt. Gott sprach nicht mehr hebräisch, sondern in der Sprache der Heiden.

Aber auch der Inhalt der Botschaft war schon bei Jesaja erwähnt worden. Es erinnert an die Wort Jesu, der gesagt hatte (Matth.11:28): »Kommet her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken« Diese Worte hatte Jesus noch in der Sprache der Juden für diese verständlich gesprochen, es war genau die Botschaft, die er laut Jesaja verkündigen sollte. Erinnern wir uns auch daran, dass Jesus gesagt hatte, er wäre nicht zu den Heiden gesandt, sondern zu den Verlorenen Schafen des Hauses Israels (Math.15:24). Und so hatte er sie gerufen und sie hatten es gehört, aber nicht gelaubt, dass er der von Gott gesandte wäre. Zu Pfingsten dann erging dieses Wort Gottes, von Christus den Messias, in den Sprachen der Heiden, an alle Völker und wird seit dem so verkündigt. So wurde dieses Wort des Jesaja zu Pfingsten durch die Sprachengabe erfüllt. Jesaja beschreibt dann auch in den folgenden Versen das Gericht über Juda, so wie es sich in der Geschichte verwirklicht hat.

Warum aber erwähnt Paulus diese Geschichte nur und geht nicht näher darauf ein? Im Text in 1. Kor. 14 lesen wir nichts von den Juden, doch es ist klar, dass er sie meint. Näher darauf einzugehen aber braucht er nicht, denn er spricht hier zu den Korinthern, einer heidenchristlichen Gemeinde, in der es wahrscheinlich nur wenige Judenchristen gab. Auch sagt Paulus hier nicht, dass die Zungerede ein Gerichtszeichen nur für Israel ist, sondern generell für die Ungläubigen (V 22) denn es geht ja darum, dass die Mehrheit der Juden nicht glaubten und deshalb gerichtet wurden, wenn aber die Heiden, denen nun das Evangelium verkündet wurde, auch nicht glauben, dann wird sie das Gericht ebenfalls treffen. Insofern mag die Gabe der Zungenrede immer noch ein Gerichtszeichen sein und nicht, wie so viele es auslegen wollen, ein Zeichen der Gnade. Dass Gott durch mich spricht ist für mich ein Zeichen der Gnade, wenn er aber so durch mich spricht, dass es niemand versteht, ist es für alle meine Zuhörer ein Zeichen des Gerichtes, es sei denn ich übersetze es.

So ist das Zungenrede also dann, wenn sie nicht verstanden wird, die Botschaft keinen Sinn ergibt, ein Zeichen des Gerichtes. Das müssen wir uns merken. Wenn Gott uns zugetan ist, spricht er nicht in unverständlicher Sprache zu uns um uns zu retten. Die Extase war ein Phänomen des Götzenkultes der Heiden. Ihre Wahrsager und Orakel haben stets in unverständlichen Worten gesprochen und nur im Rätsel konnte ein Geheimnis gelöst werden. Die falschen Propheten der Götzenpriester fischten im Trüben. Gottes Wort aber ist klar und deutlich. Gott sagt was er will und wir wissen nur zu gut was er meint, die Frage ist nur, ob wir es auch akzeptieren. Wenn wir was hören, was wir nicht verstehen, sollte uns das sehr beunruhigen. Wir sollten uns vielleicht lieber fragen, ob uns denn ein Gericht treffen soll, weil er so mit uns spricht, dass wir es nicht verstehen können, vor allem dann, wenn sich noch nicht einmal jemand findet, der es auslegt. Diese Reaktion wäre angebrachter als in Jubel auzubrechen und eine Erweckung auszurufen.

So kann ich diese Aufregung um das Zungenreden eigentlich nicht recht verstehen. Sollte Gott uns, den Heidenchristen zeigen, dass unsere Zeit abgelaufen ist? Wenn ich mich je dazu entschließen würde, die Sprachegabe auch heute noch zu akzeptieren, dann würde ich sie so deuten, das ergäbe dann wenigstens einen Sinn. Da ich aber selbst nicht in Sprachen spreche und auch in meiner Gemeinde niemand es tut, will ich mich eines endgültigen Urteils entschlagen.

Denn wenn die Sprachengabe damals in Erfüllung der Weissagung des Jesajawortes ein Gerichtszeichen gewesen ist, dann ist wohl einsichtig, dass das Zeichen auch wieder verschwindet, wenn die Sache vorbei und das Gericht abgeschlossen ist. Tatsächlich wissen wir ja auch, dass diese Gabe bereits in den ersten beiden Jahrhunderten restlos verschwand und nicht mehr vorkam. Sie war auch nicht mehr nötig, nachdem Jerusalem zerstört war und das Volk der Juden in alle Welt zerstreut worden war. Das deutet Paulus meiner Meinung nach hier auch an. Allerdings zu einem Zeitpunkt als der Tempel noch stand, der Korintherbrief gehört ja zu den frühen Briefen des Paulus (55-56 n. Chr.).

Paulus hebt die Bedeutung der direkten Weissagung in der eigenen Sprache hervor, gegenüber der Zungenrede. Er gibt also der Weissagung in einer, Land und Volk geläufigen Sprache, deutlich den Vorzug, gegenüber dem Sprechen in fremden Sprachen, nicht nur in der Verkündigung, auch im gemeinschaftlichen Gebet. Das direkte Wort, wenn es gehört wird, ist ein Zeichen der Gnade, denn es kann angenommen werden. Der Hörer kann darauf reagieren und sich vor Gott demütigen und so gerettet werden. Das ist der wesentliche Unterschied. Um das deutlich zu machen beschreibt Paulus sehr drastisch die tatsächliche Auswirkungen von Zungenrede und Weissagung. Er sagt: Stellt Euch vor, es würde nur in Zungen bei Euch geredet werden (was ja nicht der Fall war, es war beides vorhanden bei den Korinthern, Zungenrede und Weissagung), die Besucher der Versammlung würden meinen ihr seid verrückt und würden nie wieder kommen. Also würden sie auch nicht gerettet werden. Im Gegenteil aber stellt er fest: wenn sie von euch prophetische Worte hören, die man verstehen kann, besteht die Aussicht, dass sich jemand seiner Sünde überführt sieht und erkennt, dass er hier die Wahrheit gehört hat. Dann würde er sich bekehren.

Liebe Geschwister, so und nur so funktioniert Evangelisation und Mission. Den Menschen muss das Wort der Wahrheit verkündigt werden und sie müssen erkennen, dass sie verloren sind und Rettung brauchen. Die Betonung liegt wieder auf »erkennen«. Es geht nicht darum ein besonderes Erlebnis zu haben, sondern die Wahrheit zu erkennen, über Gott und sich selbst, und diese Wahrheit ist es, die frei macht. (Joh. 8:31-32)

Ja, aber hier ist ja nicht von Evangelisation die Rede, sondern von Weissagung!, könnte jemand einwenden. Auf jeden Fall handelt es sich um eine klar verständliche Botschaft. Und wir müssen erkennen, dass eben auch eine Weissagung nicht irgendein kauderwelsch war, oder schwer zu deutender Orakelspruch und rätselhaftes Bild, sondern ein klar verkündigtes, von Sünde überführendes Wort Gottes. Ob das Wort Gottes dabei neu ist, oder bereits in Schriftform vorhanden und ausgelegt wird, ist dabei eigentlich unerheblich. Wir haben schon gesagt, dass das neue Testament erst am entstehen und daher dirketes Reden Gottes in den ersten Tagen durchaus eine Notwendigkeit war. Heute, nachdem wir die ganze Offenbarung in schriftlicher Form vorliegen haben, Altes und Neues Testament, in allen Sprachen und sogar in verschiedenen, einander hervorragend ergänzenden Übersetzungen, ist es klar, dass die Auslegung dieses Wortes und die Lehre die wir daraus ziehen im Vordergrund und im Mittelpunkt der Verkündigung zu stehen hat.

Sicher höre ich jetzt die Frage: ist es aber nicht notwendig, um einen Menschen von der Sünde zu überführen, direkt zu erwähnen, was in seinem Herzen verborgen ist? Nach V 25 scheint es so zu sein, als würde Paulus davon sprechen, dass die verborgene Sünde eines Menschen in direkter Weise aufgedeckt werden soll. Manche meinen auch, dass dies eine Hauptaufgabe der Prophetie ist, dass Menschen von Sünde überführt werden. Tatsächlich aber haben wir in der Schrift nur sehr wenige Beispiele dafür dass, Propheten Menschen direkt von Sünde überführten, wie das bei David der Fall war, als er mit Bathseba Ehebruch begangen hatte und Gott den Propheten Nathan zu ihn sandte. Ich finde die Hauptaufgabe der Prophetie liegt doch eindeutig darin, Gottes Heilswirken in der Geschichte darzustellen. Nur in Ausnahmefällen wendet sich das Wort direkt gegen Einzelne. Andererseits ist es aber so, dass das Wort Gottes in geheimnisvoller Weise immer Menschen trifft und sie sich direkt angesprochen fühlen, davon wird immer wieder erzählt.

Von dem König der Prediger, wie er zu seiner Zeit genannt wurde, Charles H. Spurgeon (19 Jhdt) wird berichtet, dass eines Tages eine Frau zu ihm in den Gottesdienst kam, die sich verkleidet hatte. Ihr gläubig gewordener Mann sollte sie nicht erkennen. In dem Moment, da sie verspätet durch die Türe trat, verlas der Prediger den Predigttext aus 1. Könige 14:6: »Komm herein, du Weib Jerobeams! Was stellst du dich so fremd? Ich bin zu dir gesandt als eine harter Bote.« In der Auslegung sagte er dann noch: »Ich denke, es sind einige unter uns, deren Charakter und Verhalten ich so genau beschrieben habe, dass sie wissen, dass sie gemeint sind.« Die Frau war zwar zutiefst betroffen, hatte sich aber nicht bekehrt, sie verdächtigte vielmehr ihren Mann, mit Spurgeon eine Abmachung getroffen zu haben, was natürlich nicht der Fall war.

Ein anderes Mal aber, erzählt Spurgeon, geschah es, dass er während einer Predigt vom Thema abgewichen war und in eine bestimmte Richtung gedeutet hatte, indem er sagte: »Junger Mann, die Handschuhe, die du trägst, sind nicht bezahlt. Du hast sie deinem Arbeitgeber gestohlen.!« Tatsächlich kam ein Mann nach dem Gottesdienst zu ihm, legte ein Paar Handschuhe auf den Tisch und sagte dass er dieser Mann sei der die Handschuhe in seiner Firma habe mitgehen lassen. Spurgeon hatte natürlich keine Ahnung gehabt, dass sein Wort buchstäblich zugetroffen hatte, in seiner Predigt war das nur ein Beispiel gewesen das ihm so eingefallen war.

So sehen wir dass es im Rahmen der normalen Verkündigung, wenn sie durch den Geist gewirkt ist, durchaus auch direkte Weissagung geben kann. Spurgeon aber hatte es in keinem Fall darauf angelegt. Er wußte vorher nichts von den Personen die es getroffen hatte, er sprach ja zu hunderten und manchmal auch zu tausenden Menschen. Spurgeon hätte sich wohl kaum als einen Propheten bezeichnet, für ihn stand die Auslegung und Verkündigung des geschriebenen Wort Gottes im Mittelpunkt und das war es auch was Gott so segnete. Was damals durch ihn geschah, könnte man wohl wirklich als Erweckung bezeichnen. Ich bin ebenso überzeugt, dass dies heute die wichtigste Gabe ist, die wir haben können, das Wort Gottes auszulegen und zu predigen. Würde Paulus heute einen Brief an eine Gemeinde schreiben, ich bin überzeugt, er würde dies so darstellen. Denn was im Herzen des Menschen vorgeht, weiß nur Gott und nur er kann jemanden überführen. Aber was wir aus dem geschriebenen Wort wissen ist: was Gott getan hat und noch tun will. Das soll auch der Gegenstand unserer Verkündigung sein! Das ist es was die Menschen brauchen, wenn sie zum Glauben kommen sollen und wenn sie geistlich wachsen sollen. Deshalb muss alles im Gottesdienst klar und verständlich sein.

An Zahl wächst eine Gemeinde vielleicht kurze Zeit schneller wenn spektakuläre Ereignisse eine Veranstaltung prägen. Aber sind diese Bekehrungen, wenn man sie so nennen will, wirklich echt? Haben die Menschen wirklich verstanden worum es geht? Das ist die Frage. Wir sind nicht gerufen dafür zu sorgen dass sich Menschen bekehren, sondern dazu, dass wir Jünger machen, so sagt es Jesus in seinem Missionsbefehl. Wir tun das, indem wir zu den Menschen hingehen, sie taufen und lehren, dass sie alles halten, was Jesus uns befohlen hat.

Es geht also nicht um einen frommen Hokuspokus, sondern es geht um handfeste Überzeugungsarbeit die geleistet werden muss. Das sieht man übrigens auch bei den Missionsreisen des Apostel Paulus immer wieder, dass er zu den Menschen gegangen ist, meistens zuerst zu den Juden in die Synagogen und mit ihnen über das geschriebene Wort Gottes gesprochen hat. Er versuchte sie an Hand dieses Wortes davon zu überzeugen, dass Jesus der Messias ist. Entweder sie glaubten das, dann entstand eine Gemeinde, oder sie glaubten es nicht, dann zog er weiter. Anders wird auch heute Evangelisation nicht funktionieren. Die spektakulären Geistesgaben spielten nur eine untergeordete Rolle und kamen höchstens zur Geltung, wenn dem Evangelium massiver Widerstand entgegengebracht wurde, weil nichts den Lauf des Wortes widerstehen sollte, das war besonders in den Anfangstagen ganz wichtig.

Um diese Überzeugungsarbeit, die kognitive Vermittlung von Erkenntnis nicht zu stören, muss es in der Gemeinde ordentlich zugehen. Das sagt der letzte Abschnitt des Textes über die Geisteswirkungen, den wir nun lesen wollen.

Die Ordnung zur Erreichung des Zieles

(26) Wie ist es nun, ihr Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat jeder von euch etwas: einen Psalm, eine Lehre, eine Sprachenrede, eine Offenbarung, eine Auslegung; alles lasst zur Erbauung geschehen! (27) Wenn jemand in einer Sprache reden will, so sollen es zwei, höchstens drei sein, und der Reihe nach, und einer soll es auslegen. (28) Ist aber kein Ausleger da, so schweige er in der Gemeinde; er mag aber für sich selbst und zu Gott reden. (29) Propheten aber sollen zwei oder drei reden, und die anderen sollen es beurteilen. 30 Wenn aber einem anderen, der dasitzt, eine Offenbarung zuteil wird, so soll der erste schweigen. (31) Denn ihr könnt alle einer nach dem anderen weissagen, damit alle lernen und alle ermahnt werden. (32) Und die Geister der Propheten sind den Propheten untertan. (33) Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens, wie in allen Gemeinden der Heiligen.

In diesem Abschnitt finden wir nun genaue Anweisungen des Apostel Paulus, wie die Sprachenrede in der Gemeinde anzuwenden ist, beziehungsweise die Gabe der Weissagung. Zu Beginn allerdings lesen wir, dass es noch mehr gab, als Sprachenrede und Weissagung. Wer lesen konnte und ein Altes Testament besaß, konnte einen Psalm beitragen. Das war damals nichts alltägliches, denn nicht alle konnten lesen und noch viel weniger besaßen eine Schrift. Dann war da jemand, der meinte aus der Menge des Gesagten ein Prinzip herauslesen zu können und gab dieses als Lehre weiter, erst dann kam die Sprachenrede, die Offenbarung und die Auslegung.

Die Sprachenrede war auch offensichtlich ein Teil des Gebetsdienstes der Gemeide. Paulus sagt nun ganz deutlich, dass auf sie verzichtet werden soll, wenn niemand da ist, der es auslegen kann. Man weist gerne darauf hin, dass Paulus in V.39 am Ende des Kapitels sagt: dem Zungenreden wehret nicht. Doch das ist generell gemeint. Dem Zungenreden muss sehr wohl gewehrt werden, wenn sie in einer Gemeinschaft geschieht und nicht ausgelegt werden kann. Der betreffende Inhaber der Gabe braucht darauf nicht zu verzichten, aber er soll sie für sich alleine ausüben, für die Gemeinschaft hat sie keine Bedeutung. Auch wenn eine Auslegung vorhanden ist, erinnern wir uns, dass Paulus ja verlangt hat, dass die Zungenredner darum bitten selber auslegen zu können, auch dann sollte diese Gabe nicht dominieren, sondern zwei, höchstens drei sollten sie anwenden, die anderen sollten schweigen, also darauf verzichten, sie auszuüben. So will es das Wort Gottes.

Für die Weissagung oder die Prophetie gelten die gleichen Regeln. Auch diese Gabe soll keine Dominanz in der Gemeinde haben. Und was hier noch viel wichtiger ist, es sollen mehrere Propheten sein, die sich gegenseitig beurteilen. Das ist wichtig, weil es ja zu jeder Zeit auch falsche Prophetie gab. Eine Weissagung zu überprüfen war die Pflicht der Gemeinde und wie konnte sie das besser tun als durch die Befragung weiterer Propheten. Wenn die dann anfingen sich zu widersprechen, dann wusste man sehr schnell, was von der Weissagung zu halten war. Das ganze war natürlich eine heikle Sache und es ist auch keine Wunder, dass das Prophetentum im Laufe der ersten beiden Jahrhunderte sehr in Misskredit kam und schließlich immer mehr auf das geschriebene Wort Gottes zurückgegriffen wurde, das dann auch mehr und mehr verfügbar war. Jedenfalls musste auch ein Prophet schweigen, wenn da kein anderer war, der den Dienst mit ihm zusammen in disziplinierter Weise versehen konnte.

Gott ist also ein Gott der Ordnung. Die Gaben sollen im Gottesdienst und in der Gemeinschaft alle zur Geltung kommen, wie sie uns Gott gegeben hat. Jeder hat etwas bekommen, das er der Gemeinschaft geben kann. Aber es ist notwendig, sie in einer Weise anzuwenden, die gewährleistet, dass sie zum allgemeinen Nutzen sind und auferbauen, nicht zerstören. Das war bei den Korinthern nicht immer der Fall. Der eine redete in einer fremden Sprache und legte es nicht aus. Der andere gab eine Offenbarung weiter und wurde von einem anderen unterbrochen, dem auch gerade etwas einfiel und verlief mancher Gottesdienst chaotisch. Im Prinzip aber hatte am Ende dabei niemand wirklich etwas gelernt. Das war nicht der Sinn der Zusammenkunft.

Bedenken wir auch: die Versammlung der Gläubigen war nach dem Vorbild der Synagogen gestaltet worden und da ging es nach festen Ordnungen zu. Das hatte System und nicht jeder konnte einfach das Wort ergreifen. Gleichwohl aber sehen wir im Neuen Testament, dass die Gelegenheit war, für Jesus selbst und später auch für die Apostel, in der Synagoge das Wort zu ergreifen. Sie war kein Ort der Kleriker, an dem nur ausgewählte Menschen sprechen durfte. In der jüdischen Tradition war es im Bewusstsein eingeprägt, dass Gott im Prinzip jeden gebrauchen kann, um ein Wort weiter zu geben (Jesus wurde sogar als 12-jähriger im Tempel gehört). Die Propheten stammten im Gegensatz zu den Priestern (Leviten) nicht nur aus einem Volk, sie waren auch aus allen Gesellschaftsschichten. Es waren ganz verschiedene Menschen, die Gott als Propheten berief und deshalb war das Judentum auch offen dafür, jeden zunächst einmal anzuhören und zu überprüfen was da gesagt wurde.

Von diesem Prinzip scheint mir auch die christliche Gemeinde geprägt gewesen zu sein. Sie war kein Diskutierklub nach Art der griechischen Philosophenschulen, aber sie war auch keine Gemeinschaft in der es eine strikte Trennung gab zwischen klerikalen Profis und amateurhaften Laien. Jeder konnte ein Wort der Weissagung haben und es weitergeben. Wenn sich spektakuläre Dinge ereigneten wie Heilungen, Wunderzeichen, oder auch Sprachengaben, dann war jeder erstaunt darüber. Denn das war auch nicht Alltag, aber es geschah immer wieder, besonders in Zeiten großer Anfechtung und Verfolgung.

Wichtiger war jedoch die Verkündigung und zwar der Inhalt dessen was gesagt worden war. Nicht die Rhetorik war entscheidend und nicht ob der Redner sich spektakulär verhielt, sondern was er sagte und ob das den Tatsachen entsprach und mit dem geschriebenen Wort der Weissagung übereinstimmte, das war wesentlich. Tun wir doch nicht so, als hätten wir das Wort Gottes schon so verinnerlicht, dass wir neue Offenbarungen brauchen. Ich bin jetzt 38 Jahre gläubig und lese die Bibel, ich staune immer wieder, wie Gott mir Zusammenhänge zeigt und Dinge offenbart, die ich noch nicht oder noch nicht genügend beachtet habe. Ich wüsste nicht, wozu ich eine neue Offenbarung bräuchte, ich bin froh, wenn ich bis an mein Lebensende mit der vorhandenen klarkomme.

Vielleicht meint aber einer, er müsse ein Prophet sein um dem anderen sagen zu können wie er gesündigt hat. Ich denke, es reicht auch da wie Spurgeon ein Verkündiger des Wortes zu sein. Wenn Gott Dir aber eine Offenbarung gibt und Du wirklich die Sünde eines Menschen erkennst, dann überlege gut, wie Du damit umgehst. Bedenke, du hast damit viel Macht in deinen Händen und kannst viel Unheil anrichten. Ich glaube, dass Gott jemanden sporadisch diese Gabe geben kann, dass jemand sie dauerhaft hat, glaube ich nicht, so viel Macht gibt Gott keinem Menschen in einer Gemeinde, das ist meine Meinung. Im übrigen gilt auch hier das Prinzip der Überprüfung durch andere Propheten, wenn das nicht möglich ist, sollte man besser schweigen, man könnte sonst leicht selbst der Verleumdung überführt werden.

Ich denke, dass alles gesagt ist über die Geisteswirkungen und die Gnadengaben. Ich möchte noch einmal betonen, es geht nicht um Geistesgaben, die gibt es nicht, es geht um Geisteswirkungen. Gott ist es, der etwas in uns bewirkt und bewirkt es nicht Gott, dann wäre es besser nicht geschehen, selbst dann nicht, wen es nur aus dem eigenen heraus geschehen ist, da braucht noch nicht einmal ein falscher Geist am Werk sein. Wenn es aber Gottes Geist wirkt, dann ist es in Liebe geschehen. Amen!

Ende der Serie!