Psalm 107 – Gottes Gnade und das Danklied der Erlösten

Zum dritten mal beginnt nun ein Psalm mit diesen Worten (Ps.107:1): »Danket dem Herrn: denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.« Und zum dritten mal beschäftigt sich ein Psalm mit Israels Geschichte. Aber es gibt dennoch einen Unterschied. Denn war es bisher so, dass die beiden vorhergehenden Psalmen 105 und 106 sich immer wieder auf konkrete geschichtliche Ereignisse bezogen haben, die man in den Geschichtsbüchern des Volkes Israels nachlesen konnte – dies ist auch daran erkennbar, dass die betreffenden Parallelstellen in den Bibeln angegeben sind – so werden wir das nun bei dem Psalm 107 nicht bemerken. Er ist gänzlich ohne Parallelstellen, weil das, wovon dieser Psalm spricht, im Alten Testament nicht als Geschichtsschreibung vorkommt. Trotzdem ist es auch ein Geschichtspalm, aber einer der besonderen Art.

 

Bevor ich das erkläre, möchte ich aber noch erwähnen, dass dieser Psalm auch einen neuen Abschnitt im Buch der Psalmen beginnt. Die Psalmen sind ja eigentlich in 5 Büchern unterteilt und jedes Buch endet mit einem sehr ähnlich lautenden Vers. Mit einer sogenannten »Doxologie« – auf deutsch »Lobpreis« Gottes*. So endete der 106. Psalm, den wir letztes mal gelesen haben, mit: »Gelobt sei der Herr der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit, und alles Volk spreche: Amen, Halleluja!« (Psalm 106:48)

Ich möchte das noch einmal betonen, weil es in den Palmen ganz generell um zwei Dinge geht:
1. dass der zu lobende Gott, der Gott Israels ist, und
2. dass ihn alles Volk loben soll. Dabei ist durchaus auch lesbar, dass unter »alles Volk« nicht nur jeder Angehörige des Volkes Israels zu verstehen ist, sondern tatsächlich jedes Volk oder jede Nation gemeint ist. Jedes Volk soll ihn, den Gott Israels loben soll. Was ist nun aber der Grund, warum Gott von allen gelobt werden soll? Und warum ist es der Gott Israels, den man loben soll? Diese Fragen werden uns im Psalm 107 deutlich beantwortet.

Der Psalm 107 ist ein prophetischer Psalm. Hier blicken wir nämlich nicht mehr zurück auf die Geschichte Israels, zu einem Zeitpunkt, als diese noch im Laufen ist, sondern wir betrachten sie vom Ende, von der Vollendung her. Und von diesem Ende her wird deutlich, warum der Gott Israels zu loben ist. Wir haben die Geschichte seines Volkes zusammengefasst vor Augen und dürfen staunen. Wir wollen zunächst den ganzen Psalm lesen: (Palm 107)

(1) Danket dem Herrn: denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.

(2) So sollen sagen, die erlöst sind durch den Herrn, die er aus der Not erlöst hat, (3) die er aus den Ländern zusammengebracht hat von Osten und Westen, von Norden und Süden. (4) Die irregingen in der Wüste, auf ungebahntem Wege, und fanden keine Stadt, in der sie wohnen konnten, (5) die hungrig und durstig waren und deren Seele verschmachtete, (6) die dann zum Herrn riefen in ihrer Not und er errettete sie aus ihren Ängsten (7) und führte sie den richtigen Weg, dass sie kamen zur Stadt, in der sie wohnen konnten: (8) Die sollen dem Herrn danken für seine Güte, die er an den Menschenkindern tut, (9) dass er sättigt die durstige Seele und die Hungrigen füllt mit Gutem.

(10) Die da sitzen mussten in Finsternis und Dunkel, gefangen in Zwang und Eisen, (11) weil sie Gottes Geboten ungehorsam waren und den Ratschluss des Höchsten verachtet hatten, (12) sodass er ihr Herz durch Unglück beugte und sie dalagen und ihnen niemand half, (13) die dann zum Herrn riefen in ihrer Not (14) und er führte sie aus Finsternis und Dunkel und zerriss ihre Bande: (15) Die sollen dem Herrn danken für seine Güte, die er an den Menschenkindern tut, (16) dass er zerbricht eherne Türen und zerschlägt eiserne Riegel.

(17) Die Toren, die geplagt waren um ihrer Übertretung und um ihrer Sünde willen, (18) dass ihnen ekelte vor aller Speise und sie todkrank wurden, (19) die dann zum Herrn riefen in ihrer Not (20) er sandte sein Wort und machte sie gesund und errettete sie, dass sie nicht starben: (21) Die sollen dem Herrn danken für seine Güte, die er an den Menschenkindern tut, (22) und sollen Dank opfern und seine Werke erzählen mit Freuden.

(23) Die mit Schiffen auf dem Meere fuhren und trieben ihren Handel auf großen Wassern, (24) die des Herrn Werke erfahren haben und seine Wunder auf dem Meer, (25) wenn er sprach und einen Sturmwind erregte, der die Wellen erhob, (26) und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund sanken, dass ihre Seele vor Angst verzagte, (27) dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener und wussten keinen Rat mehr, (28) die dann zum Herrn schrieen in ihrer Not (29) und er stillte das Ungewitter, dass die Wellen sich legten (30) und sie froh wurden, dass es still geworden war und er sie zum erwünschten Lande brachte: (31) Die sollen dem Herrn danken für seine Güte, die er an den Menschenkindern tut, (32) und ihn in der Gemeinde preisen und bei den Alten rühmen.

(33) Er machte Bäche trocken und ließ Wasserquellen versiegen, (34) dass fruchtbares Land zur Salzwüste wurde wegen der Bosheit derer, die dort wohnten. (35) Er machte das Trockene wieder wasserreich und gab dem dürren Lande Wasserquellen (36) und ließ die Hungrigen dort bleiben, dass sie eine Stadt bauten, in der sie wohnen konnten, (37) und Äcker besäten und Weinberge pflanzten, die jährlich Früchte trugen. (38) Und er segnete sie, dass sie sich sehr mehrten, und gab ihnen viel Vieh.

(39) Aber sie wurden gering an Zahl und geschwächt von der Last des Unglücks und des Kummers. (40) Er schüttete Verachtung aus auf die Fürsten und ließ sie irren in der Wüste, wo kein Weg ist; (41) aber die Armen schützte er vor Elend und mehrte ihr Geschlecht wie eine Herde. (42) Das werden die Frommen sehen und sich freuen, und aller Bosheit wird das Maul gestopft werden.

(43) Wer ist weise und behält dies? Der wird merken, wie viel Wohltaten der Herr erweist.

Eingebettet in das Psalmenbuch und gleich im Anschluss an zwei Geschichtspsalmen, die ganz eindeutig von der Geschichte Israels sprechen, müssen wir hier festhalten, dass auch in diesem Psalm wieder vom Volk Israel die Rede ist. Aber dieses Volk kommt aus großer Not, oder besser gesagt, aus einer Vielzahl von Nöten. Doch der Psalm bezieht sich auf das Ende der Zeit, daher die Aufforderung an das gerettete Gottesvolk dem Herrn zu danken. Das ist die prophetische Sicht des Schreibers dieses Psalmes. Aber natürlich wurde dieser Psalm nicht nur für das Ende der Zeit geschrieben. Er steht in der Bibel, damit wir jetzt schon in der Lage sind, die Wohltaten zu erkennen, die der Herr uns Menschenkindern erweist. Das ist die Aussage des letzten Satzes des Psalmes (V43), aber dieser Vers sagt uns auch, dass dazu Weisheit nötig ist. Nicht jedem erschließt sich das Buch der Geschichte und viele scheitern daran, wenn sie versuchen, das was geschehen ist, mit ihrem Glauben in Übereinstimmung zu bringen. Dass am Ende das Volk dankbar vor Gott steht und jubelt, bedeutet ja nicht, dass davon auch zwangsweise schon etwas in dieser Zeit des Werdens sichtbar sein muss. Ein Architekt kennt den Plan und er hat vielleicht ein Modell gebaut. Er weiß um die Herrlichkeit seines Bauwerkes, wenn es fertig ist. Doch die daran bauen sehen nur das Chaos. Sie halten sich an die Anweisungen aber sie haben noch keine Ahnung, was das werden wird. Aber jene, die sich Einblick verschaffen in die Pläne, die sich vom Architekten erklären lassen, worum es geht, die haben auch schon während des Bauens eine große Zuversicht, dass das was sie machen einen Sinn ergibt und es geht ihnen vieles leichter von der Hand, weil sie wissen, dass es ein großes Werk ist, an dem sie beteiligt sind. Ich denke kein Volk sollte das besser verstanden haben als die Juden, denn warum sonst sollten sie denn Juden geblieben sein, wenn sie diesen Bauplan nicht gehabt hätten, dann wären sie längst von der Völkergemeinschaft assimiliert worden. Aber natürlich besitzen nicht alle persönlich diese Weisheit, die uns vom Umgang mit dem prophetischen Wort auch bei Daniel begegnet (Dan 12:4), wo es heißt: »Und du Daniel, verbirg diese Worte, und versiegle dies Buch bis auf die letzte Zeit. Viele werden es dann durchforschen und große Erkenntnis (Weisheit) darin finden.«

Es ist nicht so leicht, die Geschichte Israels zu deuten und gerade dazu gehört großes Verständnis des prophetischen Wortes. Wenn wir diesen Psalm betrachten, dann erkennen wir vier Strophen, die sich alle auf den ersten Vers beziehen:
(1) »Danket dem Herrn: denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.« Das war die Einleitung wie schon in den beiden Psalmen davor, dann folgen die Worte: (2) So sollen sagen, die erlöst sind durch den Herrn, die er aus der Not erlöst hat … . Damit wird jede Strophe eingeleitet und sie beinhalten alle einen anderen Aspekt der Diaspora des Volkes. Diaspora ist ein griechisches Wort und bedeutet Zerstreuung. Es ist ein Begriff, der geprägt wurde, als das jüdische Volk sein Land verlassen musste und in alle Himmelsrichtungen zerstreut wurde, er ist dem griechischen alten Testament, der Septuaginta entnommen, wo es in 5. Mose 28:64 heißt: »Denn der Herr wird dich zerstreuen unter alle Völker von einem Ende der Erde bis ans andere …«

Dass es um die Diaspora geht, zeigt die erste Strophe schon klar und deutlich:

 

(3) …die er aus den Ländern zusammengebracht hat von Osten und Westen, von Norden und Süden. Hier wird deutlich, dass es sich tatsächlich um die weltweite Zerstreuung handelt, wie sie schon in 5. Mose vorhergesagt wurde und nicht etwa um die 70-jährige babylonische Gefangenschaft, aus der Israel wieder zurückkehrte, wenn auch nicht vollständig.

Diese weltweite Diaspora war aber erst 70 nach Chr. vollzogen, als Jerusalem samt dem Tempel unter dem Kaiser Titus zerstört wurde. Da wurde das jüdische Volk endgültig unter alle Heidenvölker zerstreut, menschlich gesehen ohne eigentliche Hoffnung auf Rückkehr und das blieb so, fast zweitausen Jahre lang.

Was hinderte aber das Volk daran, sich zu assimilieren? Warum gibt es nach so langer Zeit immer noch ein Israel? Diese Frage ist nur damit zu erklären, dass die Juden die Hoffnung nicht aufgegeben haben, dass sich das Wort ihrer Propheten doch noch erfüllt und sie zurückkehren würden in das Land ihrer Väter. Sie glaubten, dass sich die Verheißungen, die Gott Abrahams gegeben hatte, noch einmal erfüllen würden. Und dieser Psalm ist einer von vielen Schriftstellen des Alten Testamentes, der diese Hoffnung unterstützt. Sie werden kommen, nach langer Zeit, nachdem sie genug umhergeirrt sind und keine Stadt gefunden haben, in der sie auf Dauer wohnen konnten. Es ist sehr fraglich, ob die Juden die Jahrhunderte als Volk überlebt hätten, wenn sie nicht an diese Hoffnung und damit an ihre Erwählung zum Gottesvolk geglaubt hätten. Nur darin lag der Sinn der Erhaltung ihrer nationalen Identität, dass sich das Schicksal Israels eines Tages wieder wenden wird.

In diesem Glauben waren sie bereit ihre Last zu tragen. Es war ja offensichtlich, dass es sich um ein Gericht Gottes handelte, das musste ihnen niemand klarmachen, sie hatten den Bund des Gesetzes gebrochen und mussten die vorausgesagten Konsequenzen tragen. Doch sie wussten auch um diesen anderen Bund, dem Bund mit Abraham, Isaak und Jakob, nach dem Gott sein Volk niemals aufgeben würde. Das war das Geheimnis ihrer Kraft, die ganze lange Zeit hinweg und sie ist es heute noch.

Was dieser Psalm letztendlich beschreibt ist der Weg des Volkes in der Diaspora und auch die sich immer wieder ereignende Errettung wenn sie zum Herrn schrien. Wie oft hat sich das wiederholt, dass sie aufbrechen musste, ihrer Heimat beraubt, ausgestoßen, herumirrend und suchend nach einer Stadt, in der sie wohnen konnten. Aber sie wussten, wer dafür zuständig war und so heißt es hier:
(6) … die dann zum Herrn riefen in ihrer Not und er errettete sie aus ihren Ängsten (7) und führte sie den richtigen Weg, dass sie kamen zur Stadt, in der sie wohnen konnten: (8) Die sollen dem Herrn danken für seine Güte, die er an den Menschenkindern tut, (9) dass er sättigt die durstige Seele und die Hungrigen füllt mit Gutem.

So ging es von Stadt zu Stadt, von Volk zu Volk, immer geduldet oder vertrieben, niemals aber rehabilitiert oder emanzipiert. Viele assimilierten sich, heirateten nicht mehr ihresgleichen und vergaßen ihre Herkunft. Aber der gläubige Jude blieb dem Wort Gottes treu, weil er wusste: die letzte Stadt die ihm zugewiesen wird, würde wieder Jerusalem sein, oder eine der Städte im Lande Kanaan. Es ist das Bild von der Stadt, die gesucht wird, in der man wohnen kann. Hunger und Durst kann man erleiden in einer Stadt in der man ein Fremder ist. Ist man aber wirklich zu Hause ist, dann wird man immer zumindest die Befriedigung dieser elementarsten Lebensbedürfnisse finden. Wie oft mussten sie erfahren, dass sie Fremde waren, gerade so, wie die die vierhundert Jahre in Ägypten, bevor sie Gott durch Moses befreit hatte.

In den weiteren Strophen wird das gleiche in anderen Bildern ausgesagt. Strophe 2:

(10) … die da sitzen mussten in Finsternis und Dunkel, gefangen in Zwang und Eisen, (11) weil sie Gottes Geboten ungehorsam waren und den Ratschluss des Höchsten verachtet hatten, (12) sodass er ihr Herz durch Unglück beugte und sie dalagen und ihnen niemand half, (13) die dann zum Herrn riefen in ihrer Not (14) und er führte sie aus Finsternis und Dunkel und zerriss ihre Bande: (15) Die sollen dem Herrn danken für seine Güte, die er an den Menschenkindern tut, (16) dass er zerbricht eherne Türen und zerschlägt eiserne Riegel.

Schlimmer als Hunger und Durst ist eigentlich die Dunkelheit der geistlichen Nacht, die denjenigen umgibt, der sich den Zorn Gottes zugezogen hat. Nicht alle waren ihnen feindlich gesinnt. Nicht alle haben sie verfolgt und wollten sie töten, oder ihnen schaden. Aber viele, denen ihr Schicksal nahe ging, konnten ihnen auch nicht helfen. Wie will man einem Blinden das Licht erklären? Ihre Finsternis war die Blindheit des Geistes. Sie ließ richtige Erkenntnis nicht mehr zu und das hatte auch seinen Grund. So hat der Apostel Paulus geklagt, dass Gott eine Decke auf ihr Herz gelegt hat, die bis auf den heutigen Tag ihre Sinne verdunkelt (2. Kor. 3:14) »Aber ihre Sinne wurden verstockt. Denn bis auf den heutigen Tag bleibt diese Decke unaufgedeckt über dem Alten Testament, wenn sie es lesen, weil sie nur in Christus abgetan wird. 15 Aber bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen wird, hängt die Decke vor ihrem Herzen. 16 Wenn Israel aber sich bekehrt zu dem Herrn, so wird die Decke abgetan.« Aber auch hier gibt uns die prophetische Sicht eine Hoffnung für Israel, denn sie werden zum Herrn rufen in ihrer Not und er wird sie erhören und sie werden ihm danken, dass er das Gefängnis ihrer geistlichen Dunkelheit durchbrochen hat. Das ist die Aussage dieses Psalmes. Die Decke wird von ihren Augen genommen werden und dann werden sie das Evangelium verstehen. Es ist sehr Mut machend, wenn man hört, dass es in Israel heute schon viele messianische, an Christus gläubige Judengemeinden gibt.

Und auch die dritte Strophe unterstützt diesen Gedanken.

(17) … die Toren, die geplagt waren um ihrer Übertretung und um ihrer Sünde willen, (18) dass ihnen ekelte vor aller Speise und sie todkrank wurden, (19) die dann zum Herrn riefen in ihrer Not (20) er sandte sein Wort und machte sie gesund und errettete sie, dass sie nicht starben: (21) Die sollen dem Herrn danken für seine Güte, die er an den Menschenkindern tut, (22) und sollen Dank opfern und seine Werke erzählen mit Freuden.

Es wird nicht verschwiegen, warum sie in dieser Not waren und es wird auch nicht verschwiegen, wie sie aus dieser Not heraus fanden. Sie riefen zum HERRN (Jahwe). Das ist der allgemeine Refrain dieser Strophen. Er wartet darauf, dass er sie erhört und sie wieder gesund macht. Denn am Ende möchte er den Dank seines Volkes. Nicht jede Krankheit ist eine Folge von Sünde, das wissen wir. Aber andererseits ist Sünde immer krank machend. Viele Krankheiten können wir los werden, alleine dadurch, dass wir zum Herrn rufen und ihm unsere Sünde bekennen. Das muss auch Israel tun. Es muss offen zu seinem Versagen stehen, dann wird er sein Wort senden und sie gesund machen.

In der vierten Strophe haben wir ein Bild, das sehr anschaulich die Zeit der Diaspora beschreibt.

(23) … die mit Schiffen auf dem Meere fuhren und trieben ihren Handel auf großen Wassern, (24) die des Herrn Werke erfahren haben und seine Wunder auf dem Meer, (25) wenn er sprach und einen Sturmwind erregte, der die Wellen erhob, (26) und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund sanken, dass ihre Seele vor Angst verzagte, (27) dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener und wussten keinen Rat mehr, (28) die dann zum Herrn schrien in ihrer Not (29) und er stillte das Ungewitter, dass die Wellen sich legten (30) und sie froh wurden, dass es still geworden war und er sie zum erwünschten Lande brachte: (31) Die sollen dem Herrn danken für seine Güte, die er an den Menschenkindern tut, (32) und ihn in der Gemeinde preisen und bei den Alten rühmen.

Israel war nie ein Seefahrervolk, auch nicht in seinen besten Zeiten. Als Salomo das Reich zur Hochblüte brachte, hatte er einen Vertrag mit dem König Hiram von Tyrus. Als dieser unermessliche Reichtum aus aller Welt in Jerusalem gesammelt wurde, da waren es die Tarsisschiffe dieses Königs, die sie heranbrachten, denn die Phönizier sind ja bekannt als ein Seefahrervolk, Israel war mehr auf dem Land zu Hause.

Aber die ganze Diaspora gleicht einer wilden Seefahrt. Dieses Volk, das sich auf den Wogen des Meeres bewegt und nicht auf festem Land, lebt vom Handel. Das entsprach auch nicht dem eigentlichen jüdischen Charakter, sie waren ein Hirtenvolk, aber in der Diaspora wurden die Juden ein Händlervolk. Was anderes blieb ihnen auch nicht übrig. Von Hafen zu Hafen mussten sie fahren und sich auf einem unsicheren Element bewegen. In der Bibel ist das Meer ein Sinnbild für die Menge der Völker. Man spricht ja auch vom Völkermeer. Hier liegt auch die natürliche Ursache für ihr Elend. Denn wer ist schuld an der Misere? Ist der Antisemitismus wirklich ein solch unergründlicher Mythos, wie er oft dargestellt wird? Eigentlich ist es nur logisch, dass wer sich ständig auf Hoher See aufhält, zwangsläufig auch große Stürme erleben wird. Waren sie nicht in all den Jahrhunderten wie zerbrechliche Schiffe auf einem Völkermeer, die von den Stürmen der Zeit umher getrieben wurden? Wurden sie nicht zum Spielball der Mächte, sie, die keinen festen Boden unter den Füßen hatten, sondern nur auf Wasser schwimmende Planken? Ein Volk ohne Land ist zwangsläufig auch eines ohne Macht.

Und doch, einmal fuhren sie gegen Himmel, es heißt hier, dass sie dabei des Herrn Werk erfuhren, seine Wunder auf dem Meer. Nicht selten waren sie nämlich auch geachtet wegen ihrer Tüchtigkeit und Klugheit und erlebten kulturelle Höhenflüge, aber im Meer gibt es keine Berge auf denen man bleiben kann und so stürzten sie ebenso in die Tiefen der Wellentäler, dass ihnen schlecht wurde und sie vor Angst wieder zum Herrn schrien, bis er sie endlich wieder in einen ruhigen Hafen ans sichere Land brachte. Not und Errettung, war ihr ständiges Schicksal auf dieser langen Seereise. Doch die endgültige Errettung wird Israel erfahren, wenn es seine gefährliche Reise beendet und wieder seiner Bestimmung gemäß in einem festen Land wohnt, in dem Land seiner Verheißung.

Die Errettung derjenigen, die in der Not den Herrn anrufen, das ist das Thema dieses Psalmes. Doch wie ist das alles geschehen? Wie kam die Not über Israel? Auch darauf geben uns die nächsten Verse eine Antwort:
(33) Er machte Bäche trocken und ließ Wasserquellen versiegen, (34) dass fruchtbares Land zur Salzwüste wurde wegen der Bosheit derer, die dort wohnten. (35) Er machte das Trockene wieder wasserreich und gab dem dürren Lande Wasserquellen (36) und ließ die Hungrigen dort bleiben, dass sie eine Stadt bauten, in der sie wohnen konnten, (37) und Äcker besäten und Weinberge pflanzten, die jährlich Früchte trugen.
(38) Und er segnete sie, dass sie sich sehr mehrten, und gab ihnen viel Vieh.

Die Zerstörung des Tempels und die Vertreibung der Juden um 70 nach Christus ist nämlich nur die halbe Geschichte. Wir wissen auch, dass das ganze Land Israel danach durch klimatische Veränderungen zu einer sehr trockenen unfruchtbaren Wüste wurde, sodass die Juden, selbst wenn sie gewollt hätten und man sie gelassen hätte, in diesem Land keine Lebensgrundlage mehr gefunden hätten. Doch seit einigen Jahren blüht das Land auf. Noch lange ist nicht das geschehen, was die Propheten vorausgesagt haben. Noch ist Israel nicht gerettet, aber was man schon sagen kann ist, dass sich das Land zunehmend erholt. Was die zurückgekehrten Juden, die seit dem späten 19. Jhdt wieder eingewandert sind, in diesem Lande anpacken, das gerät ihnen wohl, trotz aller Anfeindungen ihrer arabischen Nachbarn. Es ist das wirtschaftlich am weitesten entwickelte Land im Nahen Osten geworden, obwohl es über kein Erdöl verfügt.
(39) Aber sie wurden gering an Zahl und geschwächt von der Last des Unglücks und des Kummers. (40) Er schüttete Verachtung aus auf die Fürsten und ließ sie irren in der Wüste, wo kein Weg ist; (41) aber die Armen schützte er vor Elend und mehrte ihr Geschlecht wie eine Herde. (42) Das werden die Frommen sehen und sich freuen, und aller Bosheit wird das Maul gestopft werden.

Vieles von dem, was Gott an diesem Volk tut will ist natürlich noch nicht sichtbar geworden. Aber es wird sich das Wort des Herrn erfüllen am Ende wird es sichtbar werden. Dann aber wird man sehen, dass Gott ein Gott der Armen ist und nicht der starken Fürsten. Die Armen werden das Land besitzen und die an Zahl geringen und scheinbar machtlosen. Die großen Weltmächte aber werden gestürzt werden und vergehen. Und die Frommen, oder die Gläubigen, könnte man auch sagen, werden sich darüber freuen, weil das Gerechtigkeit bedeutet. Hier schließt sich der Kreis, denn dazu hat Gott dieses Volk berufen, dass es eines Tages die Gerechtigkeit Gottes auf Erden zur Geltung bringen solle und der Bosheit der Mund gestopft wird. Es wird eine Gerechtigkeit sein, die auf dem basiert, was Jesus gebracht hat. Die Gerechtigkeit ist in unseren Herzen, wenn wir Jesus nachfolgen, aber sie ist nicht zu finden in den Ländern und politischen Systemen unserer Welt. Das fehlt noch und das wird Gott noch offenbaren. Das Werkzeug dazu wird Israel sein, so wie es von Anfang an bestimmt war.

Viel haben Israel abgeschrieben. Die Tendenz der christlichen Denominationen, sich selbst in der Nachfolge dieses Volkes zu sehen, ist unübersehbar. Dabei haben viele Theologen immer wieder die endgültige Errettung Israels angezweifelt. Doch wie wir gesehen habe, besteht dazu kein Anlass. Das prophetische Wort ist deutlich genug.

Und es ist auch verstandesmäßig leicht erfassbar: wenn Israel nicht gerettet ist, dann sind wir auch nicht gerettet, denn dann ist der Bund mit Abraham ein Bund der wirkungslos ist, weil auch er ein Bund der Übertretung wäre, wie das der Gesetzesbund war, und dann gilt auch nicht die Verheißung an Abraham, die da lautet: »in dir sollen gesegnet sein alle Geschlechter der Erde.« (1. Mo 12:3)

Wenn Israel das Gesetz übertreten hatte, dann musste es auch die Konsequenzen tragen, aber den Bund mit Abraham konnte es nicht übertreten, solange es an den Gott Abrahams glaubte, »denn Abraham glaubte und das wurde ihm gerechnet zur Gerechtigkeit« (1. Mo 15:6), warum sollte das bei seinen späten Nachkommen anders sein? Wenn außer dem Glauben noch etwas nötig gewesen wäre, um die Verheißung zu erlangen, dann wären auch wir unter dieser Verpflichtung, denn »Abraham ist der Vater aller Gläubigen« (Rö 4:11), nicht nur der Juden. Dann hätten wir aber auch keine Chance gerettet zu werden, denn das Zeitalter der Gemeinde wäre objektiv betrachtet nicht anders gewesen als das des Gesetzes.

Israel hat das Gericht erlebt, das ihm bei Abschluss des Gesetzesbundes bei Moses vorausgesagt worden war, wenn sie es nicht halten würden. Aber das hat die Verheißung durch Abraham nicht aufgehoben. Gott hat das Volk in seinem Elend geleitet, durch alle Jahrhunderte hindurch. Er wird es auch weiter leiten und schließlich retten, wenn es am Ende seiner langen Wüstenwanderung angekommen ist. Geografisch gesehen scheint das schon der Fall zu sein, aber es ist noch nicht vollendet und geistlich gesehen ist das Volk immer noch in der Wüste.

Was aber ist mit den Nationen? Werden diese kein Gericht zu befürchten haben? Doch, sie werden, denn die Nationen, allen voran die sogenannten christlichen, haben ein Heil missachtet, das viel größer gewesen war, als das, welches Israel zur Zeit des alten Testamentes je gesehen hat. Die Gläubigen des Neuen Testamentes werden in Christus gerettet werden, aber den Ungläubigen, die das Wort Gottes verworfen haben, bleibt keine zweite Chance. Sie gehen nicht verloren, weil sie ein Gesetz übertreten haben, es gab ja keines. Sie gehen verloren, weil sie das ablehnten, was der Geist Gottes an ihnen getan hätte, wenn sie Christus wirklich nachgefolgt wären. Auch wenn sie sich Christen nannten, waren sie weit davon entfernt, Christus nach zu folgen und zu leben, wie er gelebt hat, in Gerechtigkeit und Gewaltverzicht. Sie haben ihn zu einer Kultfigur nach ihrem jeweiligen Geschmack gemacht. Sie haben seine Identität tausendmal gefälscht und entstellt. Die Heiden haben die Götzen abgeschafft, aber dann das Bild des lebendigen Gottes, das uns in Jesus gegeben war, den alten Götzenbildern gleich gemacht, gerade so, wie es ihnen beliebte, um weiterhin ihren Ungerechtigkeiten nachgehen zu können. Das war und ist die Sünde der Nationen bis auf den heutigen Tag, die in jeder christlichen Denomination mehr oder weniger sichtbar wird. Auch wenn verschiedene Denominationen davon träumen, in die Nachfolge Israels zu treten und die Gerechtigkeit Gottes sichtbar werden zu lassen, es bleibt ein Traum, der durch kein prophetisches Wort der Schrift legitimiert ist.

Die Zeit der Nationen, oder der Heiden, wie die Bibel sagt, ist auch die Zeit der Gnade, aber dies wird den Völkern das Gericht nicht ersparen. Denn wir wissen durch die Propheten, dass es auch über die Nationen ein kurzes, aber schreckliches Gericht geben wird, dass nur ganz wenige überleben werden. Das wird aber zeitlich zusammenfallen mit der Wiederannahme Israels und der Neuerrichtung der Stadt Gottes, Jerusalem, wo der Tempel wieder stehen wird und Jesus regieren wird, als Messiaskönig und Christen wie Juden, ihn an diesem Ort anbeten werden.

Schenke Gott uns, dass wir diese Tage sehen werden, denn sie bedeuten unsere Errettung. Wieviel wir vom Gericht miterleben müssen, liegt nicht in unserer Hand, aber vergessen wir nicht: Gott ist ein Gott, dem man danken wird:
… alle jene, die er aus großer Not erlöst hat.
Amen!

 

 

* 1. Buch Gelobt sei der Herr der Gott Israels, von nun an bis in Ewigkeit! Amen, amen. (Psalm 41:14) 2. Buch Gelobet sei Gott der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder tut; und gelobet sei sein herrlicher Name ewiglich; und alle Lande müssen seiner Ehre voll werden! Amen, amen. (Ein Ende haben die Gebete Davids, des Sohnes Isais) (Psalm 72:19) 3. Buch Gelobt sei der Herr ewiglich! Amen! Amen! (Psalm 89:53 ) 4. Buch Gelobt sei der Herr der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit, und alles Volk spreche: Amen, Halleluja! (Psalm 106:48) 5. Buch Alles was Odem hat, lobe den Herrn! (Psalm 150:6)