Die Bekehrung des Petrus

Krankheit und Leid ist eine allgemeine menschliche Erfahrung. Wenn der normale Alltag, länger als zwei Tage mit Schmerzen behaftet ist und sich kein Ende abzeichnen will, dann kommt natürlich die Frage auf, ob das wirklich so sein muss? Wer hat das nicht schon mal erlebt, selbst wenn es sich dabei um eine harmlose Erkältung handelte. Ich habe nach vielen Glaubensjahrzehnten doch immerhin gelernt, solche Dinge relativ gelassen aus Gottes Hand zu nehmen. Ich weiß noch genau, dass das am Anfang nicht so war.

 

1. Petr. 4:1-2
(1) Weil nun Christus im Fleisch gelitten hat, so wappnet euch auch mit demselben Sinn; denn wer im Fleisch gelitten hat, der hat auch aufgehört mit der Sünde, (2) dass er hinfort die noch übrige Zeit im Fleisch nicht den Begierden der Menschen, sondern dem Willen Gottes lebe.

Eigentlich bin ich von Natur aus ein sehr wehleidiger Mensch und früher bin ich oft anklagend vor Gott gestanden, wenn ich körperlich nicht so fit war, wie ich das sein wollte oder mir irgendetwas widerfuhr, was man in die Kategorie Schmerzen einreihen konnte. Doch über die Jahre habe ich gelernt, das Christus zwar für mich gelitten hat, aber dass das nicht heißt, dass ich nun kein Leid mehr in diesem Leben zu ertragen hätte.

Es heißt in Jesaja 53:5: »Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten. Und durch seine Wunden sind wir geheilt.« Ja, das ist so, das Leid muss uns nicht mehr den Frieden nehmen, den wir in Gott haben, wenn wir es aus seiner Hand annehmen. Weder das eigene Leid, noch das Leid anderer kann uns zur Verzweiflung treiben, denn wir haben Frieden mit Gott im Geist, und das ist es worauf es ankommt.

Aber nirgends steht geschrieben, dass wir nichts mehr zu erleiden hätten in dieser Welt. Auch wenn Christus viele Menschen geheilt hat – und auch die Apostel haben es getan – so war es doch nicht das Ziel, dass alle Menschen die Jesus nachfolgen, zukünftig von aller Krankheit verschont bleiben sollten. Die Heilung durch seine Wunden ist vielmehr geistlich zu verstehen. Der Friede mit Gott, bewahrt unsere Herzen und Sinne, wie Paulus in Phil. 4:7 geschrieben hat, nicht aber unser Fleisch. Der Friede mit Gott ist das was uns garantiert ist. Die Heilung von Krankheiten und Leiden ist uns nicht garantiert, denn das Fleisch, unser natürliches, irdisches, körperliches Leben ist nach wie vor den Gesetzen von Tod und Verfall preisgegeben. Daran ändert sich auch nichts, wenn Gott in seiner Souveränität vielleicht auch heute noch gelegentlich einmal ein Wunder geschehen lässt und ein Mensch auch körperlich Heilung erfahren darf. Das kann schon einmal passieren, aber wir können vom Evangelium her keinen Anspruch darauf ableiten und es ist wichtig, das wir das erkennen.

Ich möchte an dieser Stelle ein Zeugnis anfügen, wie es mir einmal ergangen ist. Ich mache das ja nicht sehr oft in meinen Predigten, dass ich von mir spreche. Aber beim Thema Leid ist es fast notwendig. Denn wie will man vom Leid sprechen, wenn man es nicht selber erfahren hat. Der Leidende fühlt sich meistens einsam und denkt nicht daran, dass es viele gibt, die leiden. Ja eigentlich gibt es keinen Menschen der nicht irgendwann irgendwie leiden muss. Nicht jeder hat das gleiche Leid und der Schmerz tritt in sehr vielfältigen Erscheinungsformen auf. Die Frage wie gerecht das Leiden verteilt ist, ob Krankheit mehr zählt als Verfolgung oder sonst etwas anderes, ist dabei ziemlich müßig. Viel wichtiger ist die Frage nach unserer grundsätzlichen Einstellung zum Leiden. Und dazu hatte ich einmal ein Schlüsselerlebnis.

Es war während meiner Bibelschulzeit im Praktikum, in der Schweiz. Wir waren damals ca. 40 bis 50 Jugendliche, die sich in einem alten unbenutzten Hotel niedergelassen hatten und in Teams eingeteilt waren, um in der Gegend von St. Gallen von Haus zu Haus zu gehen und das Evangelium weiter zu sagen. Das war das Programm für einen ganzen Sommer lang.

Wir hatten gute Gemeinschaft, aber wie das so ist, wenn man einige Zeit auf engem Raum zusammenlebt, gab es auch Spannungen. Und so war es kurz vor einem Tageseinsatz, bei dem ich eine Gruppe leiten sollte, dass es zwischen mir und einem anderen Teammitglied, aus einer anderen Gruppe, zu einem Streit kam. Ich weiß gar nicht mehr um was es ging, aber ich weiß noch, dass ich ziemlich blöd angemacht wurde und ich mich in der Sache überhaupt nicht schuldig fühlte. Ich ließ mich eigentlich gar nicht richtig darauf ein und in zwei bis drei Minuten war alles wieder vorbei, weil ich mich einfach zurückzog. Dennoch blieb in mir der Ärger und das eine dreiviertel Stunde vor dem Einsatz, für den ich mich nun überhaupt nicht mehr vorbereitet fühlte. Wie konnte ich mit solchen Gefühlen in die Häuser gehen und das Evangelium verkündigen? Ich nutzte also die Zeit und zog mich zum Gebet zurück, an einen stillen Ort, in einen nahen Wald. Dort rang ich danach dem anderen wirklich innerlich zu vergeben. Nach einer halben Stunde war es soweit, dass ich Frieden über die Sache hatte, ja ich war sogar richtig fröhlich geworden. Ich ging zu meinem Team und wir fuhren mit einem alten VW Käfer in den Einsatz. Wir waren alle gut gelaunt und wenn ich mich recht erinnere, haben wir sogar gesungen.

Doch plötzlich in einer Waldlichtung wurde ich von der Sonne geblendet, während wir auf eine starke Rechtskurve zufuhren, die ich nicht sah. Ich versuchte noch einzuschlagen, aber wir waren bereits von der Straße abgekommen, hatten einen kleineren Baum gefällt und blieben an einem zweiten, stärkeren Baum hängen, der gerade noch verhinderte dass wir eine steile Böschung in einen Bach hinabstürzten. Es sah ziemlich schlimm aus. Da die Rückenlehnen des alten Käfers nicht befestigt waren, wurden meine Frau und ich von den hinten Sitzenden nach vorne gegen die Windschutzscheibe geschleudert, die in tausend Splitter zerbrach. Ich blickte auf auf den Beifahrersitz und sah, dass meine Frau bewußtlos war. In meiner Panik kletterte ich, mit zwei gebrochenen Händen aber infolge des Schocks noch völlig schmerzfrei, aus dem Fenster des Unfallautos und stieg die Böschung hinauf um Hilfe zu holen. Ein Bauer, der den Knall gehört hatte, kam schon daher gelaufen. Er überredete mich, mich in die Wiese zu legen, er würde sich um alles kümmern und bald darauf kam auch die Rettung und wir wurden ins Krankenhaus gebracht. Meine Frau und ich lagen nebeneinander in einem Zimmer in der Intensivstation, die beiden anderen Teammitglieder denen wir als Airbag-Ersatz gedient hatten, wurden gleich wieder entlassen.

Warum erzähle ich euch diese Geschichte, weil das besondere an diesem Tag war, dass ich das erste mal erlebte, wie man sehr starke Schmerzen haben kann und innerlich dennoch den Frieden mit Gott nicht verliert. Ich weiß, dass es mir nicht so gegangen wäre, wenn ich nicht zuvor den Groll in meinem Herzen überwunden hätte. Der Friede, den ich mir im Gebet errang, war bei mir geblieben, obwohl ich bei einigen besonders schmerzhaften Behandlungen lautes Schreien nicht unterdrücken konnte. Ich möchte diese Erfahrung in meinem Leben nicht vermissen, hätte Gott mich auf wunderbare Art und Weise geheilt, es wäre mir um nichts wertvoller gewesen, als zu erleben, dass er mir Herz und Seele bewahren kann auch wenn mein Fleisch leidet.

Ist Leid Strafe für unsere Sünde?

Aber Leid zu vermeiden und zwar körperliches Leid, ist ja eine sehr natürliche Angelegenheit. Es ist ganz normal, dass wir nicht leiden wollen und selbstverständlich hat mich dieses Erlebnis auch nicht zu einem Menschen gemacht, der das Leid sucht oder liebt. Aber wenn ich den Eindruck habe, dass es jetzt so sein muss und Gott es mir zugedacht hat, dann will ich mich dagegen nicht mehr auflehnen, denn er weiß was er tut.

Das Problem ist, dass unser erster Gedanke immer ist, dass wir leiden müssen, weil Gott uns für etwas bestrafen will. Wir haben das tief in uns, dass Leid eine Folge von Sünde ist. Und normalerweise ist das auch richtig, auf Ungehorsam folgt Leid, das wissen wir schon seit Kindesbeinen an. Wenn wir nicht machen, was von uns erwartet wird, dann gibt es Sanktionen, ganz gleich wie diese ausfallen, auf jeden Fall bedeuten sie Leid.

Und so meinen wir im Glaubensleben wäre das auch so. Doch da irren wir uns. Haben wir denn nicht eben gelesen, dass die Strafe auf ihm liegt, damit wir Frieden haben? Paulus hat das noch so ausgedrückt: »So gibt es denn keine Verdammnis, für die, die in Christus Jesus sind« (Rö. 8:1) Leid hat also für eine Christen nichts mit Strafe zu tun. Unser Text, den wir am Anfang gelesen haben, ist von Petrus geschrieben worden und er weist uns einen anderen Weg. Wohl hat auch hier Leid etwas mit Sünde zu tun, aber das Ziel ist nicht die Bestrafung vergangener Sünde, das hat Jesus schon erledigt, am Kreuz von Golgatha, sondern worum es geht ist die Vermeidung zukünftiger Sünde: »wer am Fleisch gelitten hat, der hat aufgehört mit der Sünde.«

Ich muss sagen, dass sich mir der Sinn dieser Worte nicht gleich erschlossen hat. Was meint denn Petrus hier? »Weil nun Christus im Fleisch gelitten hat, so wappnet euch auch mit demselben Sinn;«? Ist das nicht doch Askese? Sollen wir auch leiden wie Christus, damit wir aufhören zu sündigen? Wir wissen, dass im Mittelalter dieser Weg oft beschritten wurde, indem sich die Mönche mit Selbstgeißelungen und langem Fasten quälten. Aber das war nicht der Weg. Wie also sollen wir das verstehen? Nun müssen wir dazu wissen, dass es hier nicht um irgendein Leid geht, sondern dass Petrus hier von der Verfolgung der Christen spricht. In V 14 sagt er im gleichen Bibelabschnitt: »Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht werdet um des Namens Christi willen, denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruht auf euch.«

Wir müssen also vom Kontext her vor allem an diese Art des Leidens denken. Denn Christus hat ja auch nicht gelitten, indem er einfach krank wurde, oder einen Unfall hatte, sondern weil er um der Warheiten willen, die er verkündigt hatte, gefangen genommen und getötet wurde. Und das ist nun das Anliegen des Petrus, nämlich zu sagen, dass Verfolgung und Leid zur Jüngerschaft dazu gehören.

Petrus im Markusevangelium - kein Freund des Leidens

Aber die Sache hat noch eine andere Dimension das ist mir durch die Evangelien bewußt geworden. Vor allem durch eine Stelle, wo Jesus das erste mal von seinem bevorstehenden Leiden sprach: die erste Leidensankündigung! Ihr wißt ja, dass Jesus insgesamt dreimal deutlich zu den Jüngern gesprochen hat, dass er nach Jerusalem gehen werde und dort wird man ihn töten. Wie reagierte da Petrus darauf, als Jesus das erste mal davon sprach? Es heißt, er nahm Jesus beiseite und begann ihm zu wehren. Er wollte ihm das ausreden: »Herr Jesus, das ist doch verrückt, wenn du doch eh schon weißt, was dich in Jerusalem erwartet, warum willst du dann dort hin gehen?« So ähnlich wird das Petrus damals ausgedrückt haben. Und was antwortete Jesus ihm darauf? »Geh weg von mir Satan, denn Du meinst nicht was göttlich ist, sondern was menschlich ist.« (Mark. 8:33)

Wie ganz anders klingt das doch nun hier im ersten Petrusbrief! Was war geschehen, was hatte Petrus so verändert? Es lag in der Gesinnung Jesu, dem Leiden nicht aus dem Weg zu gehen. Das konnte Petrus damals nicht verstehen, doch nun fordert uns der gleiche Petrus auf, uns mit demselben Sinn zu wappnen und dem Leiden nicht aus dem Weg zu gehen. Was Petrus in der Nachfolge Jesu erlebte war offensichtlich ein gewaltiger Sinneswandel. Er war von einem der das Leiden vermeiden wollte zu einem geworden, der ihm nicht mehr aus dem Weg ging.

Nicht dass Petrus damals kein Kämpfer gewesen wäre. Als Jesus kurz vor seiner Gefangennahme gesagt hatte: (Matth. 26:31) »… In dieser Nacht werdet ihr alle Ärgernis nehmen an mir. …« Da war er es, der behauptete: (Matth. 26:33-34) »Wenn sie auch alle Ärgernis nehmen, so will ich doch niemals Ärgernis nehmen an dir. … Und wenn ich mit dir sterben müsste, will ich dich nicht verleugnen.«
Und damals sagte Jesus zu ihm: (Luk 22:31-32) »Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.« Wie bitte? Petrus war damals noch gar nicht bekehrt? Aber er folgte doch Jesus schon drei Jahre lang nach?

Es ist eine der spannendsten Geschichten im neuen Testament, die Veränderung in der Persönlichkeit des Petrus zu verfolgen. Das war keine Angelegenheit von einem Tag. Wir erinnern uns, wie er in Markus Kap. 8 eben noch von Jeus gelobt wurde, als er bekannte: »Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.« (Matth. 16:16)
Da sagte Jesus zu ihm: »Selig bist du Simon, Jonas Sohn; den Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.« (Matth. 16:16) Aber sofort in der nächsten Geschichte haben wir das Ereignis, wo Petrus Jesus wehrt nach Jerusalem zu gehen und von ihm mit den brüsken Worten abgewiesen wird: »Geh weg von mir, Satan! denn du meinst nicht was göttlich ist, sondern was menschlich ist.« (Mark. 8:33)

Das hat mich alles sehr gewundert. Da ist einer der Jesus nachfolgen will, aber wie nahe ist ihm doch beides, das Göttliche und das Menschliche. Und noch etwas. Jesus setzt das Menschliche mit dem gleich, was von Satan kommt. Ist das nicht bemerkenswert und sollte es uns nicht dazu reizen, unser Verhalten und unsere Motive zu überdenken? Nicht dass wir der Meinung sind uns in der Nachfolge Jesu zu befinden, ist das Entscheidende. Dieser Meinung war auch Petrus damals. Entscheidend ist, dass wir uns tatsächlich in der Nachfolge befinden; und Petrus, trotz seiner großen Erkenntnis, dass Jesus Gottes Sohn ist, befand sich nicht immer in den Fußstapfen seines Herrn. Sicher, er ging mit ihm überall hin. Aber wie es wirklich in ihm aussah, das wusste niemand, nicht einmal er selbst. Doch er sollte es bald erfahren.

Jesus und das Leid, das ist eine Geschichte. Er kam um für unsere Sünden zu sterben. Niemand anderer hätte das gekonnt und er tat es freiwillig, er gab sich hin für uns. Doch Petrus und das Leid, das ist eine ganz andere Geschichte. Wie ging die weiter?

Als Jesus gefangen genommen wurde, da war es Petrus, der tatsächlich sofort bereit war zu kämpfen. Johannes verrät uns in seinem Evangelium, dass es Petrus war, der das Schwert zog und einem der Knechte der Hohepriester ein Ohr abschlug, das Jesus dann wieder heilte. Und es hat doch Bedeutung, dass gerade er es war, und es ist gut das wir das von Johannes erfahren haben. Denn so können wir uns besser vorstellen, wie es ihm ergangen sein mag: Da kommen die Schergen um ihn gefangen zu nehmen und Petrus reagiert zunächst sehr normal und so wie er es auch angekündigt hat. Er will für seinen Herrn kämpfen. Er will nicht einfach so kapitulieren und denkt wahrscheinlich, jetzt soll sich die Sache entscheiden. Doch dann muss er feststellen, dass Jesus gar nicht daran denkt sich zu verteidigen, sondern dass er sich freiwillig in die Gefangenschaft begibt, ins Leid und, wie er angekündigt hat, in den sicheren Tod. Erst jetzt dürfte Petrus bewusst geworden sein, dass alles das was Jesus da gesagt hatte, keine bloßen Worte waren, die einer vorrübergehenden Depression entsprungen waren, sondern das es ernst war und er es tatsächlich so gemeint hatte.

Mit einem Schlag stellte sich für ihn die Sache ganz anders dar. Er war nun gefordert mitzugehen, mitzuleiden, ja mitzusterben, ohne heroische Gegenwehr, nicht wie ein Held, sondern wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird. Dazu war er nicht bereit, wie die Verleugnungsszene dann ja auch sehr eindrucksvoll beleuchtet. Dreimal wehrte er sich dagegen, noch mit Jesus in Verbindung gebracht zu werden, während man diesen verhörte und folterte. Hier mitzugehen, das stand Petrus nicht im Sinne, trotz aller große Töne, die er vorher gespuckt hatte. Machesmal scheint es leicht, Jesus nachzufolgen und oft wissen wir selber gar nicht so richtig, ob wir es auch machen. Aber wenn wir leiden, dann wird mit einem mal deutlich, ob wir ihm wirklich nachfolgen. Unsere Bereitschaft zu leiden, und zwar so, wie Gott es uns zugedacht hat, nicht wie wir es uns in unseren Heldenphantasien ausmalen, das offenbart dann, wie bereit wir wirklich sind.

Ein Sportler leidet auch. Es gibt keinen Leistungssport, der ohne Leiden zum Erfolg führt. Viele machen das für Geld. Doch es gibt auch viele, vielleicht sogar noch mehr, die machen das nicht für Geld, sondern für Ehre. Als Helden dazustehen, als jemand, der so vieles auf sich nimmt, für eine großartige, herausragende Leistung – einen Weltrekord etwa – das ist doch schon was. Das war die Art von Leiden, zu der das natürliche Kämpferherz des Petrus auch bereit war. Doch Gott wollte es anders. Nicht als Held, sondern als der Allerverachtetste starb Jesus. Das wollte Petrus nicht, hier versagte er.

Und doch ist das Versagen des Petrus zugleich auch seine eigentliche Bekehrung, wie ihm Jesus das vorrausgesagt hatte. Denn er hatte schon verstanden. Als der Hahn krähte, ging er hinaus und brach in Tränen aus. Tränen der Buße und der Reue. Und als Jesus ihm dann wieder begegnete, da war er von einem, der das Leid vermeiden wollte, zu einem geworden, der es durchlebt hatte und fortan behaupten konnte: »Wer am Fleisch leidet, hört auf zu sündigen, dass er hinfort die noch übrige Zeit im Fleisch nicht den Begierden der Menschen, sondern dem Willen Gottes lebe.«

Das ist das Ziel. Wir sollen leben nach dem Willen Gottes und das ist oft gar nicht so einfach. Zu tief steckt in uns drin: das heidnische Bewusstsein, die Begierde nach Reichtum, Macht und stolzer Eitelkeit. Denken wir, dass wir es nicht notwendig haben, dieses Ziel durch Leiden zu erreichen? Der Hebräerbrief sagt da etwas anderes: »Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt JEDEN Sohn, den er annimmt.« (Hebr. 12:6) Darf er das nicht? Wenn sein Ziel nicht anders zu erreichen ist, dann darf er das bei mir. Das ist meine Einstellung heute. Wenn ich niemals in meinem Leben das Leid erfahren müsste, dann hätte ich nach dieser Aussage mehr Grund an der Liebe Gottes zu zweifeln. Das ist ja auch in der Erziehung so. Das Thema ist nicht, ob körperliche Züchtigung statthaft ist oder nicht. Das Thema ist vielmehr Erziehung an sich. Wenn Eltern ihre Kinder lieben, dann erziehen sie diese und dann lernen die Kinder die Eltern zwangsweise auch von einer wenig erfreulichen, schmerzhaften Seite kennen, das ist doch ganz klar. Wenn die Kinder den Eltern aber egal sind, dann werden sie von ihnen nicht erzogen, dann müssen sie sich nur davor in Acht nehmen, das sie ihnen und ihren Interessen nicht in die Quere kommen, denn dann setzt‘s was. In diesem Bereich der Nichterziehung, gibt es viel mehr körperliche Gewalt, als bei einer normalen Erziehung. Das Schlagen der Kinder im Zorn ist absolut kein erzieherisches Mittel und es wird vor allem von denen angewendet, die sich die Mühe der Erziehung gar nicht machen wollen.

Gott aber schlägt uns nicht im Zorn, sondern weil er sein Ziel mit uns erreichen möchte und das wollen wir ja auch, wenn wir Christus wirklich nachfolgen. Einer der Klitschko Brüder bereitet sich gerade wieder auf einen Boxkampf vor. Im Interview erzählte er, die Klitschko Brüder sind ja bekannt für ihre Gesprächigkeit, dass sein Trainer ihm eine große Anzahl von Liegestützen täglich verordnet hat. Das mochte er gar nicht. Lieber würde er noch 2 Stunden länger auf einen Punchingball einschlagen als Liegestützen zu machen. Aber tat es, weil sein Trainer ihm versprochen hat, ihn ans Ziel zu bringen und das ist der Sieg beim nächsten Boxkampf.

Wie aber kann dieses Leid bei uns aussehen? Diese Frage wollen wir zum Schluss noch klären. Wir haben gesagt, dass in unserem Text Petrus vor allem das Leid durch die damals einsetzende Christenverfolgung gemeint hat. Er hat ja mit seinem Brief an die Gemeinde in eine ganz bestimmte Situation hineingesprochen und das war damals aktuell. So hat er hier auch die Gleichartigkeit dieses Leidens mit dem Leiden Jesu angesprochen, denn Jesus wurde ja auch verfolgt. Doch nicht jede Generation erlebt eine Christenverfolgung und auch damals war diese nicht an jedem Ort gleich intensiv. Doch Leid gibt es in den vielfältigsten Formen auch sonst, was ist damit? Wenn jemand vorzeitig einen lieben Verwandten verliert, Kind oder Ehegatte vielleicht. Oder wenn jemand krank wird und lange nicht, oder überhaupt nicht mehr gesund wird?

Ich denke, dass Leid Leid ist und es für Gott keine Rolle spielt, wie es entsteht. Leid allgemein gesehen ist immer eine Folge der Existenz der Sünde. Aber eine Zuordnung, welches Leid durch welche Sünde verursacht wurde, das ist uns nicht möglich. Wenn wir das versuchen würden, müssten wir scheitern wie die Freunde Hiobs gescheitert sind. Sie haben den Gerechten für Schuldig erklärt und sind selbst schuldig geworden. Leiden ist etwas Intimes, es geht eigentlich nur mich und Gott etwas an und vielleicht noch meinen Seelsorger, wenn ich ihn brauche. In der Geschichte ging es nur um Petrus und Jesus und kein anderer Jünger war irgendwie daran beteiligt. Es war die Bekehrungsgeschichte des Petrus und nicht die des Johannes.

Viele Menschen, wahrscheinlich die meisten kommen durch irgendwelches persönliches Leid zu Jesus und bekehren sich. Wenn einer Drogen genommen hat und süchtig geworden ist, so wie das bei mir der Fall war, braucht man nicht zu spekulieren, es ist offensichtlich, dass sein Leid auch mit seiner Sünde im Zusammenhang steht. Doch meist ist das nicht so offensichtlich und dennoch bekennen Menschen, dass Gott sie durch ihr Leid dazu gebracht hat, sich zu bekehren. Sie haben der Welt und der Sünde den Rücken gekehrt und wollen nun nach dem Willen Gottes leben.

Aber nicht jedes Leid ist hat seine direkte Ursache in Sünde. Gott handelt durchaus auch Präventiv, wie uns Paulus wissen lässt. Im zweiten Korintherbrief schreibt Paulus von seinen besonderen Erfahrungen die er mit Gott gemacht hat und dass diese eine Quelle sehr hoher Offenbarung waren. Das war nichts alltägliches, sondern es handelte sich um die ganz spezielle Berufung des Apostel Paulus. Er schreibt dazu:
(2. Kor. 12:7-9) (7) Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. (8) Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. (9) Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. …

Also: Paulus hatte nicht gesündigt und musste dennoch Leid ertragen, nämlich damit er nicht sündigt, damit er nicht überheblich wird gegenüber den anderen, die diese Offenbarungen nicht bekommen haben, deshalb hat ihm Gott das Leid zugedacht. Was war das für ein Leid? Ganz sicher stand Paulus nicht unter einer dämonischen Belastung. Er verwendet in antiker anschaulicher Manier nur zwei Bilder, die wahrscheinlich für irgendeine ganz gewöhnliche Krankheit stehen mit der sich Paulus abfinden musste: Der Pfahl im Fleisch sagt uns, dass es sich um eine körperliche Belastung handelt, also eine Krankheit, und der Engel des Satans, der ihn mit Fäusten schlägt, bezeichnet die Intensität der Krankheit, also es war mehr als nur ein Wehwehchen. Paulus fühlte sich, wenn das Leiden akut war, eben wie von einem Dämonen mit Fäusten geschlagen. Manche meinen es könnte ein Augenleiden gewesen sein, da er einmal an die Galater geschrieben hatte: »wenn es möglich gewesen wäre, hättet ihr eure Augen ausgerissen und mir gegeben.« (Gal. 4:15) Ich bin kein Mediziner und kann daher nicht sagen, ob ein Augenleiden so intensiv sein kann, dass man sich wie mit Fäusten geschlagen fühlt. Aber vielleicht waren es ja starke Kopfschmerzen die damit verbunden waren, so eine Art Migräne. Jedenfalls wusste Paulus warum er litt. Es war, damit er nicht sündigte und damit er in seinem Wirken nur auf Gottes Kraft und nicht auf die eigene vertrauen sollte. Dieses Wissen genügte Paulus um sein Leiden anzunehmen.

Ich glaube, dass wir ähnlich wie Paulus, im Allgemeinen wissen, warum wir leiden, wenn wir es annehmen, auch wenn wir keine so hohen Offenbarungen haben. Wenn wir mit Gott im Gespräch sind – wenn wir zu ihm beten und auch bereit sind, auf ihn zu hören, seinen Willen zu erfahren und zu tun – dann gibt es keinen Grund, warum er nicht jeden von uns in irgendeiner Art und Weise eine Antwort geben sollte, die uns erlaubt den inneren Frieden zu haben, trotz des Leidens.

Hüten wir uns jedenfalls davor, das Leiden anderer zu beurteilen. Wenn irgendwo dieses Wort gilt, dass wir nicht urteilen sollen, dann gilt das im Bezug auf das was ein anderer erleidet. Das Leid des anderen fordert unser Mitgefühl und unseren Trost, nicht unsere kluge Meinung dazu. Wie dieser dann sein Leid verarbeitet und mit Gott darüber ins Reine kommt, das ist allein seine und Gottes Sache.

Meine Sache ist es, die Gesinnung zu haben, von der Petrus gesprochen hat. Die Gesinnung, das Leid, das Gott mir zugedacht hat, mein Kreuz, zu tragen, ohne zu murren und zu verzagen, in dem Bewußtsein, dass Gott weiß was er tut. Kinder verstehen ihre Eltern nicht immer, aber wenn sie dennoch Gehorsam sind, werden sie die Früchte der Erziehung auch genießen. Möge uns Gott diesen Gehorsam schenken.
Amen!