Die drei verschlossenen Herzenstüren (Joh. 4:5-42)

Jeder von uns ist sicher schon einmal vor einer verschlossenen Türe gestanden und konnte nicht hinein, weil er keinen Schlüssel hatte. Stell dir nun vor, du stehst vor einer Türe mit einem Schlüssel und als du aufschließt, geht die Türe trotzdem nicht auf. Du entdeckst dann ein weiteres Schloß und noch ein drittes. Es nützt dir gar nichts, daß du einen Schlüssel hast, was du brauchen würdest, wären drei Schlüssel. Es wird wohl nicht viele Türen geben, die durch ein dreifaches Schloss gesichert sind, aber wir wollen uns heute mit einem Bibeltext beschäftigen, in dem es um so eine Türe geht. Wir werden die Begegnung Jesu mit einer Frau erleben, deren Herz auf eine dreifache Weise verschlossen zu sein scheint.

Vielleicht hast du auch schon so eine Begegnung gehabt. Du wolltest mit einem Menschen in Kontakt kommen, aber da war keine Offenheit, sondern Misstrauen und Distanz. Es ist oft gar nicht so einfach, den Schlüssel zu finden, mit dem man diese Distanz überwinden kann. 

Lesen wir also den Text aus Joh. 4. 5-42:

5 Da kommt er in eine Stadt Samarias, genannt Sichar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Joseph gab. 6 Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich so an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. 7 Da kommt eine Frau aus Samaria, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! 8 Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Speise zu kaufen.

9 Nun spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie erbittest du als ein Jude von mir etwas zu trinken, da ich doch eine samaritische Frau bin? (Denn die Juden haben keinen Umgang mit den Samaritern. 10 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du die Gabe Gottes erkennen würdest und wer der ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken!, so würdest du ihn bitten, und er gäbe dir lebendiges Wasser. 11 Die Frau spricht zu ihm: Herr, du hast ja keinen Eimer, und der Brunnen ist tief; woher hast du denn das lebendige Wasser? 12 Bist du größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, samt seinen Söhnen und seinem Vieh? 13 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Jeden, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder dürsten. 14 Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle von Wasser werden, das bis ins ewige Leben quillt. 15 Die Frau spricht zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht dürste und nicht hierher kommen muss, um zu schöpfen! 16 Jesus spricht zu ihr: Geh hin, rufe deinen Mann und komm her! 

17 Die Frau antwortete und sprach: Ich habe keinen Mann! Jesus spricht zu ihr: Du hast recht gesagt: Ich habe keinen Mann! 18 Denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Da hast du die Wahrheit gesprochen! 19 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist! 20 Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet,2 und ihr sagt, in Jerusalem sei der Ort, wo man anbeten soll. 21 Jesus spricht zu ihr: Frau, glaube mir, es kommt die Stunde, wo ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. 22 Ihr betet an, was ihr nicht kennt; wir beten an, was wir kennen, denn das Heil kommt aus den Juden. 23 Aber die Stunde kommt und ist schon da, wo die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten werden; denn der Vater sucht solche Anbeter. 24 Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.

25 Die Frau spricht zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, welcher Christus genannt wird; wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. 26 Jesus spricht zu ihr: Ich bin’s, der mit dir redet! 27 Unterdessen kamen seine Jünger und verwunderten sich, dass er mit einer Frau redete.3 Doch sagte keiner: Was willst du? oder: Was redest du mit ihr? 28 Nun ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen und lief in die Stadt und sprach zu den Leuten: 29 Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe! Ob dieser nicht der Christus ist? 30 Da gingen sie aus der Stadt hinaus und kamen zu ihm. 


Jesus scheint es bei der Sameriterin gelungen zu sein eine dreifach verschlossene Herzenstüre zu öffnen. Und weil es eben Jesus war und nicht irgendwer, der der Frau begegnet ist, hat diese Begegnung das ganze Leben der Frau verändert. Und nicht nur ihres, sondern das eines ganzen samaritischen Dorfes. Die Frau wurde sozusagen selbst zur Schlüsselfigur über die Jesus einen Zugang zu allen Bewohnern der Siedlung erhielt. Da Jesus in diesem Zusammenhang zu seinen Jüngern auch von der Ernte spricht, kann dieses Vorgehen sicher auch als Lehrstück für Missions und Evangelisationsarbeit gesehen werden. Die Regel die man ableiten könnte lautet: finde den Schlüssel zum Herzen eines Menschen und zeige ihm Jesus und dann finde durch diesen Menschen einen Zugang zu einer ganzen Gruppe von Menschen. Diese Strategie wurde in der christlichen Mission immer wieder erfolgreich angewendet.

Wir wollen uns heute aber nur mit dem Dialog zwischen Jesus und der samaritischen Frau beschäftigen. Mit den drei Schlössern, die Jesus an der Herzenstüre dieser Frau vorfand und die er schließlich öffnete. 

 

Wie es zur Begegnung kam.

Diese Begegnung sieht zunächst einmal ganz unspektakulär aus, fast wie zufällig, auf der Durchreise durch das Land Samaria, durch das die Juden normalerweise nicht reisten, weil sie die Samariter verachteten. Es gibt in der Bibel spektakulärere Begegnungen Jesus mit Menschen (Jünger Jesu, Zachäus, Nikodmus etc). Kein Pharisäer, kein königlicher Beamter, nur eine samaritische Frau. Sie und Jesus ganz alleine, ohne die Jünger und ohne die sonst übliche schaulustige Volksmenge die Jesus meistens umschwärmte. Jesus scheint diese Begegnung auch ebensowenig gesucht zu haben wie die Samariterin.

Auch für die Frau war die Begegnung am Brunnen überraschend. Frauen gingen damals regelmäßig zum Brunnen um Wasser zu holen und es wird nicht oft vorgekommen sein, daß sich da ein fremder Mann aufhielt. Sie wäre wohl Jesus nie in ihrem Leben sonst begegnet, denn sie gehörte nicht zu den Menschen, die nach Wahrheit suchen. Sie wußte nichts von Jesus und begegnete ihm nicht in der Weise wie viele andere Menschen es taten: erwartungsvoll, ehrfürchtig, mißtrauisch oder sonst irgendwie von dem geprägt, was man über diesen Mann schon wußte, was man von ihm oder über ihn gehört hatte. Es ist bemerkenswert, daß uns keine andere Begegnung Jesu mit einem Menschen berichtet wird, die mit dieser vergleichbar ist.

Aber Jesus reagiert darauf positiv, er spricht trotzdem mit ihr und läßt diese Chance nicht aus. Es ist nämlich gar nicht so sehr entscheidend, was man von Jesus weiß, sondern entscheidend ist, dass man ihm begegnet und auf sein Wort eingeht. Das was wir von Jesus gehört haben, die Meinung die wir uns gebildet haben oder die Schulbildung, die uns versucht hat ein Bild von Jesus zu geben, das ist oft eher hinderlich für eine Begegnung mit Jesus als förderlich. Diese Frau hingegen wusste zunächst einmal gar nichts.

Jesus ergreift also die Initiative und bittet die Samariterin um etwas zu trinken. Ob er wirklich Durst hatte, oder nur einen Vorwand für das Gespräch suchte, wissen wir nicht. Die Frau jedenfalls scheint zunächst nicht erfreut und keineswegs offen zu sein.
„Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau?«
Das klingt nicht sehr höflich. Eher abweisend, ich hätte da sicher schon den Mut verloren und nicht mehr weitergefragt, …dann eben nicht! - laß es bleiben. Aber nicht so Jesus. Was aber könnte der Grund gewesen sein für diese Haltung der Samariterin?

 

1. Schloss: Eine falsche Selbstsicherheit
Wir erkennen in diesem Verhalten der Frau eine Selbstsicherheit, die nicht so recht zu ihrer Situation paßte. Nach allem was wir wissen, war es außergewöhnlich, daß diese Frau alleine zum Brunnen kam. Normalerweise gingen die Frauen des Ortes zu gewissen Zeiten an den Brunnen und trafen sich da auch. Der Brunnen war die Nachrichtenzentrale. Da wurden die Neuigkeiten ausgetauscht, da traf man sich auch zum Plaudern. Aber so eine Zeit war gerade nicht. Andere Frauen waren nicht anwesend und es muß einen triftigen Grund gehabt haben, warum diese Frau alleine kam. Wenn wir diese Tatsache mit der Information verbinden die uns dieser Text gibt, nämlich daß diese Frau bereits mit dem 6. Mann zusammenlebte, dann können wir davon ausgehen, daß sie nicht besonders viel Wert legte auf die Begegnungen mit den Dorfbewohnerinnen. Ich spreche hier von einem Dorf, obwohl in der Bibel von einer Stadt die Rede ist. Aber die kleinen Städte damals hatten wohl eher den Charakter eines heutigen Dorfes. Stadt wurde damals einfach alles genannt, was eine Mauer hatte.

Die Frau war also in dieser dörflichen Gemeinschaft isoliert, ein Außenseiterin in einer etablierten Gesellschaft. Steht das nicht eigentlich in einem Gegensatz zu ihrem selbstsicheren forschen Auftreten? Fühlte sie sich als Samariterin gegenüber dem Juden Jesus überlegen? (offensichtlich erkannte sie ihn als solchen an der Kleidung oder an der Aussprache) Ist es nicht eigenartig, daß sich Menschen, in deren Leben es oft drunter und drüber geht, doch in einer nationalen Identifikation als Jemand fühlen können und gegenüber anderen Überlegenheitsgefühle entwickeln? Selbstsicher ist anscheinend nicht nur der, bei dem die Welt in Ordnung ist, sondern auch der, der verstecken möchte, daß eben so viel nicht in Ordnung ist und dabei sind Gefühle, die durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zustande kommen immer ein probates Hilfsmittel, auch dann, wenn man mit dieser Gruppe nicht im besten Einvernehmen lebt.

Das erste Schloß zur Türe des Herzens dieser Frau heißt also vorgetäuschte Selbstsicherheit. Heute würde man wohl sicher dazu sagen, die Frau war Cool. Die Art und Weise, wie sie Jesus abblitzen lies, das war wirklich eine coole Aktion. Jeder emanzipierten Frau unseres Jahrhunderts würde dies ausgesprochene Anerkennung bringen. Aber Jesus läßt sich seinerseits davon nicht irritieren. Er weiß ja bescheid, daß alles nur Schein ist und hinter dieser coolen Fassade ein zerbrochenes Herz auf Heilung wartet.

Da war eine Frau, die sich in jungen Jahren wohl auch ihren Lebensverlauf anders vorgestellt hatte. Welches junge Mädchen plant schon, fünf mal den Partner zu wechseln? Normalerweise sucht sie den einen, mit dem es klappt und mit dem sie glücklich werden will. Menschen suchen ihr Glück immer in Beziehungen. Das materielle, der Verdienst, Haus, Wohnung oder Auto, das ist nur das Beiwerk mit dem man sich eine Position der Anerkennung innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft schaffen will. In Wirklichkeit geht es aber immer um Beziehungen: man will Anerkennung und Liebe. Das empfinden wir als den eigentlichen Sinn unseres Daseins, innerhalb eines Gemeinschaftsverbandes zu leben mit funktionierenden Beziehungen.

Aber das war bei der Frau offensichtlich nicht mehr der Fall und hinter ihrer Maske dürfte sich ein Mensch verborgen haben, dem der Sinn im Leben schon längst abhanden gekommen war. »So habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt, alles was ich mir erwartet habe, ist in unerreichbare Ferne gerückt.«
Ist das nicht die Situation so vieler Menschen heute? Wir leben doch in einer Zeit der extremen Beziehungslosigkeit. Ehen und Freundschaften wechseln ebenso häufig wie Arbeitsplätze. Alles wird immer schneller. In rasendem Tempo wechseln wir unsere Beziehungen, ehe sie richtig ausreifen können und zu einer tragfähigen Tiefe gelangen die auch schwere Zeiten überstehen kann. Zurück bleiben einsame und verwundete Herzen, denn jede unsauber gelöste Beziehung reißt Wunden und es entstehen Narben, die es immer schwieriger machen, überhaupt neue Beziehungen einzugehen. Man wird empfindlicher und ist immer mehr geneigt, eher die Einsamkeit als Schicksal zu ertragen, als durch neue Beziehungen neue Verletzungen zu riskieren.

So kommt die Samariterin am liebsten alleine zum Brunnen, zu einer Tageszeit wo sie niemanden zu erwarten hat. Daß dann doch wer da ist, das scheint ihr unangenehm und sie versucht ihn abzuwehren mit gespielter Überlegenheit. Aber Jesus lässt sich wie gesagt nicht einschüchtern sondern antwortet:

»Wenn du erkenne würdest, wer dich da soeben um etwas zu trinken bittet, du würdest ihn bitten, dir lebendiges Wasser zu geben.«

Diese Antwort Jesu ist für die Frau verblüffend und sie ist es auch für uns. Wir haben uns als Gläubige schon zu sehr an das fromme Vokabular gewöhnt, daß Jesus lebendiges Wasser anbietet, aber was bedeutet es denn wirklich? Die Frau verstand ihn jedenfalls nicht, aber die Antwort war ausreichend, um zumindest ihre Neugierde zu wecken und im Gespräch zu bleiben. Es ist eigentlich ein witziger Dialog der sich hier entwickelt. Auf gut österreichisch würde man dazu sagen: da rennt der Schmäh: Die Frau qualifiziert Jesus als den Juden, aus dem anderen Lager, der hier gezwungen ist um Wasser zu betteln. Jesus sagt ihr: »Wenn du wüßtest wer ich wirklich bin…« darauf antwortet die Frau wieder: »Bist du denn mehr als unser Stammvater Jakob« (Jakob, der diesen Brunnen gebaut hatte, lebte ca. 1500 Jahre vor Christus) Dahinter stehen die unausgesprochenen Worte, die Jesus sicher auch verstanden hat: »So, du bist also kein gewöhnlicher Jude, wer bist du dann? Wir stehen hier an Jakobs-Brunnen und der befindet sich in meiner Stadt, bist du denn mehr als Jakob? Und überhaupt – du hast ja gar nichts zum Schöpfen und der Brunnen ist tief!«

Jesus läßt sich ein wenig auf dieses Wortgefecht ein. Er wendet sich nicht beleidigt ab wegen der schnippischen Art die dieser Frau an den Tag legt, aber er gibt auch nicht klein bei. Er zahlt auch nicht mit gleicher Münze zurück und deckt die Frau nicht auf. Er hätte ja ohne weiteres sagen können, daß die Samariter ein Mischvolk sind und sie sich gar nicht mehr auf Jakob berufen können, jeder Jude hätte so geantwortet. Aber das tut er nicht, seine Strategie ist es, die Frau für das zu interessieren, was Gott ihr anbieten möchte.

Wenn wir mit Menschen reden, dann reagieren wir oft viel zu sehr auf ihre Argumente, statt sie unbeirrt auf Jesus hinzuweisen und das was Gott durch Jesus auch in ihrem Leben tun will. Und so antwortet Jesus unbeirrt:
»Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten, wer aber von dem Wasser trinkt das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.«

Damit ist aber die Auseinandersetzung an einem Höhepunkt angelangt. Jetzt will es die Samariterin wirklich wissen:
»Wenn das wahr ist, gib mir jetzt dieses Wasser. Beweise mir, ob du das bist, was du zu behaupten vorgibst.«

Ob die Frau inzwischen begriffen hat, was Jesus meinte? Wir wissen es nicht, aber jedenfalls war das erste Schloss zu ihrem Herzen geöffnet. Noch vor ein paar Minuten wollte sie ihn abwimmeln, jetzt war sie immerhin bereit ihm eine Chance zu geben. Und darauf kommt es auch an, dass Jesus eine Chance erhält. Wir brauchen nicht blind zu glauben, wir dürfen ernst nehmen, was die Bibel uns sagt. Wenn Jesus uns das lebendige Wasser anbietet, das unseren Durst für immer stillt, dann meint er damit, dass er das existentielle Vakuum ausfüllen möchte, das uns so ruhelos sein läßt und uns antreibt, in immer neuen Beziehungen oder materiellen Statussymbolen nach Anerkennung und Selbstverwirklichung zu suchen.

Die Samariterin wußte wohl, daß sie am Ende war und im Kreis lief. Aus der sinnlosen Tretmühle des Alltags gab es anscheinend kein entrinnen. Täglich kam sie zu diesem Brunnen um Wasser zu holen, aber täglich ging der Wasservorrat zur Neige und erneut wurde sie durstig und mußte den beschwerlichen Weg antreten. Wie sehr war diese Tätigkeit doch eine Analogie für ihr Leben und langsam begriff sie, daß Jesus nicht vom Jakobsbrunnen sprach, sondern von ihrem Leben. Wie haben wir doch auch in mancher neuen Beziehung, oder in einem neuen Job, oder in einem Wohnortwechsel, eine grundlegende Änderung unserer Situation erhofft, daß der Durst ein für allemal gestillt wird, aber es hat sich nicht ereignet. Immer wieder haben wir gemerkt, daß wir die Gleichen geblieben sind und sich das Gefühl des Durstes, der Unzufriedenheit, immer wieder nach einer gewissen Zeit eingestellt hat. Ob wir ein neues Haus gebaut haben, oder uns ein Hobby suchten oder eine neue Beziehung eingegangen sind. Anscheinend kann uns nichts wirklich erfüllen und unserem Leben einen bleibenden Sinn geben.

 

Vielleicht, denken wir, wenn wir Reich und Mächtig wären? Der römische Kaiser Augustus, der lebte und regierte als Jesus geboren wurde, war sicher einer der mächtigsten Männer der Geschichte. Er war der erste römische Kaiser, der wirklich göttliche Verehrung entgegennahm und dessen Reich gesichert war. Aber ein Ausspruch am Ende seines Lebens scheint alles in Frage zu stellen:
»Habe ich die Farce meines Lebens gut gespielt? Wenn es euch gefallen hat, so klatscht Beifall, damit ich fröhlich abtreten kann!«
Welch eine Tragikomödie so ein Leben, so hat er es auch empfunden. All sein Glanz und Ruhm, nur eine Farce, ein Schauspiel und alles was er verdient ist ein wenig Applaus. Mehr ist nicht übrig geblieben von den Ansprüchen eines desillusionierten römischen Kaiser. Wie Hoffnungslos!

Aber in den Worten Jesu kommt die Hoffnung wieder zum klingen. Sollte er ihr etwas anzubieten haben, was ihrem Leben endlich einen Sinn gab? Die Frau wußte das sie so etwas brauchte, sie wußte auch, daß sie am Ende war. Aber was sie noch nicht wußte war, daß Jesus das auch wußte. Das erste Schloß war offen, aber das zweite war noch zu. Er kannte sie besser als sie sich selbst.

Das 2. Schloß: Die versteckte Schuld

Nach dieser Aufforderung der Frau ihr das Wasser zu geben, sagte Jesus: »Geh, hin, rufe deinen Mann und komm wieder her!«
darauf die Frau: »Ich habe keinen Mann.«
worauf ihr Jesus sagte: »Du hast recht geantwortet: Ich habe keinen Mann, denn fünf Männer hast du gehabt und der mit dem du jetzt zusammenlebst, der ist nicht dein Mann.«

Den weiteren Verlauf des Gespräches scheint Jesus bewußt provoziert zu haben und das konnte er, weil er die Frau kannte. Warum die Frau ihn anlog, ist nicht schwer zu erraten. Auch wenn sie sich ihm langsam öffnete, so hieß das noch lange nicht, daß sie bereit war mit ihm über ihr Problem zu reden. Es war aber unbedingt notwendig, daß die Frau erkannte, daß sie sich vor Jesus nicht verstecken konnte. Wenn wir das Angebot Gottes annehmen wollen, dann darf unsere Sünde nicht verschwiegen werden und vor allem nicht unser Hauptproblem, die Lüge unseres Lebens, mit der wir uns bisher immer wieder über Wasser zu halten versucht haben.

 

Jesus hat kein Sündenregister der Frau aufgelistet, er hat lediglich ihr Hauptproblem angesprochen und das war bei dieser Frau, daß sie nicht treu sein konnte oder wollte. Ein Problem, das jeder im Dorf kannte, erstaunlich war nur, daß es dieser Fremde auch kannte, er musste also ein Prophet sein! Jeder von uns hat woanders sein Hauptproblem und es gibt kein neues Leben für uns, ohne daß dieses Problem aufgedeckt wird. Das heißt nicht, das wir dieses Problem lösen müssen, bevor wir zu Jesus kommen, aber wir müssen es zu Jesus mitnehmen, wenn wir kommen. Wir dürfen nicht zulassen, daß wir auf zwei verschiedenen Ebenen zu leben beginnen, die nichts miteinander zu tun haben, auf einer frommen christlichen, am Sonntag und in der Gemeinde, und auf einer weltlichen die unseren Alltag bestimmt. Auf diesen Kuhhandel läßt sich Gott nicht ein. Wenn er dich will, dann will er dich ganz.

Schön langsam scheint die Samariterin zu begreifen, wenn sie sagt:
»Herr ich sehe, daß du ein Prophet bist.«
Das zweite Schloß hat sich geöffnet, das Schloß der verborgenen Schuld.

Wir haben natürlich selten, wenn wir mit Menschen über Jesus sprechen eine prophetische Eingabe was das Hauptproblem dieses Menschen ist. Wir könnten natürlich herumfragen und stochern. Aber davor sollten wir uns hüten. Jesus hat das nicht getan und wir dürfen das auch nicht – dabei würde sich das Schloß ganz gewiß nicht öffnen. Wenn wir aber das Hauptproblem eines Menschen erkennen und meistens entdecken wir es, wenn wir einen Menschen näher kennenlernen, dann dürfen wir auch taktvoll davon sprechen. Wir sollten ihm zeigen, daß die Bibel davon spricht, von seinem Hauptproblem. Wir dürfen Schuld und Sünde beim Namen nennen, aber in einer Weise, daß klar ist daß wir uns nicht zum Richter machen. Auch Jesus hat sich nicht zum Richter über die Samariterin gemacht, nur so konnte er einen Zugang zu ihrem Herzen finden. Kein Wort der Verurteilung oder moralisierenden Ermahnung. In Joh. 3.17 lesen wir auch: »denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn gerettet werde.«

Es ist einfach wunderbar, wie wir das bei Jesus immer wieder sehen, wie er über Sünde reden konnte, ohne die Menschen dabei zu verurteilen. Die Leute erkannten meistens, daß er ihnen damit nur helfen wollte.

Aber das war noch nicht der Durchbruch in den Bemühungen Jesu um die Samariterin. Noch war sie nicht ganz bereit. Da war noch ein Schloß, das erst aufspringen mußte. Ein weiteres Schloß, das zur Absicherung eines verwundeten Herzens angebracht worden war, als ob nicht zwei genügt hätten. Wie sehr dieses Schloß noch hielt zeigt die sofortige Reaktion der Samariterin auf die Aufdeckung ihrer Schuld. Sie bleibt nähmlich nicht bei diesem peinlichen und unangenehmen Thema sondern lenkt sofort ab.
»Herr ich sehe, daß du ein Prophet bist. Unser Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr sagt: in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll.«
Sie sagt das in einem Atemzug, da hatten wir soeben ein kurzes Aufblitzen des Zugeständnisses und der Anerkennung gesehen, und sofort die Ablenkung auf ein theologisches Thema.

3. Schloß: Die religiöse Vorstellung
Das dritte Schloß ist die eigene religiöse Vorstellung die ein Mensch auf Grund seiner Erziehung und Erfahrungen hat. Es ist äußerst interessant in Gesprächen immer wieder zu beobachten, wie Menschen plötzlich religiös werden, wenn man auf ihr Hauptproblem zu sprechen kommt. Das braucht weder zu überraschen noch zu frustrieren. Dieses dritte Schloß haben fast alle Menschen vor ihrem Herzen.

Dabei ist es ziemlich unerheblich, wie sehr sie von ihrer eigenen Religion überzeugt sind. Viel wichtiger scheint zu sein, daß sie überhaupt eine haben, die sie vorzeigen können, wenn sie auf ihr Hauptproblem angesprochen werden. Die Frau hat natürlich den Glauben ihrer Vorfahren angeführt, etwas anderes wäre damals nicht glaubwürdig gewesen für eine Samariterin. Wie praktisch ist es doch da heute, daß es eine solche Vielzahl von theologischen Systemen und Varianten gibt, irgendeine scheint immer zu passen um sich dahinter zu verstecken. Jeder kann sich aus dem Warenhaus der religiösen oder esoterischen Angebote dasjenige auswählen, das ihm als das passendste erscheint. Wie reagiert Jesus darauf? Wie knackt er dieses Schloß? 

Erstens: er geht auf die Frage ein. Er läßt die Frau nicht abblitzen indem er darauf beharrt, jetzt über ihr Problem zu reden. Er gibt der Frau auch nicht das Gefühl, daß diese Frage unberechtigt ist und er sie nur als Ablenkungsmanöver betrachtet. Er stellt sie nicht bloß, sondern beantwortet ganz einfach ihre Frage.

Zweitens: er diffamiert nicht diejenigen, von denen die Frau ihren religiösen Überlieferungen erhalten hat. Er scheut sich aber auch nicht zur Wahrheit zu stehen wenn er sagt: »Ihr wisst nicht was ihr anbetet, wir aber wissen was wir anbeten, denn das Heil kommt von den Juden.«

Drittens: und das ist das entscheidende, er bleibt nicht bei der Beantwortung dieser Frage stehen, sondern leitet über auf das was tatsächlich zählt, auf die Wahrheit, die jenseits von religiösen Meinungen existiert.

»Aber es kommt der Tag und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit. Gott ist Geist und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten«

Es hätte sicher eine ganze Argumentationskette gegeben, auf die Jesus eingehen hätte können um auf die Bedeutung des Tempels in Jerusalem einzugehen. Aber er hat das nicht getan. Die Frage war eine Frage nach dem Ort der Anbetung und Jesus hat auf die richtige Art und Weise der Anbetung hingewiesen, bei der der Ort keine Rolle spielt.

 

Das war eine rhetorische Meisterleistung. Wir können diesem Beispiel Jesu folgen wenn wir mit Menschen sprechen, aber dazu braucht es nicht nur eine gute Bibelkenntnis, sondern auch Weisheit. Lassen wir uns nicht auf Scheingefechte theologischer Debatten ein. Unser besserer Bildungsstand in religiösen Fragen könnte uns zwar einen Sieg bescheren, aber was nützt uns dies, wenn uns das Herz der Menschen verschlossen bleibt?

 

Wenn das Herz offen ist:
Natürlich kommt es auch darauf an, ob ein Mensch es zuläßt daß seine Schlösser geöffnet werden. Auch wenn wir den Schlüssel haben, so bedeutet das noch nicht unbedingt, dass es uns auch gelingen wird und jedes Gespräch ein Erfolg wird.

Die Frau hätte weiterhin leugnen können, obwohl sie überführt worden ist. Sie hätte auch noch andere theologische Themen aufwerfen können. Aber sie hat es nicht getan. Als sie von Jesus die richtige Antwort bekam, da hat sie sich der Hoffnung erinnert, die auch die Samariter offensichtlich noch kannten, von einem Messias, der kommen würde um den Menschen das Heil zu bringen. Und Jesus brauchte ihr nur noch zu sagen: »Ich bin’s, der mit dir redet.«

Wenn ein Mensch sein Herz geöffnet hat, dann spricht er von seiner Hoffnung, oder von seiner Hoffnungslosigkeit. Das ist zugliche das Eingeständnis, eine Erlösung zu brauchen. Wenn das erreicht ist, dann ist das Ziel nicht mehr fern. Jetzt gilt es nur mehr Jesus vorzustellen, so realistisch wie möglich.

Es ist ein großartiger Moment, das zu erleben, wie sich ein Herz für die Wahrheit öffnet und Menschen anfangen in Jesus ihren Messias zu erkennen. Wem das vergönnt ist zu erleben, der kann kaum mehr an so etwas banales wie essen und trinken denken. So ist es auch verständlich, daß Jesus das Auftauchen der Jünger und das Angebot von Speise als eine Störung empfand und nichts essen wollte.

 

Die Frau aber war unterdessen in die Stadt gegangen und hat dort von Jesus berichtet und wie er ihr alles gesagt hat was sie getan hatte. Das hat die Leute die die Frau offensichtlich gut kannten, sehr erstaunt und sie kamen alle um Jesus zu sehen und zu hören. So war der Schlüssel zum Herzen dieser Frau auch zugleich der Schlüssel zu einer ganzen Ortschaft. Die Jünger aber dürften das alles zu der Zeit kaum richtig eingeordnet haben. Ich hoffe wir können das, der Erfolg unseres persönlichen Zeugnisses könnte davon abhängen.

Wir haben gesehen, wie Jesus mit einem Menschen umgegangen ist. Dieses Beispiel würde jedem Lehrbuch für psychologische Gesprächsführung zur Ehre gereichen und ich denke wir sollten uns auch daran orientieren. Die Welt braucht Zeugen Jesu Christi dringender denn je. Nicht nur weil wir damit den Auftrag Christi zur Evangelisation erfüllen, sondern auch weil Menschen sich mehr und mehr in dieser schrecklichen Einsamkeit und Beziehungslosigkeit befinden wie diese Frau am Jakobsbrunnen. Wenn das ein Kriterium ist und ich denke es ist eins, dann sollten wir erkennen, daß die Felder wieder weiß sind zur Ernte.

Egal ob Frauen oder Männer, ob von den Kindern enttäuschte Eltern, oder ob Jugendliche, die den Boden unter den Füßen verloren haben. Beziehungsprobleme und Einsamkeit sind nicht nur Unglück, sondern auch Chance, Die Chance Jesus zu begegnen. Vielleicht an einen einsamen Ort. Vielleicht auch nur Du und er allein, sonst niemand. Du er und Dein Hauptproblem!

Lass Deinen Durst löschen, mit dem lebendigen Wasser, ein für alle mal.

Amen!