1. Adam und Christus (Rö 5:12-21)

Dies ist die erste Predigt einer Serie mit dem Titel: »Christus unser Charisma«. Sie behandelt den Römerbrief von 5:12 bis 8:39. Diese zentralen Kapitel bilden sozusagen de theologische Grundlage des Evangeliums das Paulus verkündigt hat. Es ist wichtig für jeden Christen, der Christus wirklich nachfolgen will, diesen Teil der Schrift wirklich verstanden zu haben.

 

Ich möchte heute über mit einer neuen Predigtserie aus dem Römerbrief beginnen. Ich will nicht durch den ganzen Römerbrief gehen, denn eigentlich ist der Römerbrief ein leicht zu lesender und zu verstehender Brief. Er ist sozusagen die theologische Grundlage des Evangeliums, das Paulus verkündigt hat. Es ist schon eine wunderbare Sache, dass der Herr ausgerechnet den Paulus so ein grundlegendes Werk schreiben ließ, der ja keiner der 12 Apostel war, die Jesus in der Zeit seines irdischen Lebens begleiteten. Paulus nannte sich selbst eine unzeitige Geburt. Er war aber den 12 Aposteln gleichgestellt und von ihnen anerkannt. Sie schätzten seinen Dienst und die Schärfe seines Verstandes, mit der er die christliche Lehre darzulegen verstand. Deshalb ist es auch wichtig, die Briefe des Paulus zu verstehen, allen voran den Römerbrief.

In den ersten vier Kapiteln beschreibt Paulus, wie das Evangelium mit großer Kraft in die Welt der Juden und Heiden einbrach, die gleichermaßen von der Sünde durchdrungen war wie ein nasser Schwamm. Die Sünde der Heiden war ja offensichtlich und berüchtigt, jeder wusste davon. Aber die bessere Stellung der Juden war auch nur eine Illusion, was die Sünde betrifft. Denn obwohl sie das Gesetz Gottes hatten, waren sie im Grunde genommen um nichts besser. Gerade das Gesetz, das sie nicht halten konnten, hatte dies ja bewiesen. So bleibt beiden, Juden und Heiden nur der Glaube. Davon spricht Paulus dann auch in Kapitel vier und erwähnt dabei Abraham als den Urvater aller Gläubigen. Der Schlüsselvers dazu lautet:
»Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.« (4:5)

Es war nicht Abraham, durch den dieses Prinzip der Glaubensgerechtigkeit eingeführt worden war. Nein, es gab ja schon vor Abraham Gläubige Menschen: denken wir an Noah, oder noch weiter zurückliegend an Henoch, von dem es heißt, dass er mit Gott wandelte. Aber auch sie waren ja Sünder, wie auch Adam oder Abel, der Gott ein besseres Opfer brachte als Kain. Was sie aber von Abraham unterscheidet ist, dass Abrahams Glaubensleben zu einem Lehrbeispiel wurde, dem man folgen kann. Von den anderen wissen wir ja nicht viel, aber Abrahams Leben ist uns vor Augen. Sein Handeln im Glauben, trotz Zweifel und Krisen des Lebens, von denen er nicht verschont blieb, ist uns biografisch vermittelt worden.

In Abraham finden wir die Zuversicht, dass Gott auch unseren Glauben sieht und beantwortet. Die Erfüllung der Verheißungen Abrahams waren gewaltig. In einem fremden Land lebend, sollten seine Nachkommen dieses Land einmal besitzen. Als schon alter Mann, der keine Kinder hatte, sollten seine Nachkommen zahlreich sein wie der Sand im Meer. Das alles war für ihn in diesem Leben nur zum Teil erlebbar und aus eigener Kraft schon gar nicht erreichbar. So war Abraham einer, der ganz und gar auf die Gnade Gottes angewiesen war, ein Begriff, dem wir uns heute in ganz besonderer Weise zuwenden wollen. In Abrahams Leben wird diese Gnade Gottes illustriert, und es ist nicht nur eine jüdische Geschichte, sondern auch eine verborgen-christliche. Denn wenn er der Vater aller Gläubigen ist, dann ist er auch unser Vater, dann ist jeder, der an den gleichen Gott glaubt wie er, auch sein geistlicher Nachkomme. Darin wird auch die Verheißung erfüllt, die Gott ihm schon bei seiner Berufung gegeben hatte, als er sagte (1. Mo.12:1): In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde. Denn nicht nur die Geschlechter, die von ihm abstammten, also aus heutiger Sicht gesehen der semitische Teil der Welt, die Juden und die Araber, sondern alle sollten gesegnet werden, alle Völker auf Erden. Das ist nur möglich, wenn wir das geistlich verstehen. Und Paulus erklärt es uns, indem er auf den Glauben Abrahams verweist, in dem dieser Gerechtigkeit fand. Darum sollte sich auch jeder mit der Biografie Abrahams beschäftigt haben, sowie auch mit den anderen Erzvätern, Isaak und Jakob, die ja die Verheißungen des Glaubens, wie Abraham selbst, direkt von Gott empfangen haben. Hier wird deutlich, dass das Alte Testament durch das Neue Testament an Bedeutung nichts verloren hat, sondern im Gegenteil, es hat gewonnen und ist noch viel wertvoller geworden, als es war, bevor das neue Testament geschrieben worden ist.

Nun sind die ersten Kapitel des Römerbriefes, gerade wegen ihres Bezuges zum alten Testament leicht zu lesen, das alte Testament wirkt wie eine Illustration des neuen. Die schwierigeren Kapitel liegen aber in der Mitte des Briefes, von Kap. 5 – 8. Und darum will ich meine Predigtserie auch darauf konzentrieren. Das wird uns auch mehrere Sonntage beschäftigen.
Kap. 5 beginnt so (V1-2):
»Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus. Durch ihn haben wir Zugang im Glauben zu dieser Gnade in der wir stehen und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.«

Das Evangelium ist ja eigentlich eine ganz einfache Formel, die wir hier ganz verkürzt in 6 Worten fassen können: »Zugang im Glauben zu dieser Gnade«. Was den Glauben betrifft, habe ich schon ausgeführt, dass damit der Glaube von der Qualität gemeint ist, wie ihn Abraham gehabt hat. Nun möchte ich noch auf dieses Wort Gnade eingehen. Es ist der zweite wichtige Begriff, der uns im 5. Kap des Römerbriefes begegnet.

Vielleicht überrascht es viele von Euch, dass dieses Wort im griechischen Charis lautet. Bei dem was aus diesem Begriff in der heutigen Zeit alles unter »Charisma« und »charismatisch« verstanden wird, kann man ziemlich leicht in Verwirrung geraten. »Charis« bedeutet »Gnade«. Aber dies nicht in dem Sinne einer Begnadigung, wie das im deutschen Wort mitschwingt, sondern im Sinne einer unverdienten Beschenkung. Das deutsche Wort Gnade ist in der Nähe der Vergebung angesiedelt (z. Bsp. wenn man in einem Streitfall »Gnade vor Recht« ergehen lässt, oder durch ein mildes Urteil eine »gnädigen Richter« gefunden hat). Aber das griechische Wort Charisma, das von den meisten mit Gnade übersetzt wird, hat damit nicht viel zu tun. Eher ist gemeint, dass ein höher Gestellter seine Untergebenen beschenkt. Ein Beispiel: als ich noch in einem größeren Industriebetrieb arbeitete, der sich im Besitz einer einzigen Familie befand, gab es jedes Jahr für alle Mitarbeiter eine Prämie. Der Arbeitgeber war dazu nicht verpflichtet und die Höhe dieser Prämie war von Jahr zu Jahr unterschiedlich, je nachdem, wie der Geschäftserfolg der Firma ausgefallen war. Es wäre auch denkbar gewesen, dass die Prämie ganz ausfiel, das habe ich nicht erlebt, aber es wäre möglich gewesen, ohne dass dem Arbeitgeber jemand einen Vorwurf machen hätte können, denn es war ja eine freiwillige Leistung. Auf griechisch würde man nun sagen können, es war der Firmenbesitzer, gegenüber seinen Mitarbeitern gnädig (charis), also die Prämie war ein »Charisma«, ein Gnadengeschenk. Damals war es vielleicht häufig so, dass Könige oder andere hohe Persönlichkeiten solche »Charismata« austeilten. Ein Charisma konnte alles mögliche sein, nur eines konnte es nicht sein, nämlich verdient. Niemand hatte einen Anspruch darauf. In diesem Sinne müssen wir den Begriff Gnade auch in der Bibel oft verstehen.

Deshalb wurde dieser Begriff manchmal auch mit »Gabe« übersetzt, was ja richtig ist, aber im deutschen unglücklicherweise nicht die Nähe hat zu dem Begriff der Gnade, wie im griechischen, also der absoluten Unverdientheit durch die huldvolle Herablassung eines Höheren. Daher müssen wir, wenn wir an »Charismata« denken, also an die »Gaben des Heiligen Geistes«, von denen später in der Bibel zu lesen ist, immer auch daran denken und eigentlich von den unverdienten Gnadengaben sprechen. Meiner Meinung nach entspräche das Wort »Geschenk« im modernen Sprachgebrauch besser dem Begriff der Gnade als das Wort Gabe. Geschenke können natürlich auch so eine Art Bestechungsfunktion haben, wenn nämlich in der Hirarchie jemand weiter unten steht und dem oben stehenden Geschenke macht. Aber das ist nicht gemeint, das wäre dann nicht Gnade oder charis. Erst wenn der oben stehende dem unten ein Geschenk macht, dann ist das ein charisma oder Gnadengeschenk. Begriffe ändern ja ihre Bedeutung über viele Jahre hinweg in einer sehr schleichenden Weise, deshalb braucht es auch immer wieder Überarbeitungen von Bibelübersetzungen. Vor allem aber wird deshalb die feste Orientierung an den alten Sprachen griechisch und hebräisch nie überflüssig werden, denn diese sind unveränderlich, weil es sogenannte tote Sprachen sind.

Halten wir also fest, dass die Begriffe Charisma und charismatisch nicht in erster Linie was mit dem Heiligen Geist zu tun haben. In Römer Kap. 5 kommen diese Begriffe sehr zentral zur Geltung und vom Geist ist noch gar nicht die Rede, es geht nur um das Evangelium von Jesus Christus. Erst in Kap 8 kommt der Geist Gottes ins Spiel.

Hier haben wir es also zu tun mit dem Zugang im Glauben zu dieser Gnade oder auf Neudeutsch, zu diesem Geschenk Gottes. Und es ist klar, was dieses Gnadengeschenk ist. Es ist natürlich Jesus Christus, durch den wir gerecht geworden sind. Alles, was uns hier genannt wird, die Gerechtigkeit, der Friede mit Gott, die Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, alles das haben wir in Christus. In Joh. 1:16 heißt es im großen Prolog über den Christus, er uns im Johannesevangelium vorgestellt wird:
»Und von seiner Fülle haben wir alle genommen, Gnade um Gnade (Charis um Charis – Geschenk um Geschenk).«

Dass Gott, der Herrscher über Himmel und Erde den Menschen so bedacht hat, das ist das eigentliche Thema und er hat es in Christus getan. Deshalb will Paulus das auch so genau wie möglich ausführen. Er will Christus verherrlichen, um die Gnade hervorzuheben, um das Geschenk in seiner ganzen Größe und Einzigartigkeit darzustellen. Dazu holt er weit aus und geht zurück bis auf Adam.


Es ist tatsächlich wie mit einem Geschenk, das wir auspacken und dessen Wert und Bedeutung wir uns erst bewusst machen müssen. Es ist für uns zu groß, als dass wir es auf einen Schlag ganz erfassen könnten. Kinder sind ja immer ein gutes Beispiel, auch in diesem Fall: wenn wir einem Kind ein Geschenk machen, dann packen wir es vielleicht ganz nett ein. Wenn das Kind noch sehr klein ist, dann erleben wir, wie es gar nichts versteht. Es freut sich schon an der bunten Verpackung und wir müssen es darauf aufmerksam machen, dass es das Papier aufreißen und die Schachtel öffnen muss, denn das eigentliche Geschenk ist ja da drinnen. Niemand überreicht ein wertvolles Geschenk ohne Verpackung, aber die ist dennoch eigentlich wertlos. Wenn nun das Kind darin ein Spielzeug entdeckt, das seinem Alter gemäß ist, dann wird es sich freuen und mit dem Spielzeug spielen. Nehmen wir aber an, das Kind ist schon etwas größer und wir schenken dem Kind etwas, das gar nicht zum Spielen ist, etwas dessen Wert es aber noch nicht einschätzen kann. Sagen wir, wir schenken dem Kind ein Sparbuch, ein mündelsicheres versteht sich, keine Aktien oder Wertpapiere die viel versprechen und nichts halten. Das Kind soll ja mit dem darauf verbuchten Betrag einmal garantiert und zuverlässig ein Studium finanzieren können. Dann werden wir dem Kind vielleicht versuchen die Bedeutung des Geschenkes klar zu machen, damit es sich auch jetzt, an seinem Geburtstag daran freuen kann, an diesem komischen kleinen Büchlein, in das man gar nichts reinmalen darf. Wie stellen wir das an? Vielleicht werden wir das Kind fragen, was es denn später einmal werden will. Nun Kinder haben da meistens eher bescheidene Wünsche. Aber sagen wir mal, das Kind will Pilot werden. Das kann, wenn man nicht gerade eine militärische Laufbahn einschlägt, eine vom Studium her eine sehr teure Angelegenheit werden, bis man tatsächlich in einem Jumbo Jet, oder Airbus sitzt und diesen durch die Lüfte steuert. Wir werden also dem Kind erklären, dass dieses kleine Büchlein dafür sorgen wird, dass es tatsächlich einmal sein Ziel Pilot zu werden, erreichen wird. Vielleicht liegt dem Sparbuch noch ein kleines Spielzeugflugzeug bei, mit dem es sich auch hier an seinem Geburtstag schon unterhalten kann. Was wird das Kind nun mehr freuen, das Sparbuch, oder das Spielzeugflugzeug? Wahrscheinlich das Spielzeug. Bezüglich des Sparbuches wird es vielleicht aufmerksam zuhören und mit dem Kopf nicken, aber je nach Alter nicht wirklich viel damit anfangen können. Doch das Sparbuch ist Realität. Es bleibt und je älter das Kind wird, desto mehr wird es dieses Geschenk zu schätzen wissen. Als Student schließlich, kurz vor dem Erreichen des Zieles, wird der Jugendliche seine Eltern sehr loben, dass sie ihm in kluger Voraussicht diese Zukunft sichergestellt haben.

Mir kommt es so vor, dass es uns im Bezug auf das Evangelium auch so geht, mit dem Charisma, dem Gesschenk Gottes. Uns ist der wirkliche Wert des Geschenkes, das wir in Christus haben gar nicht so bewusst und es braucht eine Weile, bis wir im Glauben herangereift sind und erkennen, wie groß die Gnade tatsächlich ist, die uns Gott hier zukommen hat lassen.

Paulus aber als ein guter Lehrer, bemüht sich hier, es uns verständlich zu machen und holt dazu weit aus, damit wir es ja wirklich verstehen, von seiner ganzen universellen Bedeutung her. Er beginnt bei Adam, dem ersten Menschen und baut eine Brücke zu Jesus und davon lesen wir jetzt in den Versen 12-21.
(12) Deshalb, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben. (13) Denn die Sünde war wohl in der Welt, ehe das Gesetz kam; aber wo kein Gesetz ist, da wird Sünde nicht angerechnet. (14) Dennoch herrschte der Tod von Adam an bis Moses auch über die, die nicht gesündigt hatten durch die gleiche Übertretung wie Adam, welcher ist ein Bild dessen, der kommen sollte.

(15) Aber nicht verhält sich’s mit der Gabe wie mit der Sünde. Denn wenn durch die Sünde des Einen die Vielen gestorben sind, um wieviel mehr ist Gottes Gnade und Gabe den vielen überreich zuteil geworden durch die Gnade des einen Menschen Jesus Christus. (16) Und nicht verhält es sich mit der Gabe wie mit dem, was durch den einen Sünder geschehen ist. Denn das Urteil hat von dem Einen her zur Verdammnis geführt, die Gnade aber hilft aus vielen Sünden zur Gerechtigkeit. (17) Denn wenn wegen der Sünde des Einen der Tod geherrscht hat durch den Einen, um wieviel mehr werden die, welche die Fülle der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, herrschen im Leben durch den Einen, Jesus Christus. (18) Wie nun durch die Sünde des Einen die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die Rechtfertigung gekommen, die zum Leben führt.

(19) Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die Vielen zu Gerechten. (20) Das Gesetz aber ist dazwischen hineingekommen, damit die Sünde mächtiger würde. Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade noch viel mächtiger geworden, (21) damit, wie die Sünde geherrscht hat zum Tode, so auch die Gnade herrsche durch die Gerechtigkeit zum Ewigen Leben durch Jesus Christus unseren Herrn.


»Deshalb, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben.« – Paulus geht hier wirklich in die Tiefe und zeigt uns den Urgrund, warum es tatsächlich notwendig war, dass Gott uns so beschenken musste, denn wir vergessen leicht: das einzige Schicksal, das für einen jeden von uns ganz gewiss ist, das ist der Tod! Wir leben ja und was danach sein wird, das wissen wir eh nicht. So ist uns der Blick wie durch eine Nebelwand verstellt und wir erkennen nicht, was vor uns liegt. Aber der Blick zurück kann unserem Glauben Aufschluss geben über das was auch in Zukunft sein wird. Denn der Tod beherrschte die Schöpfung nicht vom Anfang an. Der Mensch war ihm nicht ausgeliefert als Gott ihn geschaffen hatte, als ein Wesen, das mit ihm Gemeinschaft haben sollte. Doch Adam sündigte, und so kam der Tod in die Welt. »Denn der Tod ist der Sünde Lohn«, dieser Grundsatz zur Bewahrung der Heiligkeit Gottes existierte schon vorher und war dem Adam auch bekannt gegeben worden. »An dem Tag, da du von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen isst, „an dem Tag“ musst du sterben.« Adam wurde 930 Jahre alt, daher ist der Vers geistlich zu verstehen. Zwar ist auch der leibliche Tod eine Folge der Sünde Adams, aber der trat nicht sofort ein. Aber als Adam und Eva das Paradies verlassen mussten, lebten sie nicht mehr unter der Gnade Gottes, sondern unter dem Fluch der Sünde und waren damit schon geistlich gestorben. Der physische Tod war eigentlich nur mehr als ein Gleichnis auf diese Tatsache dazugekommen. Nun hat sich ja das Lebensalter seitdem drastisch verringert. Wir haben noch durchschnittlich 70 Jahre Zeit, nur um zu erkennen, dass unser Leben so, wie es verläuft, sinnlos ist, weil es von der Sünde dominiert wird und wir eigentlich geistlich tot sind. Dies ist aber die erste wichtige Voraussetzung, um wieder zu dieser verlorenen Gnade Gottes, dem Geschenk des Paradieses zu kommen. Zuerst müssen wir deutlich erkennen, dass uns gerade das fehlt.

Denn natürlich ist der Tod von Adam auf alle Menschen übergegangen, nicht nur der physische Tod, sondern auch der geistliche. Sie sterben, wie es hier heißt: »weil sie alle gesündigt haben«. Man muss das sowohl als Ursache als auch als Wirkung verstehen. Wir sündigen, weil wir Sünder sind, von Adam her, das ist die Ursache. Aber die Wirkung ist auch wieder, dass wir sündigen. Diese Sünde aber machte es für uns unmöglich dass wir mit Gott leben können. Es ist also ein Teufelskreis, in wahrsten Sinne des Wortes, wenn wir bedenken, dass er ja Adam in diese Falle gelockt hatte.

(13) Denn die Sünde war wohl in der Welt, ehe das Gesetz kam; aber wo keine Gesetz ist, da wird Sünde nicht angerechnet. (14) Dennoch herrschte der Tod von Adam an bis Moses auch über die, die nicht gesündigt hatten durch die gleiche Übertretung wie Adam, welcher ist ein Bild dessen, der kommen sollte.
Hier erklärt Paulus nun, ab V.13, wie Gott einen Ausweg geschaffen hat, damit es doch wieder möglich sein könnte und der Mensch sozusagen für Gott neu zum Leben erweckt werden könnte. Dabei müssen wir uns immer vor Augen halten, dass Paulus hier, wie bei den meisten seiner Briefe, zwei Zielgruppen hatte: Zuerst einmal wollte er die Heidenchristen erreichen, die von alldem was vor Jesus war nicht viel Ahnung hatten. Aber er wollte auch die Juden erreichen, oder zumindest bewirken, dass die Juden das alles auch von ihrer Geschichte her verstehen konnten. Deshalb auch immer wieder die Bezugnahme auf das Gesetz, das durch Moses gekommen ist.

Die Erlösung der Menschheit durch Jesus Christus ist aber tatsächlich eine Erlösung der ganzen Menschheit und nicht nur des Judentums. Für die Juden stellte sich da allerdings die berechtigte Frage, wozu dann der ganze Aufwand mit dem Gesetz, wenn doch dann jetzt eh alle gerettet werden, die Heiden und die Juden? Sie hofften ja, das Gesetz selber würde ihnen exklusiv zu einer Errettung verhelfen. Aber nun war es nicht so, was war denn dann der Sinn des Gesetzes gewesen? Paulus baut die Antwort darauf hier ganz geschickt ein: In Vers 13 provoziert er die Frage, in V 20 gibt uns darauf die Antwort.
(20) Das Gesetz aber ist dazwischen hineingekommen, damit die Sünde mächtiger würde. Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade noch viel mächtiger geworden, (21) damit, wie die Sünde geherrscht hat zum Tode, so auch die Gnade herrsche durch die Gerechtigkeit zum Ewigen Leben durch Jesus Christus unseren Herrn.

Zunächst einmal war die Sünde ja schon vor dem Gesetz in der Welt. Aber sie war so sehr in der menschlichen Natur verankert, dass es eigentlich keine Anrechnung der Sünde gab. Schon in Kap. 2:14 hatte Paulus darauf hingewiesen, dass die Heiden nicht nur böses zu tun imstande waren, sondern sie waren durchaus auch in der Lage Gutes zu tun: »denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun, was das Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz.«

Sie hatten das Gesetz nicht, aber sie taten doch auch oft was das Gesetz forderte, sie töteten ihren Nachbarn nicht immer, auch wenn er ihnen unsympathisch war, sie respektierten auch das Eigentum des Nächsten, auch wenn sie neidisch waren. Sie halfen gelegentlich sogar einander, weil sie auch Zuneigung empfinden konnten, oder zumindest wussten, dass sie einander brauchten. Das alles bewies, dass der Mensch ein moralisches Bewusstsein hatte. Er musste nicht sündigen, konnte sich auch dagegen entscheiden, aber dennoch war er ein Sünder, dem es sehr nahe lag zu sündigen, selbst dann, wenn sich in ihm was dagegen sträubte, das Gewissen nämlich, sündigte er dennoch. Um aber diese Zusammenhänge so klar und deutlich wie nur möglich zu machen, hatte Gottes sich das Volk Israel erwählt und ihm nun persönlich ein geschriebenes Gesetz übergeben, das noch deutlicher war als das Gesetz im Herzen der Menschen, dem Gewissen.

In einer Dokumentation über moderne Kriegsführung habe ich einmal gesehen, wie wertvoll es sein kann, wenn man den Feind klar erkennt. Aufklärung vor dem Kampf ist so ziemlich das Wichtigste, was man braucht um einen Feind zu besiegen. Die Alliierten verbrachten im Zweiten Weltkrieg vor ihrer Landung in Europa sehr viel Zeit damit, durch Spionagetätigkeit alles auf das Genaueste zu erkunden, bevor sie loslegten, denn die Verluste sollten so gering wie möglich gehalten werden und der Sieg musste garantiert sein. Heute arbeiten auch viele Soldaten mit Nachtsichtgeräten, denn in der Nacht ist man ja praktisch blind. Aber diese eigenartige Brille die man da auf hat, macht mit einem Schlag alles sichtbar. Zwar in ein grünes Licht getaucht, wie ein Schwarz-Weiß Foto mit Grünstich, aber es ist absolut ausreichend, um zu sehen was man sehen muss, um erfolgreich zu kämpfen. Dies möchte ich vergleichen mit der Aufgabe des Gesetzes. Es macht sichtbar, was vorher im dunkeln lag. Sicher wissen wir auch ohne Gesetz, dass der Mensch ein Sünder ist und verloren, aber durch das Gesetz werden die Schwachpunkte besonders deutlich. Nun wissen wir, wo die Problem liegen und vor allem wie tiefgreifend sie sind. So sollten wir eigentlich kapitulieren und erkennen, dass nur eine Aktion die von Gott selber ausgeht, geeignet ist den Menschen zu retten. Alle Widerstandskämpfer in Europa zusammengenommen hätten die Macht der Nationalsozialisten nicht überwinden können. Nur eine noch stärkere Macht die von außen kam war dazu in der Lage, wie wir wissen, waren das in diesem Fall die Alliierten Streitmächte.

(15) Aber nicht verhält sich’s mit der Gabe wie mit der Sünde. Denn wenn durch die Sünde des Einen die Vielen gestorben sind, um wieviel mehr ist Gottes Gnade und Gabe den vielen überreich zuteil geworden durch die Gnade des einen Menschen Jesus Christus. (16) Und nicht verhält es sich mit der Gabe wie mit dem, was durch den einen Sünder geschehen ist. Denn das Urteil hat von dem Einen her zur Verdammnis geführt, die Gnade aber hilft aus vielen Sünden zur Gerechtigkeit. (17) Denn wenn wegen der Sünde des Einen der Tod geherrscht hat durch den Einen, um wieviel mehr werden die, welche die Fülle der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, herrschen im Leben durch den Einen, Jesus Christus. (18) Wie nun durch die Sünde des Einen die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die Rechtfertigung gekommen, die zum Leben führt. (19) Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die Vielen zu Gerechten.

Hier kommt nun das Charisma ins Spiel, das Geschenk Gottes. Warum verhält es sich mit dem Charisma anders als mit der Sünde (V15)? Nun die Sünde war eine Sache der Vererbung. Von Adam ausgehend ist sie auf alle übergegangen. Wir konnten, wenn man so will eigentlich nichts dafür. Wir waren Kinder des Zorns von Natur aus, schrieb Paulus an die Epheser. Doch die Gnadengabe ist, wie gesagt, ein Geschenk das man annehmen muss. Es ist für alle da, nicht nur für einige Wenige, die in die richtige Familie oder Sippe hineingeboren wurden. Es gibt auch keine Möglichkeit sich dieses Geschenk zu verdienen, und sich dadurch von der Menge der Sünder abzusetzen.

Es gibt also einen Unterschied, oder sagen wir besser einen Gegensatz, eine Unverhältnismäßigkeit, um im gleichen Sprachgebrauch zu bleiben, wie die Lutherübersetzung. Nämlich dass eigentlich eine einzige Sünde, die von Adam und Eva, genügte, um eine solche verheerende Wirkung zu haben, dass jeder Mensch von dieser Sünde erfasst wurde, wie von einer Krankheit. Die Gnade aber erweist sich als noch größer, denn sie umfasst die Menge der Sünden aller Zeiten und aller Menschen und macht sie eigentlich wirkungslos. Aber man muss die Gnade, im Gegensatz zur Sünde annehmen. Denn in dieser Sache muss sich der Mensch ändern, Gott ändert sich nicht. Er bleibt heilig und der Sünde abgewandt. Darum ist zwar die Gnade für alle da, aber sie wird nicht von allen in Anspruch genommen. Nicht alle Sünder werden durch die Gnade zur Gerechtigkeit gebracht lesen wir in V17, aber viele!, nämlich jene, die die Fülle der Gnade und Gerechtigkeit empfangen.

Wir können also drei Dinge vom Text her mit Gewissheit sagen:
1. Das Charisma ist ein Geschenk und Geschenke muss man annehmen, niemand wird dazu genötigt.

2. ist mit diesem Charisma ganz Christus gemeint, denn in ihm, dem zweiten Adam, dem Begründer einer Neuen Menschheit, die nicht durch natürliche, sondern durch geistliche Geburt entsteht, haben wir im Geschenk Gottes, das neue Leben. Er ist es, der uns eine Wohnung beim Vater einrichtet und uns eines Tages zu sich holt, in den Himmel, zurück ins verlorene Paradies.

3. Wer dieses Geschenk annimmt, der verwirklicht damit seine Gerechtigkeit und überwindet die Sünde. Denn es geht ja darum, dass die Macht und die Herrschaft der Sünde gebrochen wird.

Durch dieses Geschenk will Gott nicht plötzlich den Menschen als Sünder akzeptieren, das ist völlig ausgeschlossen, sondern durch dieses Geschenk, durch das Charisma, will Gott den Menschen von der todbringenden Sünde befreien, erlösen, bereit machen für eine neue Zukunft in der Gegenwart seiner Herrlichkeit. Die Macht und Herrschaft der Sünde war schlimm, aber die Fülle der Gnade und damit der Herrschaft Christi wird um so herrlicher sein und baut ganz und gar auf Gerechtigkeit. Was das bedeutet ist uns nicht gleich bewusst, aber es soll uns Schritt für Schritt bewusst werden.

Und das ist dann auch das Thema das uns durch die nächsten drei Kapiteln des Römerbriefes führt. Wie kommt es zu diesem Herrschaftswechsel und zur Verwirklichung der Gerechtigkeit Gottes in unserem Leben. Ich möchte Euch ermutigen, vielleich in der nächsten Zeit einmal den ganzen Römerbrief zu lesen.

Gott schenke uns Einsicht in sein Wort und Weisheit zu leben in einer Zeit, die noch nicht befreit ist von der Gegenwart der Sünde. Aber ihre Macht ist gebrochen, der Tod ist schon besiegt. Gott schenke, dass wir in der Gnade leben, dem Charisma unseren Herrn Jesus Christus.

Amen!