3. Die Überwindung der Sünde durch das Charisma (Rö 6)

In der zweiten Predigt der Serie »Christus unser Charisma« geht es um schwerwiegende Fragen: Dürfen Christen sündigen, da doch die Gnade auf ihnen liegt? Können Christen sündigen und was ist wenn sie es tun? Diesen schwierigen Fragen geht Paulus nicht aus dem Weg. Denn natürlich ist die Gnade auch eine Herausforderung für alle die an Christus glauben. Wie man sich dieser Herausforderung stellt, hängt sehr davon ab, wie man das Evangelium verstanden hat.

 

In der letzten Predigt über Römer Kap. 5 12-21 bemerkten wir, das Paulus sich erneut mit dem Gesetz beschäftigte und sagte, dass das Gesetz ja nicht vom Anfang an da war. Bis Moses gab es kein Gesetz, wohl aber schon Heiden und Juden. Unter Abraham begann der Glaube. Aber mit Moses hat über 400 Jahr später etwas begonnen, was wir mit der »Sichtbarwerdung der Sünde in ihrem ganzen Ausmaß« bezeichnen könnten. Wir wissen, dass die Sünde zum Tode führen muss, weil wir, oder besser gesagt die Juden, das Gesetz bekommen haben und sich dadurch klar herausstellte, dass es keine Chance gibt, dass irgendjemand auf der Welt den Willen Gottes zu tun imstande ist.

Nun aber nach dem Zeitalter des Gesetzes, das mit Christus endet, befinden wir uns im Zeitalter der Gnade, das mit Christus begonnen hat. Wir haben auch gesagt, dass dieses Wort Gnade im griechischen Charis heißt, sinngemäß übersetzt also mit Gabe oder Geschenk bezeichnet werden müsste. Wir wollen nun heute mit Römer 6 beginnen uns etwas näher mit diesem Geschenk Gottes zu beschäftigen. Paulus beginnt aber das sechste Kapitel mit einer provokanten Frage:

(1) Was sollen wir nun sagen? Sollen wir in der Sünde beharren, damit die Gnade um so mächtiger werde? (2) Das sei ferne! Wie sollten wir in der Sünde leben wollen, der wir doch gestorben sind?

(3) Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? (4) So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. (5) Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. (6) Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. (7) Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.

(8) Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. (9) und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. (10) Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für allemal; was er aber lebt, das lebt er Gott! (11) So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.

Dürfen Christen sündigen?
Römer 6 beginnt mit genau dieser Frage, die sich eigentlich jedem stellen müsste, der etwas über die Sache nachdenkt, denn es ist ja naheliegend: Wenn es nun gar nicht darum geht, dass es ein Gesetz gibt, das uns von der Sünde abbringt, sondern dass es nur die Aufgabe des Gesetzes ist, die Sünde anzuzeigen, damit auch die Gnade sichtbar werden kann, dann stellt sich nämlich tatsächlich die Frage, ob es denn dann nicht egal ist, ob wir sündigen. Ja es sollte doch mathematisch sogar so sein, dass wenn wir sündigen, die Gnade dadurch um so reichhaltiger wird. Also, lasst uns sündigen, wir vergrößern damit ja die Gnade…!

Dieses Argument, bei dem sich einem Juden natürlich die Nackenhaare sträuben, wurde damals sicher auch als gewichtiges Argument gegen das Evangelium ins Feld geführt. Aber auch heute noch hören wir gelegentlich, dass es doch egal sei, ob wir sündigen, wenn doch Gott eh immer wieder gnädig ist und die Sünde vergibt. Was führt Paulus hier als Gegenargument ins Feld? Er ruft ja in Vers 2 gleich zu beginn sehr kategorisch aus: »Das sei ferne!« Damit will er keinen noch so leisen Verdacht aufkommen lassen, dass er mit seiner Theologie der Gnade diese Haltung irgendwie unterstützen könnte. Aber wie gelingt es ihm, das auch zu beweisen, dass man so als Christ gar nicht denken kann?

Paulus macht nun hier etwas, was sehr naheliegend ist. Er packt das Geschenk aus, um bei dem Beispiel meiner letzten Predigt zu bleiben (Ihr erinnert Euch, an mein Gleichnis von dem Geschenk das wir jemandem schön verpackt übergeben). Er packt es aus und untersucht es auf seinen Wert. Das Charis, die Gabe Gottes wird von ihm analysiert, damit es richtig verstanden wird. Und das ist ja auch das Problem, dass so viele Christen diese Gabe Gottes, die Gnade, missverstehen.

Dabei ist nun ganz klar, dass Paulus als die Gnadengabe Gottes in Römer Kap. 6 einzig und alleine Jesus Christus definiert. Bevor in der Bibel überhaupt von anderen Charismata die Rede ist, finden wir diesen Begriff ganz auf die Person Jesus bezogen. Er ist unser Charisma! Wenn wir nicht dieses Geschenk von Gott erhalten hätten, dann hätten wir gar nichts. Nachdem sich alles andere als im Prinzip wertlos erwiesen hat, der Glaube des Abraham, die Erwählung des Volkes Israels, das Gesetz des Moses, das davidische Königtum und so weiter – weil es nicht dazu geführt hat, dass die Sünde überwunden wurde und Gerechtigkeit hergestellt worden ist – ist nun die Gabe Gottes, dass Er uns seinen Sohn gab, das, was uns nun wirklich hilft. Etwas Größeres und Edleres gibt es nicht.

Aber es wird nun auch von Paulus hervorgehoben, dass dieses Geschenk einen Zweck hat, den wir nicht übersehen dürfen. Es ist nicht so, dass Gott uns einfach seinen Sohn kommen lässt und damit ist alles wieder in Ordnung, und die Gemeinschaft mit Gott ist nun wieder hergestellt. Nein, es ist notwendig, dass dieser Sohn Gottes für uns am Kreuz stirbt und wieder aufersteht und das tut er nicht nur für uns, sondern eigentlich mit uns. Es ist ganz wichtig, dass wir dies begreifen, denn dies zu verstehen ist der Schlüssel zur Heiligung. Niemand wird je zur Heiligung gelangen, der das nicht versteht und ohne Heiligung wird niemand den Herrn sehen (Hebr. 12:14).

Christus starb für uns, das bedeutet viel. William Mc Donald schreibt in seinem Kommentar: »Als Jesus der Sünde starb, tat er das als unser Repräsentant. Er starb nicht nur als unser Stellvertreter – d. h. für den Menschen, oder an seiner Stelle – sondern auch als unser Repräsentant – d. h. als Mensch. Deshalb starben wir mit ihm, als er starb.«

Ich glaube dass er recht hat. Viele Christen aber sehen im Tod Jesu wohl nur einen Stellvertreter Tod und das ist verhängnisvoll. Dies unterstützt die These, dass wir dann ja sündigen können, weil er eh für alle unsere Sünden gestorben ist. Was ist der Unterschied zwischen einem Stellvertreter und einem Repräsentanten? Dazu vielleicht ein Beispiel aus der Geschichte. Als am 28. Juni 1914 der Habsburger Thronfolger Franz Ferdinand I in Sarajevo ermordet wurde, da betraf das nicht nur die Familie Habsburg, sondern es betraf die ganze Österreich-Ungarische-Monarchie. Der Attentäter hatte vielleicht den Thronfolger gar nicht persönlich gekannt. Er hatte wahrscheinlich auch keinen persönlichen Konflikt mit der Familie Habsburg, aber er war ein Gegner der Donau-Monarchie und ihrer Machtansprüche gegenüber Serbien. Franz Ferdinand starb damals als Repräsentant dieser Monarchie und wir wissen, dass damit alle betroffen waren, die in dieser Monarchie lebten. Das Ereignis führte schließlich zum ersten Weltkrieg und veränderte die Mitteleuropäische Welt sehr nachhaltig. Niemand konnte sich damals aus der Sache heraushalten; in irgendeiner Weise war jeder betroffen. Und als der Krieg zu Ende war, da gab es keine Österreich-Ungarische-Monarchie mehr.

So drastisch muss man das auch sehen, wenn es um den Tod Jesu geht. Da ist nicht einfach etwas passiert, das wir nur ein wenig staunend zur Kenntnis nehmen und dann zur Tagesordnung übergehen. Nein, da ist etwas passiert, das uns betrifft und das unser Leben buchstäblich auf den Kopf stellt. Wenn wir sagen würden, Christus ist stellvertretend für unsere Sünde gestorben und Punkt. Dann wäre das zwar auch nicht falsch, in dem Sinne dass es nicht wahr wäre. Aber es wäre falsch, weil es viel zu kurz greifen würde. Es wäre nur ein Teil der Wahrheit und ein Teil der Wahrheit kann auch eine Lüge sein, denn die Wahrheit ist eigentlich unteilbar und muss als Ganzes erfasst werden. Ich habe ja das letzte mal schon darauf hingewiesen, dass wir in dem deutschen Begriff Gnade eigentlich einen Rechtsbegriff haben und das führt unser Denken etwas in die Irre. Die Vergebung ist nur ein Teil der Wahrheit. Wir sind nicht nur begnadigte Sünder, denen die Strafe erlassen wurde, sondern wir sind Betroffene, zu einer Reaktion herausgeforderte Besitzer eines wertvollen Geschenkes geworden. Das Charisma »Jesus Christus« ist so wertvoll und der Preis dieses Geschenkes, der Tod Jesu, war so hoch, dass es unser Leben geradezu auf den Kopf stellen sollte. Christus starb nicht nur für uns, wir sollten mit ihm gestorben sein, wenn wir dieses Geschenk wirklich annehmen.

Nehmen wir mal ein anderes Beispiel. Sagen wir mal, wir leben in armseligen Hütten und jemand schenkt uns ein Schloss. Würden wir da nicht alles liegen und stehen lassen und in das Schloss einziehen? Nicht einmal unsere Kleider würden wir mehr mitnehmen, denn sogar die wären in der neuen Umgebung unpassend. Unser Leben würde fortan völlig anders verlaufen. Wenn es das nicht täte, wenn wir weiterhin in den Lumpen in der alten Hütte hausen würden, dann müsste man doch wohl sagen, dass wir das Geschenk gar nicht angenommen haben. Aber was nützt ein Geschenk, das nicht angenommen wird?

So ist auch der Tod Jesu unwirksam, wenn wir nur akzeptieren wollen, das Christus für uns gestorben ist, aber wir nicht mit ihm gestorben sind. Es geht hier in Vers 3-4 nicht um die Wassertaufe, sondern um das was essentiell von der Wassertaufe symbolisiert wird. Wenn jemand in Christus ist, dann ist das als wäre er mit Christus gestorben, er ist ein Betroffener, er ist mit hinein genommen in diesen Tod, weil Jesus nicht nur sein Stellvertreter ist, sondern sein Repräsentant. Was Jesus getan hat, beeinflusst sein Leben so total, als wäre er selbst gestorben und natürlich auch auferstanden, um in einem neuen Leben zu wandeln. Dieses neue Leben aber ist ein Leben außerhalb der Sünde. Nur wenn wir das so sehen und so erlebt haben, ist laut Vers 5 für uns auch eine Hoffnung vorhanden, dass wir in der Auferstehung ihm gleich sein werden. Hier ist wohl Auferstehung in einem doppelten Sinn zu verstehen. Die Auferstehung mit Christus die wir hier auf Erden schon erleben, weil wir Christus gleich gestaltet werden, wie es in der Taufe symbolisiert wird, führt uns zu einem Leben ohne Sünde. Wenn aber Jesus wiederkommt, werden wir – so wir dann bereits physisch gestorben sind – auch leiblich auferstehen und ihm gleich sein, also bei ihm im Himmel leben können.

Ohne das erste wird auch das zweite nicht möglich sein. Wir täuschen uns, wenn wir meinen, dass wir hier auf Erden leben können wie wir wollen und dann von Gott im Zuge einer Amnesty, einer Begnadigung, in sein Reich aufgenommen werden. Der Vers 6 nennt uns ganz klar das Ziel: der Leib der Sünde muss vernichtet werden! »sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen, denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.«

Es ist ganz klar, dass damit nicht nur die Vergebung gemeint sein kann. Wir müssen das so deutlich sehen, denn es geht darum, dass wir in unserem Leben in der Nachfolge Christi auch den Sieg über die Sünde tatsächlich und wirklich erleben. Wir haben die Gnade erst, wenn wir den Sieg haben. Erst in einem neuen Lebenswandel erweist sich die Gnade oder das Charisma. So kann also niemand sagen, dass er trotz seiner Sünde ruhig schlafen kann, denn er hat ja die Gnade. Christ zu sein und zu sündigen beweist ja eindeutig, dass die Gnade eben nicht vorhanden ist. Denn wenn jemand in der Gnade oder im Charisma lebt, dann zeigt sich das vor allem darin, dass er nicht sündigt, weil er der Sünde abgestorben ist.

Können Christen sündigen?
Das führt uns nun zu der großen Frage: ist denn dann ein Christ nicht mehr in der Lage zu sündigen? Diese Frage stellt Paulus zwar hier nicht so direkt, aber es ist klar, dass es genau darum geht. Denn Paulus schreibt ja an Christen. Der Römerbrief ist kein Brief für Ungläubige, sondern er ist ein Lehrbrief für solche, die Christus nachfolgen, oder ihm nachfolgen wollen, aber die vielleicht nicht so ganz begreifen, was das alles beinhaltet – solche, die das Geschenk nicht ausgepackt haben, oder die es zwar ausgepackt haben, aber noch nicht so viel damit anfangen können, wie das Kind, das für sein zukünftige Ausbildung ein Sparbuch geschenkt bekommen hat. Es muss ihm erst erklärt werden, was es damit auf sich hat.

Wir sehen also, dass Paulus hier gegen die Sünde argumentiert, gegen die Sünde von Christen, die Jesus nachfolgen wollen, aber trotzdem sündigen. Das zeigt uns aber auch, dass es dies gibt. Christen können sündigen, aber sie sollten es nicht. Das neue Leben hat keinen Automatismus. Gott hat durch Christus nicht aus seinen Jüngern plötzlich lauter programmierbare Roboter gemacht. Der Mensch besitzt auch als neuer Mensch immer noch seine volle Entscheidungsfreiheit. Der freie Wille des Menschen ist Gott heilig. Nur mit diesem freien Willen soll sich der Mensch für Gott entscheiden und gegen die Sünde. Das ist die Frucht die Gott sehen will. Wenn wir so wollen, sind wir als Christen wieder ein wenig in der Situation in der Adam war, wir wissen zwar nun genau was gut und böse ist, aber wir können uns dennoch Tag für Tag dafür entscheiden, ob wir es so oder so machen, wie Adam sich täglich entscheiden musste, von welchen Früchten er nahm.

Was ist, wenn Christen sündigen?
Also schreibt Paulus einen Lehrbrief, um den Christen die Konsequenzen vor Augen zu führen, und wie sie mit dem Charisma Christus umzugehen hätten, damit dies auch zu dem von Gott vorgesehenen und gewünschten Ergebnis führt. Dieses Ergebnis ist nun ein Leben ohne Sünde. Das ist das Ziel! Im Grunde genommen wird jeder der auf biblische Weise ein Christ geworden ist, dies auch so sehen und wollen. Auf biblische Weise Christ werden heißt nämlich, dass wir das Evangelium verkündigt bekommen, dass uns dadurch unsere Sündhaftigkeit bewusst wurde und die Notwendigkeit, dass Christus für uns gestorben ist, und dass wir von daher schon den Willen haben, dass sich unser Leben verändert, dass die Macht der Sünde gebrochen wird und wir in Zukunft ein gerechtes Leben vor Gott führen. Wenn wir das nicht so sehen, dann würden wir uns ja auch gar nicht bekehren, nachdem wir das Evangelium gehört haben, sondern würden das wie viele andere einfach ablehnen. Aber es gibt natürlich auch eine unbiblische Weise Christ zu werden. Viele nennen sich Christen, weil ihre Eltern bereits Christen waren und sie als Kinder getauft worden sind. Das Evangelium kennen sie, wenn überhaupt, nur ungefähr und der Wille Gottes bleibt ihnen verborgen. Andere gehen in eine christliche Veranstaltung, aber was sie dort zu hören und zu sehen bekommen hat mit dem Evangelium nicht mehr allzu viel zu tun. Spektakuläre Programme lenken von der Botschaft eher ab, als dass sie diese verständlich machen. Sogenannte charismatische Ereignisse stellen nicht die Gabe Jesus in den Mittelpunkt, sondern irgend eine andere Gabe, von der behauptet wird, dass sie vom Geist Gottes kommt. Eigentlich ist es der Charismatiker selbst, der da vorne die Show macht, der dem die Ehre zukommt, mit der Verkündigung des Evangeliums aber hat das ganze nicht mehr viel zu tun.

Das alles kann dazu führen, das sich Menschen Christen nennen und sich eigentlich gar nicht dessen bewusst sind, was das genau bedeutet. Das war sicher auch damals schon so. Im Römerbrief finden wir das noch nicht so krass beschrieben, aber in den anderen Briefen des Paulus sehen wir doch sehr genau, dass es damals bereits eine Auseinandersetzung darum gab, was es heißt Christus nachzufolgen.

Nun ist es aber nicht nur für diejenigen, die vielleicht durch falsche Verkündigung zu wenig vom Wort erkannt haben schwierig, ja sogar unmöglich, Jesus nachzufolgen. Auch diejenigen, die es wissen was es bedeutet, die vom Verstand her alles begriffen haben, empfinden es gelegentlich schwer, von der einen oder anderen Sünde zu lassen und plagen sich damit herum. Machen wir uns nichts vor. Es gibt für jeden von uns Dinge, die uns weniger Mühe machen, andere hingegen werden uns leicht zum Problem. Was ist nun damit? Wie können wir tatsächlich in allen Bereichen unseres Lebens den Sieg erleben? Genau um diese Frage geht es nun in den Kapiteln 6, 7 und 8 des Römerbriefes. Paulus kennt das Problem sehr genau und er beleuchtet es von allen Seiten.

Früher dachte ich immer, es müsste auf diese Frage, wie man zu einer vollkommenen Heiligung kommt, wie man die Sünde endgültig und ein für allemal aus seinem Leben verbannt, eine einfache Antwort geben. Eine Formel sozusagen, die in ein bis maximal zwei Versen eingepackt wäre. Doch diese Formel gibt uns Paulus nicht, sondern er braucht ganze drei Kapiteln, bis er alles das beschrieben hat, was wir schließlich »das Leben im Geist« nennen können. Wer würde nicht sagen, dass es ihm anders lieber wäre? Eine kurze Formel die wir wahrscheinlich alle gesucht haben, als wir noch jung im Glauben waren, die hätte uns sicher besser gefallen. Doch es gibt sie nicht und wir sollten das akzeptieren. Zu komplex ist das Glaubensleben mit Gott und zu persönlich. Denn bei aller Theologie, wird es doch bei jedem wieder etwas anders aussehen. Noch einmal möchte ich es sagen: Der neue Mensch ist kein Roboter aus der Fließbandproduktion Gottes, gleichförmig gestaltet, sondern auch die neue Schöpfung Gottes setzt sich zusammen aus Individuen. Gott formt Dich und Mich. Da gibt es zwar Richtlinien, aber keinen einheitlichen Bauplan, der zum Zuge kommt. Und ich denke das ist auch der Grund, warum alles doch ein wenig komplizierter ist und sich nicht in einer Formel zusammenfassen lässt.

Dennoch gibt uns das Wort Gottes konkrete Antworten, die uns helfen zurechtzukommen. Um diese Antworten geht es nun im Folgenden.
In Vers 11 lautet die erste konkrete Anweisung:

»haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus.«

Diese Aussage wird dann auch in den folgenden Versen von Paulus konkretisiert und er sagt was das heißt.
(12) So lasst nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, und leistet seinen Begierden keinen Gehorsam. (13) Auch gebt nicht der Sünde eure Glieder hin als Waffen der Ungerechtigkeit, sondern gebt euch selbst Gott hin, als solche die tot waren und nun lebendig sind, und eure Glieder als Waffen der Gerechtigkeit. (14) Denn die Sünde wird nicht herrschen können über euch, weil ihr ja nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade.

Der erste und wichtigste Schritt, der getan werden muss ist, dass wir dies als Tatsache akzeptieren, dass Jesus nicht nur für uns stellvertretend am Kreuz gestorben ist, sondern wir auch mit ihm gestorben sind. Normalerweise sollte das ja schon jeder bei seiner Bekehrung begriffen haben, denn bereits da wird die Sache Wirklichkeit. Wenn wir, in welcher Form auch immer, darauf kommt es nicht an, unser Leben Jesus Christus übergeben haben, dann sollte uns das klargeworden sein, dass wir der Welt und unserem alten Leben abgestorben sind und damit etwas ganz neues beginnt. Doch leider ist es nicht immer so, wie wir gesehen haben, es scheint auch andere, falsche Zugänge zum Christ-Sein zu geben. Das kann aber auch damit zusammenhängen, dass bei jemanden bei seiner Bekehrung ein Problem so im Mittelpunkt steht und es so sehr um die Lösung dieses einen Problemes geht, dass es psychologisch für die Person gar nicht möglich ist, sofort zu erkennen, dass es um das ganze Leben geht und nicht nur um die Lösung von ein paar Problemen. Die Not macht oft blind und erst wenn dieses eine vordringliche Problem gelöst ist, stellt es sich dann heraus, ob es sich um eine wirkliche Lebensübergabe gehandelt hat. Irgendwann einmal dringt es ins Bewusstsein, dass es hier doch um mehr geht, als nur um die Lösung einer Ehekrise zum Beispiel, oder einer Krankheit. Wir haben ja in den Evangelien sehr viele Beispiele von Krankenheilungen. Nicht alle folgten Jesus dann auch tatsächlich nach. So sind auch nicht alle bereit, dann, wenn sie erkennen, wie umfassend und tiefgreifend das Evangelium in ihr Leben hineinwirken will, sich dem zu stellen. Aber das ist die erste Voraussetzung zu einem Leben in der Heiligung.

So fordert uns Paulus nun auf: »Erkennt es und haltet es für wahr, für Realität, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Christus.« Die Konsequenz daraus ist, dass wir auch wirklich und tatsächlich Nein! sagen, zur Sünde. Hier zeigt uns Paulus nun auch in V 12, dass unser sterbliche Leib beim Sündigen eine wesentlich Rolle spielt. Er ist es, der uns zur Sünde treibt. Wir sprechen ja auch von den Trieben. Das ist auch etwas was uns bewusst werden muss. In diesem Vers dürfen wir nicht eine grundsätzliche Leibfeindlichkeit der Bibel sehen. Wir wissen aus zahlreichen Stellen, dass sich die Bibel sehr wohl dafür ausspricht, dass der Mensch die Dinge die Gott geschaffen hat auch genießt. Aber worum es hier geht ist eine grundsätzlich materialistische Einstellung des Menschen. Der Mensch der nur für seinen Bauch lebt, könnte man übertrieben sagen, lebt ganz und gar für die Sünde. Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben, das sind die klassischen Quellen der Begierden, die zur Sünde führen. Sagen wir es modern, damit wir es auch verstehen: etwas sehen und haben wollen, um damit anzugeben, um etwas darzustellen, was wir nicht sind. Das sind die Triebfedern der Sünde. Oder gleich postmodern ausgedrückt, wir finden es einfach nur geil und darum tun wir es. Wer so lebt, wer den Ansprüchen seiner inneren Triebe unkontrolliert folgt und ausschließlich tut, wozu er Lust hat, der kann keinen Sieg über die Sünde haben, selbst dann nicht, wenn er fromme Lieder singt.

Beobachte Dich selbst einmal, wonach lebst Du? Ist es die Lust die Dich treibt, oder der Wunsch für Gott zu leben. Beides schließt sich eigentlich aus. Später in Römer 13:13-14 sagt Paulus:
(13) Lasst uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; (14) sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt.

In der alten Bibelübersetzung von Martin Luther hieß es noch: sorgt für den Leib, aber so, dass er nicht »geil« werde. Ich finde es höchst bemerkenswert, dass dieses Wort so verändert wurde, dass seine Bedeutung eine starke sexuelle Färbung bekommen hatte. Als Luther es einsetzte, da war das keineswegs so. Geilheit war ein Begriff aus der Botanik, der etwas besonders üppig, aber ungesund wachsendes bezeichnete, etwa lange unfruchtbare Triebe, oder Wiesenflecken, die besonders grün und dicht bewachsen aber wertlos sind. Inzwischen ist es umgangssprachlich geworden, diesen Begriff für alles Mögliche zu verwenden, das wir gerne hätten und wonach es uns verlangt. Lassen wir uns nicht von solchen spielerischen Wortveränderungen verführen. Begriffe erfahren zuweilen aus eben diesem Grunde eine Umdeutung, um etwas zu verharmlosen. Was die Bibel hier meint ist die Macht der Begierde, der ein rein materialistisch gesinnter Mensch ausgesetzt ist. Ein materialistischer Mensch hat dem nichts entgegen zu setzen, wenn etwas so geil ist, dass er es um jeden Preis haben will. Dem stellt sich keine Ethik entgegen, denn Ethik kann ja nur vom Glauben her kommen, also von dem was nicht materiell und daher auch nicht wissenschaftlich erforschbar ist.

Wenn wir nun an Christus glauben und daran, dass er lebt und wir mit ihm, was ist dann konsequenter, als dass wir uns dann eben dem allgemeinen Materialismus versagen und uns dem zuwenden, was gerecht ist. Die Sünde ist ungerecht und dass unsere Glieder, also unser sinnliches materielles Dasein ihrem Wesen entspricht, das ist das Natürliche. Aber das neue Leben zeichnet sich dadurch aus, dass wir eben nicht so leben, sondern dass wir auch unsere materielle, sinnliche und irdische Existenz, jetzt schon in den Dienst der Gerechtigkeit Gottes stellen. Das muss jetzt schon beginnen. Auch wenn wir noch nicht im Himmel sind, sondern auf dieser Erde, leben wir bereits im Reich Gottes. Wie aber soll sich das Reich Gottes offenbaren, wenn nicht in der Gerechtigkeit Christi, die er uns vorgelebt hat, als er auf Erden war und die er auch in seiner Bergpredigt gelehrt hat.

Wir haben in Römer 6 also eine sehr ernst zu nehmende Anfrage an unser Leben als Christ. Wir sehen dass es nicht gleichgültig ist, wie wir leben und dass es nicht das Wichtigste ist, dass uns unsere Sünden vergeben sind. Auch wenn wir unter dem Druck unseres schlechten Gewissens meinen, Sündenvergebung wäre das Wichtigste. Aus Gottes Sicht ist es das Wichtigste, dass Menschen die sich Christen nennen, auch so leben, wie Christus es gesagt hat, dass sie leben sollen. Lasst uns also nicht bloß Christen sein, das wäre zu wenig, selbst wenn wir dabei Zeichen und Wunder tun würden, sondern lasst uns solche sein, die auch in der Nachfolge Jesu leben. Denn Jesus hat ja gesagt, und damit möchte ich schließen, dass an dem Tag des Gerichtes viele zu ihm sagen werden: »Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan?« Dann aber wird er zu ihnen sagen: »Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!« (Math. 7:21-23)

Der Herr schenke Euch Gnade, im vollen Umfang dieses Wortes, nämlich: als Sieg über die Sünde, durch das Geschenk Jesus Christus seines Sohnes.

Amen!