4. Der geistliche Mensch (Rö. 8:1-17)

Die vierte Predigt der Serie »Christus unser Charisma«, geht dem Problem nach, wie wir unsere natürliche Neigung zur Sünde überwinden und dennoch Gottes Willen tun können. Hier kommt in Römer 8 das »Leben im Geist« zum Tragen. Wenn wir den Heiligen Geist tatsächlich empfangen haben, dann muss sich das in unserem Leben auch darin zeigen, dass wir in der Lage sind die Sünde zu überwinden. In einer Grafik werden die Zusammenhänge zwischen den Begriffen Geist und Fleisch erklärt.

 

Die Kapitel 5-8 im Römerbrief sind sozusagen das Herzstück der christlichen Theologie. Die Evangelien sind die Basis, von der aus alles erklärt werden muss. Doch Paulus ist es durch den Heiligen Geist gelungen, in seinem Römerbrief die gültige Erklärung dafür zu geben, warum alles so kam, wie es gekommen ist und was es für einen jeden Einzelnen für uns bedeutet. Darum müssen wir diese zentralen Kapitel wirklich verstehen, wenn wir Christus nachfolgen wollen.

Wir haben in Kap. 5 gesehen, wie Christus auf die Welt gekommen ist, um etwas grundsätzlich Neues zu beginnen. Adam war der erste Mensch, durch den die Sünde in die Welt gekommen ist. Christus ist der zweite, durch ihn kam die Gnade. Aber er ist auch der letzte unter dem Gesetz, denn nach ihm befindet sich die Menschheit in einer grundsätzlich anderen Situation. Seit Christus ist es dem Menschen möglich, der Sünde, die den Tode über die Welt gebracht hat, zu entfliehen und zu leben. Adam brachte die Sünde und den Tod, Christus die Gnade und das Leben.

In Kap. 6 wird uns das am Bild der Taufe erklärt. Wir erkannten deutlich, dass ohne Christus nichts geht. Er ist unser Gnadengeschenk, unser Charisma. Wenn wir in ihm sind, dann leben wir, wenn wir nicht in ihm sind, dann sind wir tot und weiterhin Knechte der Sünde.

Wir haben gesehen, dass es im Römerbrief auch um die Auseinandersetzung ging, die Paulus mit den Juden hatte, der ja auch einer war. Er musste sie davon überzeugen, dass das Gesetz ausgedient hatte. Das vom Volk so geliebte mosaische Gesetz hatte sich zwar als gut und vollkommen erwiesen, aber auch als ein für die Erlösung des Menschen untaugliches Instrument. Wozu war es denn gegeben worden? Eigentlich nur, um den Menschen seine Sündhaftigkeit klar zu machen. Um ihm zu zeigen, wo er steht und um die ganze Tiefe des Sündenfalles zu ermessen. Übrigens hat das Gesetz diese Funktion ja nicht eingebüßt. Noch immer sagt es: du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht falsches Zeugnis geben gegen deinen Nächsten; … und wir wissen, wenn wir sündigen, dass wir gegen Gottes Willen verstoßen haben, das Gesetz kommt unserem Gewissen, das es auch weiß, zu Hilfe und unterstützt es. Aber wir wissen eben seit Christus auch, dass wir in ihm die Gnade Gottes angenommen haben und nicht nur Sündenvergebung erlangten, sondern eine absolute Befreiung von der Knechtschaft der Sünde. Das alles hatte das Gesetz nicht geben könnte, die leidvolle Geschichte des Volkes Israels, das so lange unter dem Gesetz lebte und zu keinem heiligen Volk wurde, hat dies bewiesen. Damit setzte sich Paulus in Kap. 7 auseinander und endete mit einem großen Seufzer der für das Alten Testament so charakteristisch ist (V24): »Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von diesem todverfallenen Leib?« Das Kapitel schließt dann mit dem Hinweis auf Jesus Christus unseren Herrn und dies bildet auch den Übergang zum 8. Kapitel, wo sich Paulus nun intensiv mit dem neuen Leben in Christus beschäftigt. Wir lesen zunächst die ersten vier Verse:

Keine Verdammnis – für Wen?
(1) So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind [die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist]. (2) Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. (3) Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: Er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch, (4) damit die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist.

Keine Verdammnis mehr, das klingt sehr gut. Wir merken schon, dass es hier wirklich um ein neues Zeitalter geht, um das Zeitalter der Gnade, des Charismas, der geschenkten Gnade von Gott. Doch für wen ist diese Gnade wirksam? Umfasst sie alle Menschen? Es gibt Leute die dies meinen. Sie glauben, dass ja nun wohl alle Menschen gerettet sind durch das was Christus für uns getan hat. Denn es reicht ja für alle Sünden, aller Menschen, zu allen Zeiten, dass Jesus sein Blut für uns vergossen hat: die Sünde ist verdammt, die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, erfüllt – nun steht der Liebe Gottes nichts mehr im Wege, dass er allen Menschen alles vergibt. Doch so einfach ist das nicht. Hier ist schon einmal die Einschränkung in Vers 1, die besagt, dass es keine Verdammnis gibt für jene, die in Christus Jesus sind. Damit müssen wir uns beschäftigen, wer sind denn diejenigen, die in Christus sind?

Der große Theologe des 19. Jhdts. John Nelson Darby brachte es auf den Punkt wenn er sagte: »Es heißt nicht: „Also ist jetzt keine Verdammnis mehr für die, welchen die Sünden vergeben sind,” sondern „für die, welche in Christo Jesu sind.” Diese Stellung ist das Resultat des Werkes Christi, der Erlösung.« Allversöhnung scheint hier also ausgeschlossen. Denken wir auch zurück an Römer 6, wo uns das Bild der Taufe vor Augen führt, wie wir als Christen in diese Stellung gelangen. Durch seinen Tod weg vom alten Leben, dem wir gestorben sind, hinein in ein neues Leben durch seine Auferstehung. Darum geht es, in dieser Stellung zu sein, also sind nicht alle gerettet, sondern nur die in Christus Jesus, in dieser Stellung sind.

Aber was heißt das dann? Sind alle Christen gerettet und nur alle anderen verloren, die sich nicht Christen nennen? Auch das müssen wir verneinen. In der alten Lutherbibel gibt es einen kleinen Nebensatz in V. 1: »die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist« Diese Ergänzung ist nicht in allen Bibelübersetzungen vorhanden. Die Elberfelder hat diesen Nachsatz nicht, die neueren Übersetzungen auch nicht, interessanterweise hat die Schlachter 2000 diesen aber wieder aufgenommen.

Der Grund ist, dass in einigen älteren Handschriften dieser Satz fehlt. Luther übersetzte an Hand von früheren Schrifturkunden, ältere standen ihm nicht zur Verfügung. Als man dann noch ältere Abschriften fand, ging man davon aus, dass diese älteren die Zuverlässigeren sind. Eine Annahme, die aber nicht von allen geteilt wird. Es liegt hier also einer der extrem wenigen Fälle vor, in dem nicht ganz klar ist, ob dieser Teil des Bibeltextes (nur dieser kleine Nebensatz) eine nachträgliche Einfügung ist, und je nachdem, wie die Übersetzer dies beurteilen, kommt er einmal vor und einmal nicht.

Es ist ja durchaus möglich dass irgendjemand in einer Randnotiz die Aussage, die ja ohnehin in V4 auch gemacht wird, auch dem ersten Vers hinzugefügt hat, in den nachfolgenden Abschriften hat sich das dann erhalten. Der Grund könnte gewesen sein, deutlich zu machen, dass es wirklich nicht darum geht, nur ein mit dem Munde bekennender Christ zu sein. Es geht nämlich vor allem darum, dass wir geistlich leben und nicht fleischlich. Selbst wenn das Paulus also nicht in den ersten Satz dieses Abschnittes hineingeschrieben hat, ist es doch die Wahrheit, die er in V4, der ja unstrittig ist, auch deutlich gemacht hat. Denn die ersten vier Verse bilden ein einheitliche Aussage und die besagt, dass das Leben in Christus ein geistliches ist und keine fleischliches, und dass es deshalb keine Verdammnis beinhaltet.

Wie wenden wir das also an, wenn wir sagen, dass keine Verdammnis ist, in denen die in Christus Jesus sind. Ich denke wir haben da einiges zu korrigieren, was sich in den letzten Jahrzehnten auch in der evangelikalen Verkündigung eingeschlichen hat, nämlich die Meinung, dass wenn jemand ein einfaches Übergabegebet zu Jesus spricht, er für alle Zeiten gerettet ist und ihm nichts mehr passieren kann. Das ist ebenso eine Irrmeinung, wie die Annahme, dass man schon unter der Gnade steht, wenn man als Kind getauft ist. Die Früchte zeigen oft genug, dass diese Art der Evangelisation falsche Hoffnungen weckt und wir müssen uns gut überlegen, wie wir dem mit unserer Verkündigung dem entgegen wirken können. Lesen wir weiter im Text und beschäftigen wir uns mit der zweiten Frage:

Gott gefallen – Wer?
(5) Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnt. (6) Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede. (7) Denn fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag‘s auch nicht. (8) Die aber fleischlich sind, können Gott nicht gefallen. (9) Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.

Gnade ist also nicht bloß Vergebung, das haben wir jetzt schon wiederholt festgestellt. Gnade ist das Durchdringen zu einem Heiligen Leben. Wer aber kann schon sagen, dass ihm das auf Anhieb, nach seinem ersten Übergabegebet gelungen ist? Ich denke die wenigsten werden das behaupten können. In der Regel bedeutet es einen mehr oder weniger langen und manchmal auch sehr intensiven Kampf, bis man wirklich in dem steht, was man in Christus sein soll. Ich möchte das mit einer Grafik veranschaulichen, wie das funktionieren kann, dass wir von einem fleischlichen Leben zu einem geistlichen Leben gelangen.

Als Gott den Menschen schuf, da heißt es dass er ihn aus Erde bildete und ihm den »Odem (Geist) des Lebens« gab, »… also wurde der Mensch ein beseeltes Wesen!«, heißt es dann wörtlich (1. Mose 2:7). Wir haben also vom Anfang an einen dreigeteilten Menschen gehabt, der aus Leib, Seele und Geist besteht. Der Mensch hat nicht nur eine Seele, sondern auch einen Geist. Wir nehmen zwar nur wahr, dass der Mensch aus einem materiellen Teil besteht und aus einem immateriellen. Doch sein immaterieller Teil ist auch zweigeteilt, denn der Geist, den ihm Gott exclusiv gegeben hat – den Tieren hat Gott keinen Geist eingehaucht – war ja nach dem Sündenfall tot. Dennoch blieb der Mensch auch nach dem Sündenfall ein seelisches Wesen und reduzierte sich nicht auf seine materielle Existenz, er wurde nicht zum Tier, auch wenn er wie ein Tier leben und sterben musste, wegen des Gerichtes das ihn getroffen hatte.

 

Versuchen wir es konkreter zu machen: der Mensch als materielles Wesen lebt in einer materiellen Welt, die er mit seinen Sinnen erfährt. Er hat daher ein »Weltbewusstsein«, ein Bewusstsein von der Welt die ihn umgibt, die er mit seinen 5 Sinnen erfassen kann. Es gibt da aber auch noch die Innenwelt, die mit der materiellen Welt nicht unbedingt etwas zu tun hat. Diese Innenwelt nennen wir das Selbst und so gelangen wir auch zu einem »Selbstbewusstsein«. Dies ist der seelische immaterielle Bereich wo wir den Kern unserer Persönlichkeit finden.
Im Paradies aber, als Gott den Menschen schuf, gab es noch eine dritte Dimension seines Daseins, nämlich das »Gottesbewusstsein«. Der Mensch verkehrte mit Gott, er lernte ihn kennen und wurde von ihm beeinflusst. Die Welt, das Selbst und Gott, waren die Quellen aus dem der Mensch schöpfte. Das Gottesbewusstsein aber war eine Folge des Odems, den Gott ihm eingehaucht hatte, des Geistes.

Doch dann kam die Sünde und sie führte zu einem Bruch mit Gott. Die Abwesenheit Gottes, nachdem der Mensch das Paradies verlassen hatte, verursachte einen »geistlichen Tod«. Das Gottesbewusstsein verkümmerte. Der Geist war zwar noch da, aber er spielte keine entscheidende Rolle mehr, weil der Mensch Gott nur mehr sehr eingeschränkt wahrnehmen konnte. Vor der Sintflut finden wir in 1. Mose 6:3 einen interessanten Vers der lautet: »Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht für immer mit dem Menschen rechten, denn er ist [ja] Fleisch.« (Schlachter 2000). Auf irgendeine Weise hatte Gott also auch in vorsintflutlicher Zeit versucht Einfluss auf die Menschen auszuüben. Wie, das wissen wir nicht so genau, wahrscheinlich aber über das Gewissen, der Mensch war ja immer noch in der Lage, moralisch zu empfinden. Diesen Sinn, den Gott dem Menschen gegeben hat, moralisch zu empfinden, nennen wir Gewissen. Das Tier hat solchen Sinn nicht. Aber die Menschen lehnten das sehr schnell ab, denken wir nur an die Geschichte mit Kain und Abel. Und so sagt Gott, dass der Mensch Fleisch ist, das heißt, dass er ganz vom irdischen her bestimmt ist. Luther hatte hier eigentlich übersetzt: »Die Menschen wollen sich von meinem Geist nicht mehr strafen lassen, denn sie sind Fleisch.«

Hier also schon, haben wir das Dilemma, dass der Mensch nicht mehr von Gott bestimmt ist, sondern ausschließlich von seinem Selbst und von seinem Leib. Da aber der Leib, die materielle Dimension des Menschen, so dominant ist, muss der Mensch als fleischlich bezeichnet werden, er, den Gott doch geschaffen hatte, damit er geistlich sei und mit ihm Gemeinschaft hätte. Mehr noch, der Mensch ist durch die fortgesetzte Sünde und die Verleugnung seines Gewissens, auf das Niveau des Tieres herabgefallen. In der Erlösung kann es also nur darum gehen, ihm den Geist zurück zu geben, ihn geistlich wieder zum Leben zu erwecken und damit dieses Unheil zu beseitigen. Wir sehen also, es geht nicht nur um die Schuldfrage, sondern es geht um die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, um die Wiedererlangung eines Gottesbewusstseins. Denn der fleischliche Mensch ist in seiner Gesinnung ganz auf das Materielle ausgerichtet. Sein Selbstbewusstsein war und ist eng verknüpft mit seiner Bedeutung in der sinnlich-sichtbaren Welt. In dieser Welt aber herrschte ein ewiger Krieg um Ressourcen, denn der Mensch war zum Sterben verdammt und das wusste er. Nur die Beherrschung der natürlichen Ressourchen versprachen ihm ein besseres und vielleicht sogar längeres Leben.

Der geistliche Mensch aber, der durch die Kraft der Auferstehung in Christus Jesus neu für Gott lebendig wird, sollte den Sündenfall wieder völlig rückgängig machen. Die geistliche Gesinnung derer die in Jesus sind, sollte zu neuem Leben und zu ewigen Frieden führen. Die Kehrtwendung sollte 180° sein, deshalb sprechen wir ja auch von einer Bekehrung und nicht bloß von einer Entscheidung für Christus. Diese Bekehrung soll also zu einem völlig neuen geistlichen Leben führen. Wie können wir uns das vorstellen? Lesen wir weiter:

Geistlich leben – Wie?
(10) Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. (11) Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt. (12) So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben. (13) Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben.

Hier sind wir nun beim Kern der Sache. Leben wir geistlich oder leben wir fleischlich, das ist die entscheidende Frage und nicht ob wir Christen sind oder nicht. Wenn wir »in Christus« sind, werden wir geistlich leben. Wenn wir das nicht sind, dann können wir das gar nicht, denn wir sind immer noch fleischlich. Da spielt es dann auch keine Rolle, zu welcher Gemeinde wir gehören, ja nicht einmal welche Theologie wir vertreten.

Aber wie ist das dann mit den fleischlichen Christen, von denen Paulus ja auch spricht. Wir erinnern uns davon im 1. Korintherbrief (3:3) gelesen zu haben, als in der Gemeinde sich Leute anfingen zu streiten, da sprach er: »Denn wenn Eifersucht und Zank unter euch sind, seid ihr da nicht fleischlich und lebt nach Menschenweise?« Hier müssen wir aber vor allem sagen, dass dies von Paulus als ein schnellstens zu überwindender, völlig unmöglicher Zustand bezeichnet wird. Der Gedanke, dass der fleischliche Christ ein Normalzustand eines Christen ist, der halt noch nicht so reif ist im Glauben, der lässt sich nicht in der Bibel finden, auch nicht an dieser Stelle. Freilich ist es eine gewaltige Umstellung, wenn aus einem fleischlichen Menschen ein geistlicher Mensch wird, aber es ist eben eine Umstellung, das heißt, dass sich alles ändert, unsere Wert- und Moralvorstellungen, unsere Lebensgewohnheiten und vor allem unsere Liebe zur Wahrheit, zu Frieden und Gerechtigkeit. Wenn sich das nicht in unserem Leben zeigt, dann sind wir nicht wirklich geistlich sind. Ein Christ der fleischlich lebt, kann zwar ein Bewusstsein von Gott habe, aber was nützt ihm das? Wie in der Grafik dargestellt, ist zwischen ihm und dem natürlichen Menschen substantiell kein Unterschied. Das aber war nicht Gottes Absicht, als er seinen Sohn für uns gab. Das gewünschte Ergebnis sollte der geistliche Mensch sein, das geht aus Römer 8 eindeutig hervor.

Der geistliche Mensch
Wir sollten hier erkennen, dass der Text nicht sagt, dass wir uns, wie das beim Gesetz war, anstrengen sollen, um geistlich zu leben. Nein, es wird eigentlich ausgesagt, dass Gott sich anstrengt um »…unsere sterblichen Leiber lebendig zu machen, durch den Geist der in uns wohnt« (V11). Was heißt das, bezieht sich das auf die Auferstehung von den Toten, beim jüngsten Gericht? Auf keinen Fall, das bezieht sich auf unser Leben im Hier und Jetzt. Davon wird Paulus bald sprechen, wenn er im Kap. 12 bis 16 des Römerbriefes beschreibt, was das alles ganz praktisch bedeuten kann. Der erste Vers dieses Abschnittes (12:1) lautet da:
»Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftige Gottesdienst.«

Es geht also um ein ganzheitliches Heil, das vom Geist Gottes, über unseren wieder lebendig gewordenen Geist ausgeht. So wie die Beeinflussung vorher von unten her, vom Leib, vom Materiellen aus stattgefunden hat, weswegen der Mensch eben fleischlich genannt wurde, so soll und muss jetzt die Beeinflussung von oben her, von Gott ausgehen und der Mensch muss geistlich werden. Das heißt, er ist ein vom Geist Geleiteter, der, wie es hier heißt, die Werke des Fleisches tötet. Niemand sage, dass das nicht schmerzhaft sein kann, aber es wird und muss so sein, wenn der Geist Gottes wirklich in unser Leben Einzug gehalten hat. Und es wird zu schaffen sein, weil erstens Gottes Geist uns dazu anleitet und weil wir zweitens dem Fleisch nichts mehr schuldig sind (V12), das heißt: es hat keine Macht mehr über uns.

Das ist die Gnade, die in unserem Leben sichtbar sein soll. Gott hat sich kein geringeres Ziel gesetzt und er wird niemals aufgeben, dieses Ziel bei seinen Kindern zu erreichen. Wenn jemand Kinder hat und sie liebt, dann kann er das verstehen. Wir haben Ziele für unsere Kinder und möchten sie dazu vorbereiten, ein gutes und sicheres Leben zu führen. Deshalb erziehen wir sie und bemühen uns täglich darum, ihnen gute Manieren, Fleiß und Wissen beizubringen. Auch Gott möchte das mit seinen Kindern machen. Das bringt uns zur letzten Frage nämlich die der Gotteskindschaft.

Gottes Kind – Wann?
(14) Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. (15) Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! (16) Der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind. (17) Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.

Wovon wirst Du getrieben? Das ist die eigentliche Schlüsselfrage. Treibt Dich das Fleisch, der Trieb, wie eh und je? Sind die Wünsche Deiner Seele bestimmt durch das was Dein Leib will – ist Dein Bewusstsein ausschließlich ein Weltbewusstsein? Bestimmt die Welt Dein Selbstbewußtsein? Oder treibt Dich der Geist – ist Dein Bewusstsein auch ein Gottesbewusstsein und lässt Du Dich durch Ihn und Sein Wort leiten? Drängt es Dich nach Frieden mit Gott und den Menschen? Hungert und dürstet Dich nach Gerechtigkeit?

Was sind die Motive Deines Herzens? Sie sind es eigentlich, die offenbaren, ob Du ein Gotteskind bist oder nicht. Die Motive Deines Herzens aber werden über kurz oder lang Deine Taten bestimmen. Niemand soll denken, dass er ein Doppelleben durchziehen kann und es sich erst im Himmel offenbart, dass er ein Gotteskind ist. Es zeigt sich entweder hier bereits auf Erden, dass Du zu Jesus gehörst, oder es zeigt sich in Ewigkeit nicht, davon bin ich fest überzeugt.

Ich bin zutiefst erschrocken darüber, wieviele Menschen heute meinen, sie könnten Ihr Christ-Sein verborgen halten und niemand hätte letztendlich ein Recht dies zu beurteilen. Geschwister, es ist legitim und angebracht uns zu ermahnen. Jeder von uns kann ein Doppelleben führen und in der Welt ein anderer sein, als er hier in der Gemeinde ist. Dies ist auch eine der Veränderungen die sich in den letzten Jahrzehnten ergeben haben. Wir sind nicht mehr eine Gemeinde in einem begrenzten sozialen und/oder geografischen Rahmen. Wir treffen uns nicht täglich, wie zu Zeiten der Apostelgeschichte, sondern sonntäglich. Einige sehen sich dann noch zwischendurch, andere sehen sich sonst nicht mehr. Jeder von uns kann den anderen täuschen und vorgeben etwas zu sein, was er nicht ist, das war früher nicht so einfach. Doch gerade deshalb sollten wir uns gegenseitig ermahnen. Die Sache ist ernst: wenn wir kein geistliches Leben haben, dann sind wir auch keine Gotteskinder, dann sind wir auch nicht gerettet. Nur geistlich zu tun, das ist zu wenig, das fromme Vokabular ist schnell gelernt. Nur weil einer englisch kann, ist er ja auch noch lange kein Engländer. Letztendlich sind Dein Arbeitsplatz, Deine Familie und Deine Freundschaften maßgeblich, hier wird sich zeigen, ob Du geistlich lebst oder fleischlich. Wenn Du es aber dort nicht tust, dann kommt der Tag, wo es auch in der Gemeinde offenbar wird, dass Du nicht der bist, der Du zu sein vorgibst. Die Gemeindeleitung braucht hier gar keine Mühe aufzuwenden, dies ans Licht zu bringen, Gott wird es tun – denken wir nur an Hananias und Saphira in der Apostelgeschichte.

Stellen wir uns doch vor, jemand hat einen Ehepartner, der sehr charmant ist. Ständig bringt er Blumen und verkündet in süßen Worten, wie sehr er seine Frau liebt. Doch eines Tages kommt die Frau drauf, dass der gleiche Mann, der ihr ständig seine Liebe schwört, sie hintergeht und in Wirklichkeit gar nicht so viele Überstunden macht, sondern seine Zeit mit einer anderen verbringt, während sie dachte, er würde sich beruflich um das Wohl der Familie kümmern. Was denkt ihr, wird diese Frau machen? Sie wird sich wahrscheinlich scheiden lassen, wegen der Untreue Ihres Mannes.

Wenn nun Menschen sich das nicht gefallen lassen, wieso denken wir, dass Gott sich so etwas gefallen lässt? Meinen wir wirklich, er wird es tolerieren, dass wir Sonntag für Sonntag Lieder singen, in denen wir ihm sagen wie sehr wir ihn lieben und anbeten und dann in der Woche, leben wir wie alle anderen Menschen, begehen die gleichen Sünden wie sie und denken gar nicht daran uns vom Geist Gottes leiten zu lassen. Sollte Gott das nicht auch auffliegen lassen? Er wird es aufdecken darauf können wir uns verlassen!

Geistliches Leben kann sich nur entwickeln, wenn wir uns vom Geist Gottes leiten lassen. Natürlich leben wir auch in der Welt und sind angefochten von ihr. Natürlich sündigen wir oft und fallen. Aber wir kämpfen, weil wir Gott gefallen wollen und nicht Menschen. Wie sieht das in Deinem Leben aus? Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, dass ich nicht an die Unverlierbarkeit des Heils glaube. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ein Kind Gottes nicht verloren gehen kann. Aber ich bin um nichts weniger davon überzeugt, dass sich die Gotteskindschaft in einem Menschenleben beweisen muss. Sie muss sich zeigen – offenbaren. Christus will in Dir sichtbar werden und der Geist Gottes wird Dich nicht in Frieden lassen, bis er sein Ziel mit Dir erreicht hat, wenn Du wirklich sein Kind bist.

Wenn Du aber sündigst und sagst, dass Du dabei kein schlechtes Gewissen hast, dann fürchte ich, bist Du wahrscheinlich gar kein Gotteskind. Denn welcher Vater würde sein Kind in das Verderben laufen lassen ohne es daran zu hindern? Wenn der Geist Gottes Dich treibt, dann wird er Dich im Falle einer Sünde auch zur Buße treiben, das ist ganz sicher. Wenn Du aber den Geist Gottes nicht hast, dann magst Du dabei ruhig schlafen, dann bist Du aber auch nicht sein Kind und jede Heilssicherheit ist ein glatter Selbstbetrug.

Dieser Kampf darum, die Sünde zu überwinden, die Taten des Fleisches zu töten, wie es in V. 13 geheißen hat, ist sicher ein Weg des Leidens. Aber wir lesen hier ja auch davon, dass wir mit ihm leiden in dieser Zeit. Wir sind seine Kinder und als solche leiden wir mit ihm mit. Sicher, der eine mehr, der andere weniger, aber für jeden ist genug Gnade da, dies auf sich zu nehmen und der Friede, der sich auf uns legt, ist für uns mehr als genügend Ausgleich dazu. Denn niemand sage, dass er nicht leiden kann. Leiden kann jeder, wenn er in seinem Leiden einen Sinn sieht und den wird uns Gott auch zeigen.
Amen!

Das Endziel unseres Leidens aber ist die Hoffnung auf die ewige Herrlichkeit. Denn natürlich ist es nicht damit getan, dass wir geistlich sind, es muss auch die Welt verändert werden und auch die Schöpfung muss ihre Befreiung erfahren. Davon handelt der Rest des 8. Kapitels des Römerbriefes, den wir uns das nächste mal ansehen werden.

Fortsetzung: 5. Hoffnung und Herrlichkeit der Kinder Gottes (Römer 8:18-39)